Der Weltfrauentag am 8. März 2025 erinnert daran, wie weit die Gleichstellung der Geschlechter vorangeschritten ist – und wie viel noch zu tun bleibt. Besonders in der Tech-Branche sind Frauen unterrepräsentiert, vor allem in Führungspositionen.
Die Herausforderung: Ungenutztes Potenzial in der Tech-Branche
Die Tech-Branche hat nach wie vor Schwierigkeiten, Frauen und vielfältige Perspektiven in Führungspositionen zu bringen – obwohl laut Bitkom 90 Prozent der IT-Unternehmen in Deutschland die Erhöhung eines Frauenanteils im Unternehmen als Chance sehen. Zudem bemüht sich ein Großteil der Unternehmen (57 Prozent) bereits, Frauen und Mädchen direkt im Recruiting-Prozess anzusprechen und Kontakte zu Hochschulen und Schulen aufzubauen, um früh ein Bewusstsein für Tech-Berufe zu schaffen.
Viele der Tech-Unternehmen haben also bereits erkannt, dass divers besetzte Teams erfolgreicher sind. Der McKinsey-Bericht „Diversity Matters even more“ rechnet vor, dass europäische Unternehmen mit Frauen in Führungsteams eine bis zu 62 Prozent höhere Chance auf überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Erfolg haben. Teams mit breiter Perspektivenvielfalt treffen bessere Entscheidungen, reagieren schneller auf Veränderungen und arbeiten profitabler. Es ist also für Unternehmen unverzichtbar, bei jungen Frauen und Mädchen früh Tech-Berufe auf den Radar zu bringen. Bis solche Maßnahmen Früchte tragen, kann es jedoch dauern. Angesichts des aktuellen Fachkräftemangels – was können Unternehmen adhoc verändern, um Potenzial zu erkennen und Arbeitsplätze für junge, diverse Talente attraktiver zu machen?
Nach über zehn Jahren Erfahrung als weibliche Führungskraft in der Tech-Branche, bin ich überzeugt: Es braucht vor allem ein Umdenken. Unternehmen müssen besser darin werden, Potentiale zu erkennen – auch abseits eines stringenten Lebenslaufs. Denn echtes Potential kommt nicht immer durch die Vordertür, es sind häufig Umwege, die wertvolle Erfahrung und innovative Perspektiven mit sich bringen. Mein eigener Weg hat mich über Umwege und Schleifen zum Ziel geführt und mir verdeutlicht, dass sowohl für Unternehmen als auch für junge Talente, in der Variabilität eine enorme Stärke liegt.
Lebensläufe richtig deuten: Die Stärke der Flexibilität und Variabilität
Mein Karriereweg war alles andere als geradlinig – und genau das hat mir wertvolle Chancen eröffnet. Ich habe ursprünglich Germanistik, Zivilrecht und Wirtschaftspolitik studiert, doch merkte schnell, dass es nicht das Richtige für mich war, und wechselte in ein duales Studium bei einem LKW-Aufbauhersteller – eine absolute Männerdomäne. Danach entschied ich mich für einen Master in International Sales, was mich durch eine zufällige Empfehlung in eine Unternehmensberatung brachte, die sich auf Datenanalysen für Sparkassen spezialisierte.
Der entscheidende Wendepunkt kam, als mich ein Headhunter für eine Stelle in der Tech-Branche kontaktierte – ein Bereich, den ich bis dahin nie in Erwägung gezogen hätte. Was mir zuerst wie ein versehentlicher Anruf schien, änderte nachhaltig meine Perspektive auf Vertrieb und Software. Nach über 10 Jahren als Führungskraft im Software-Vertrieb habe ich viel gelernt: Stärke liegt nicht in der starren Verfolgung eines Plans, sondern in der Fähigkeit, sich anzupassen. Erfolg bedeutet, Chancen zu erkennen – auch dann, wenn sie nicht ins ursprüngliche Bild passen.
Ich hatte das Glück, auf Menschen zu treffen, die mich genau im richtigen Moment ermutigt haben, einen neuen Weg einzuschlagen – oft, bevor ich selbst erkannt habe, dass ich dazu bereit war. Flexibilität und Offenheit für Veränderungen sind keine Unsicherheiten, sondern entscheidende Erfolgsfaktoren. Genau diese Haltung hat mich dorthin gebracht, wo ich heute bin.
Flexibilität und Vielfältigkeit richtig nutzen
Wer langfristig erfolgreich sein will, darf sich nicht an starren Strukturen festklammern – das gilt auch für Unternehmen. Genauso wie Karrieren nicht immer geradlinig verlaufen, sollten Unternehmen offen für neue Wege, vielfältige Perspektiven und unkonventionelle Talente sein. Gerade in der Tech-Branche, die von Innovation lebt, zahlt sich Flexibilität und Vielfältigkeit aus – sei es bei der Rekrutierung neuer Mitarbeitender, in der Gestaltung von Karrierewegen oder bei der Anpassung an sich wandelnde Märkte. Unternehmen, die nicht nur Erfahrung, sondern auch Potenzial erkennen, sichern sich einen klaren Wettbewerbsvorteil.
Was können Unternehmen konkret tun, um Flexibilität und Vielfältigkeit als Stärken zu nutzen?
- Potenzial neu definieren: Karrierewege sollten nicht nur nach Titel und Stationen bewertet werden, sondern nach Fähigkeiten, Innovationskraft und Wirkung.
- Flexible Karrieremodelle schaffen: Job-Sharing, projektbasierte Führungserfahrungen oder gezielte Programme für Wiedereinsteiger:innen erhöhen die Vielfalt an Karrieremöglichkeiten.
- Mentoring und Sponsorship ausbauen: Netzwerke und gezielte Unterstützung helfen Talenten, alternative Karrierewege erfolgreich zu gestalten.
- Objektive Auswahlprozesse etablieren: Strukturierte Bewerbungsgespräche und anonymisierte Bewerbungen reduzieren unbewusste Vorurteile.
- Eine Lernkultur fördern: Statt Karriere als starre Hierarchie zu betrachten, sollten Unternehmen Entwicklung und bereichsübergreifende Erfahrungen aktiv unterstützen.
Ich selbst habe erlebt, wie wertvoll es ist, wenn Unternehmen einen offenen Umgang mit individuellen Karrierewegen pflegen: Eine ehemalige Kollegin von mir kehrte nach mehreren Jahren in einer anderen Branche wieder in die IT zurück – dank eines Mentoring-Programms, das ihren Wiedereinstieg unterstützte. Solche Programme sollten zur Norm werden.
Fazit: Jetzt handeln!
Der Weltfrauentag 2025 ist der perfekte Anlass, um ein klares Zeichen für Veränderung zu setzen: Es braucht eine Unternehmenskultur, die Frauen in der Tech-Führung unterstützt. Ich hoffe, dass wir in den kommenden Jahren mehr Frauen in der Tech-Führung sehen – nicht, weil sie sich an veraltete Strukturen anpassen müssen, sondern weil Unternehmen endlich beginnen, Flexibilität, Variabilität und Vielfältigkeit als Stärke zu sehen und zu leben.