Interview

„Maximale Automatisierung ist das Ziel!“

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Matthias Lemenkuehler
Matthias Lemenkühler, CEO der xSuite Group. Bildquelle: Fotostudio Cornelia Hansen

KI und Cloud sind zwei Hypethemen im Umfeld des Themen-Klassikers Rechnungsverarbeitung. Matthias Lemenkühler, CEO der xSuite Group im Gespräch mit Ulrich Parthier, Publisher it-daily.net.

Wenn wir das Thema KI ansprechen, dann gibt es zahlreiche Teilbereiche und fast jeder interpretiert den Begriff anders. Können Sie uns in puncto Definition weiterhelfen?

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Matthias Lemenkühler: Das sehen Sie genau richtig. Zur Künstlichen Intelligenz gehören Machine Learning (und seine Weiterentwicklung Deep Learning), neuronale Netze und Natural Language Processing. In der Praxis wird mit dem Begriff KI heute jedoch oft nur eine dieser Unterformen assoziiert, das Machine Learning. Darunter versteht man Algorithmen, die auf Grundlage von Erfahrungen eigenständig aus Informationen und Daten lernen und auf dieser Basis Vorhersagen treffen können.

Theorie und Praxis, ist Künstliche Intelligenz aus ihrer Sicht in der Praxis angekommen?

Matthias Lemenkühler: In jedem Fall. Neuentwicklungen im Bereich Deep Learning als Weiterentwicklung treiben diesen Trend voran. Hierbei werden weniger Daten benötigt, um ein gleich gutes Suchergebnis zu schaffen. „Few shot learning“ und „Transfer learning“ sind Ausprägungen in diesem Umfeld. Auch die Toolsets verbessern sich. Man benötigt also weniger Fähigkeiten für die Nutzung von Software, die mit solchen KI-Algorithmen arbeitet. Da zugleich die Kosten für derartige Technologien weiter sinken, wird die Akzeptanz von KI für den Einsatz in verschiedensten praktischen Anwendungsfeldern noch weiter steigen.

Ihr Thema ist die automatisierte Rechnungsverarbeitung. Wie kann man das Potenzial von KI für diese spezifische Aufgabenstellung nutzen?

Matthias Lemenkühler: KI hilft immer dort, wo Regelwerke an ihre Grenzen stoßen. So können Aufgaben plötzlich automatisiert oder zumindest deutlich vereinfacht werden, die vorher manuell erledigt werden mussten. KI hebt den Automatisierungsgrad dann noch weiter an. Außerdem eignet sie sich gut für quantitative Vorhersagen, also Forecasting, und für die Anomalie-Erkennung (z.B. Erkennen von Betrugsversuchen). Grundvoraussetzung dafür ist aber natürlich die Digitalisierung. Digitalisierung ist die Pflicht, KI die Kür und maximaler Automatisierungsgrad das Ziel.

Wie geht man am besten systematisch vor, um das Thema „Mehr Effizienz durch KI“ voranzutreiben?

Matthias Lemenkühler: Jede neue Technologie muss man hinterfragen. Insbesondere wenn der Hype gerade immer größer wird. Da kann es passieren, dass die Technologie pauschal immer angewendet wird – und einfachere, bessere, effizientere Lösungen evtl. übersehen werden. KI lässt sich mit dem Zweck der Effizienzsteigerung zum Beispiel sehr sinnvoll einsetzen bei Arbeitsschritten, die bisher nicht vollständig automatisiert sind, wenn Entscheidungen nicht anhand einfacher Ja/Nein-Logik zu treffen sind und wenn die Arbeitsschritte hinreichend oft vorkommen – erst dann bringt Automatisierung generell etwas. Es ist eine enorme Arbeitserleichterung, wenn eine KI-Engine automatisch die richtigen Bearbeitenden für eine Rechnung findet und basierend darauf, wie die letzten Rechnungen des Lieferanten für den Buchungskreis kontiert wurden, Kontierungsvorschläge erstellt. Im Umkehrschluss benötigt man KI nicht unbedingt bei einfach zu beantwortenden Fragen, zum Beispiel die nach der Belegart. Ob es sich um eine FI- oder MM-Rechnung handelt, kann man auf eine einzelne Ja-/Nein-Frage herunterbrechen: „Steht auf der Rechnung eine Bestellnummer“? Ein einfaches, fest hinterlegtes Regelwerk genügt da, Einsatz von KI wäre mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

„Künstliche Intelligenz und die Cloud bieten den Unternehmen viele neue Perspektiven, um sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren.“

Matthias Lemenkühler, CEO, xSuite Group

Soviel zum Thema Künstliche Intelligenz. Kommen wir zum zweiten Aspekt, der Cloud. Wie sehen Sie diesen Aspekt innerhalb der IT-Systemlandschaft? Raten Sie generell zum Umstieg auf das Cloud-Modell?

Matthias Lemenkühler: Jedes Unternehmen muss sich die Frage stellen, welche Betriebsform für die eigenen Zwecke die richtige ist. On-Prem, Cloud, SaaS, Managed Service – es gibt zahlreiche Ausprägungen. Für die Cloud spricht, dass Anschaffungskosten, Pflege und Wartung dieser Infrastrukturkomponente entfallen. Der Personal- und
Schulungsaufwand wird drastisch reduziert. Außerdem entfällt der „HA/DR”-Aspekt: die Gewährleistung von High Availability & Disaster Recovery, sprich hoher Verfügungsgrad und Wiederherstellbarkeit im Katastrophenfall.

Das Cloud-Modell ist ja auch ein Teil des gegenwärtigen Transformationsprozesses bei der IT-Infrastruktur und hat neben der technischen eine betriebswirtschaftliche Komponente.

Matthias Lemenkühler: Sie sprechen hier sicherlich den Wandel vom Capex- zum Opex-Modell durch das Cloud Computing an. Betriebswirtschaftlich unterscheidet man bei finanziellen Ausgaben im IT-Bereich zwischen Capex (Capital Expenditure) und Opex (Operational Expenditure). Capex steht für Investitionsausgaben, die dem Anlagevermögen zugerechnet werden. Es handelt sich also um langfristige Investitionen und damit auch Abschreibungen. Opex hingegen beschreibt laufende Betriebs- oder Verwaltungskosten, die in einem Unternehmen entstehen, um den laufenden Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Und dies ist wirtschaftlich gesehen das große Plus von Cloud Computing, denn es handelt sich dabei um Kosten, die sofort abzugsfähig sind. Die Transformation von Capex zu Opex ist also nichts anderes als eine Verlagerung von Investitions- hin zu Betriebsausgaben.

Und die technische Seite?

Matthias Lemenkühler: Durch das Cloud-Modell und gegebenenfalls Managed Services entfallen viele Probleme. Patches, Updates, Upgrades, Schulungen, Personalmangel – das alles gehört der Vergangenheit an.

Viele Unternehmen haben dennoch immer noch Bedenken, mit ihren Geschäftsprozessen in die Cloud zu gehen, insbesondere die fehlende Individualisierbarkeit ist ein Argument. Was antworten Sie diesen Unternehmen?

Matthias Lemenkühler: Die Welt ist nicht schwarz und weiß. In der Praxis ist die Frage eigentlich nie „Cloud oder on-premises?“, sondern es sind fast immer Mischformen, also hybride Modelle. So lassen sich auch die Vorteile der Cloud (Flexibilität, Innovationsgeschwindigkeit, geringer Aufwand In-House) mit den Vorteilen on-premises betriebener Systeme (insbesondere Individualisierbarkeit) verbinden. Diese hybriden Szenarien sind daher auch keine reine Übergangsphase, sondern insbesondere im ERP- Kontext gewollte Zielarchitektur. Unser Ziel ist es, grundsätzlich alle SAP-Kunden zu bedienen, unabhängig davon, ob sie bereits vollständig in der Cloud arbeiten, einen Hybrid-Betrieb bevorzugen oder noch komplett auf On-Premises-Systeme setzen. Wir verbinden in unseren Lösungen On-Premises- mit Cloudtechnologie. Konkret heißt das: Bestimmte Schritte der Rechnungsbearbeitung werden inhouse abgewickelt, andere über Software-as-a-Service abgedeckt. Was den Cloud-Teil angeht, arbeiten wir auf der SAP Business Technology Platform (BTP). Dort können Kunden und Partner der SAP Anwendungen entwickeln und mit vorhandenen Systemen verbinden. Eine Lösung haben wir bereits auf der BTP umgesetzt: unser Business Partner Portal, eine zentrale Plattform für den automatisierten Daten- und Dokumentenaustausch sowie die Kommunikation mit Lieferanten im P2P-Prozess. Eine Lösung für die Rechnungsverarbeitung auf der BTP befindet sich derzeit im Pilotbetrieb.

Herr Lemenkühler, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Matthias Lemenkuehler
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Lemenkühler

xSuite Group -

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