Immer mehr freiberuflich tätige IT-Expert:innen, Entwickler:innen und Kreative aus Deutschland blicken über die Landesgrenzen hinaus – nicht aus Abenteuerlust, sondern wegen struktureller Probleme im eigenen Land.
Laut einer aktuellen Umfrage von freelancermap, einer Plattform für Freiberufler im deutschsprachigen Raum, denkt fast jede:r zweite Freelancer über eine Zukunft im Ausland nach. Besonders besorgniserregend: Auch Fachkräfte im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) sind betroffen – mit potenziell weitreichenden Folgen für Deutschlands digitale Wettbewerbsfähigkeit.
Trotz besserer Stimmung: Abwanderung bleibt ein Thema
Zwar hat sich die allgemeine Stimmung unter den 1752 befragten Freelancer:innen im Vergleich zum Vorjahr etwas verbessert. Doch der Trend zur Auswanderung ist weiterhin präsent:
- 48 % ziehen einen Umzug ins Ausland in Betracht
- 8 % planen diesen Schritt konkret
- 9 % haben ihn bereits vollzogen
Damit geht zwar der Anteil im Vergleich zum Vorjahr leicht zurück, aber die Ursachen für die Abwanderung sind noch immer aktuell – darunter mangelnde Rechtssicherheit, hohe Steuerlast und fehlende politische Perspektiven für Selbstständige.
Gleichzeitig zeigt sich ein Lichtblick: Der Anteil jener, die eine Auswanderung kategorisch ausschließen, ist gestiegen – von 22 % auf nun 35 %.
Ein besonderer Schwerpunkt der Umfrage liegt auf dem Bereich der Künstlichen Intelligenz. Rund 77 % aller Freelancer setzen sich mit KI-Tools auseinander. Unter denen, die über einen Wegzug nachdenken, liegt der Anteil sogar bei 93 %. Das zeigt: Gerade die technologisch fortschrittlichsten Köpfe sind von den deutschen Rahmenbedingungen zunehmend frustriert.
Ein potenzieller Verlust dieser Kompetenzen würde nicht nur das Freelancing-Ökosystem treffen, sondern den gesamten Innovationsstandort schwächen – und das in einer Phase, in der Deutschland dringend digital aufholen muss.
Warum viele das Weite suchen
Die Gründe für die Überlegungen zur Auswanderung sind vielschichtig:
- 42 % der Befragten wünschen sich bessere Lebensbedingungen
- 38 % hoffen auf steuerliche Vorteile
- 37 % nennen politische oder gesellschaftliche Gründe
- 34 % kritisieren die Bürokratie in Deutschland
- 25 % sehen im Ausland weniger Risiko der Scheinselbstständigkeit
- 20 % erwarten dort bessere berufliche Chancen
Diese Zahlen machen deutlich: Es geht nicht nur um einzelne Nachteile, sondern um eine generelle Unzufriedenheit mit den Rahmenbedingungen für Selbstständige in Deutschland.
Ein strukturelles Problem – kein Einzelfall
Thomas Maas, Geschäftsführer von freelancermap, warnt: Die anhaltende Auswanderungstendenz sei kein Randphänomen, sondern Ausdruck eines strukturellen Missstands. Freelancer seien bereit, Verantwortung zu übernehmen, sich weiterzubilden und Innovation voranzutreiben – doch statt Unterstützung würden sie häufig ausgebremst.
Die Forderung nach einem politischen Kurswechsel wird damit immer lauter: Weniger Bürokratie, mehr Rechtssicherheit und eine ernsthafte Perspektive für Selbstständige – nur so könne verhindert werden, dass Deutschland weiter an digitaler Kompetenz verliert.
(pd/freelancermap)