So gelingt der Aufbau global verteilter Teams

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Flexible Arbeitsmodelle gewinnen an Beliebtheit und die Barriere zwischen Unternehmen und globalen Talenten ist durch die zunehmende Digitalisierung niedriger denn je. Eine ideale Ausgangslage für Unternehmen, die sich international aufstellen möchten. Im Interview erklärt Karen Falenius, Growth Director EMEA bei Remote, was Arbeitgeber:innen beim Aufbau global verteilter Teams beachten müssen. 

Frau Falenius, was sind die Vorteile eines globalen Talentpools?

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Karen Falenius: Schafft man eine vielfältige Belegschaft, bringt das dem Unternehmen neue Energie, Ideen und Erkenntnisse. Mit einem globalen Talentpool lassen sich qualifizierte Fachkräfte an neuen Standorten finden – vor allem auch solche, die über hoch spezialisierte Fähigkeiten verfügen und im lokalen Markt kaum verfügbar sind. Teams, die über verschiedene Zeitzonen hinweg arbeiten, steigern zudem die Gesamtproduktivität des Unternehmens, da an anderen Orten der Arbeitstag erst beginnt, wenn in Deutschland längst Feierabend ist. Auch bei der Expansion in neue Märkte sind Mitarbeitende, die mit dem jeweiligen lokalen Markt vertraut sind, sprichwörtlich Gold wert. Sie sprechen die Landessprache, verfügen über Kenntnisse zu den lokalen Geschäftsbräuchen und geben Einblicke in die Erwartungen an Bezahlung und Zusatzleistungen. Sie haben oft auch ein etabliertes berufliches Netzwerk, von dem das Unternehmen direkt beim Eintritt in den neuen Markt profitieren kann.

Wie weit ist Deutschland aktuell beim Auf- und Ausbau global verteilter Teams?

Karen Falenius: Unsere Studie zum IT-Fachkräftemangel in Deutschland zeigt, dass fast jedes vierte Unternehmen die Suche nach Tech-Talenten inzwischen global ausgeweitet hat. Obwohl sich die Wirtschaft immer weiter globalisiert, ist die Bereitschaft international einzustellen in den meisten Branchen jedoch noch relativ gering. Ein Grund dafür ist die vergleichsweise langsame Integration flexibler Arbeitsmodelle, die meist den Grundstein für den Aufbau internationaler Teams bilden. Viele beschränken ihren Talentpool zudem auf etablierte Märkte, wie New York, London oder Paris. Sie begeben sich damit in einen äußerst harten Wettbewerb um die wenigen, verfügbaren Talente – und verpassen qualifizierte Fachkräfte in anderen Märkten, wie beispielsweise Polen und Ungarn. Hier sind im Hinblick auf den Fachkräftemangel Angebot und Nachfrage noch verhältnismäßig ausgewogen und die Chance, geeignete Mitarbeiter:innen für sich gewinnen zu können, deutlich höher. Diese Erkenntnis ist noch längst nicht bei allen Unternehmen in Deutschland angekommen.

Was sind die größten Hürden für Unternehmen, international einzustellen?

Karen Falenius: Die Gründe für die eben beschriebene Zurückhaltung der Unternehmen sind vielfältig. In den meisten Fällen spielen Unsicherheit und mangelnde Erfahrung in den internationalen Märkten eine große Rolle. Für viele Unternehmen sind fehlende Niederlassungen im Ausland ein Ausschlusskriterium, dort Mitarbeiter:innen einzustellen. Das steht auch oft in Verbindung mit einem mangelnden Angebot an ortsungebundenen Arbeitsmodellen. Auch fehlendes Wissen über die lokalen Arbeits- und steuerrechtlichen Angelegenheiten in anderen Märkten ist für viele Unternehmen abschreckend. Einige assoziieren mit global verteilten Teams außerdem einen sehr hohen Aufwand. Betrachtet man die vielen Möglichkeiten, die ein breit gefächerter Talent-Pool bietet, wird eines jedoch schnell klar: Unternehmen, die global verteilte Teams aufbauen möchten, müssen jetzt einen Schritt weiter gehen, um das volle Potenzial des Arbeitsmarktes für sich nutzen zu können – das ist zudem der einzig nachhaltige Weg heraus aus der Fachkräftekrise.

Was müssen Unternehmen beim Aufbau global verteilter Teams unbedingt beachten?  

Karen Falenius: Gerade wenn man noch nicht viel Erfahrung mit internationalen Talentpools hat, gibt es ein paar Dinge zu beachten. Dazu gehört vor allem das lokale Arbeits- und Vertragsrecht, Lohn- und Rechnungslegungsvorschriften sowie der Schutz von geistigem Eigentum.

Der Aufbau global verteilter Teams erfordert auch rechtliche Expertise. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter:innen zum Beispiel fälschlicherweise als Subunternehmer:innen einstufen, drohen nicht nur Bußgelder und Rechtsstreits, sondern in einigen Fällen sogar ein Geschäftsverbot nach lokalem Gesetz. Unternehmen mit einer internationalen Belegschaft müssen daher besonders vorsichtig bei der Definition von Jobrollen sein. Was genau werden die Mitarbeiter:innen im jeweiligen Markt tun? Und welche Beziehung haben sie zum Unternehmen? Unter Umständen muss das Unternehmen erwägen, einige freie Mitarbeiter:innen und Subunternehmer:innen in Festangestellte umzuwandeln, um beim Erschließen neuer Märkte gesetzeskonform zu bleiben.

Faire Vergütungsrichtlinien sind ein notwendiger Bestandteil beim Aufbau global verteilter Teams. Das Gefühl von Gleichberechtigung fördert die Zufriedenheit und Produktivität der Mitarbeitenden. Je internationaler Teams arbeiten, desto mehr müssen Unternehmen jedoch bei der Entwicklung eines globalen Vergütungsplans beachten. Denn jedes Land, in dem Unternehmen Mitarbeiter:innen beschäftigen, hat Vorschriften zur Bezahlung von Arbeitnehmer:innen. Das reicht vom Zahlungsintervall über Boni und Sozialleistungen bis hin zu Aktienoptionen und Lohnsteuer. In Kanada wird die Arbeitnehmer:innenversicherung beispielsweise monatlich vom Unternehmen bezahlt, was ein höheres Nettogehalt bedeutet. In Australien hingegen müssen Arbeitgeber:innen, nachdem Arbeitnehmer:innen eine bestimmte Gehaltsspanne erreicht haben, Abzüge vom Gehalt vornehmen, um in der Vergangenheit angefallene Hochschulgebühren der Arbeitnehmer:innen zu decken – was zwangsläufig dann auch zu weniger Geld auf dem Bankkonto der betroffenen Mitarbeitenden führt. Die Einführung eines globalen Vergütungsplans, in dem die Compliance-Vorschriften der entsprechenden Länder festhalten sind, hilft Unternehmen dabei, solche Unterschiede zu erkennen und Bußgelder zu vermeiden.

Ausnahmslos jedes Unternehmen – völlig unabhängig von seiner Größe oder der Branche -, das global verteilte Teams beschäftigt, sollte den Schutz seines geistigen Eigentums priorisieren. Die Produkte, das Design, die Marke und sogar die Texte der Unternehmenswebsite gehören dazu. Die gute Nachricht: Die Gesetze in Bezug auf das geistige Eigentum sind in den verschiedenen Ländern in der Regel recht ähnlich: Wenn jemand etwas im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses schafft, ist das Unternehmen automatisch Eigentümer:in des diesbezüglichen geistigen Eigentums. Es ist jedoch von entscheidender Bedeutung, sich im jeweiligen Markt Expert:innen zur Seite zu holen, um abzuklären, wie der Schutz geistigen Eigentums im betreffenden Land genau funktioniert, die Feinheiten zu verstehen und sicherzustellen, dass alle erforderlichen Unterlagen zur Erledigung der Formalitäten vollständig sind.   

Gibt es so etwas wie eine Schritt-für-Schritt Anleitung?

Karen Falenius: Es gibt drei grundlegende Strategien für die Einstellung internationaler Mitarbeiter:

Erstens: Gründen Sie eine juristische Person für Ihr Unternehmen in dem Land, in dem Sie Mitarbeiter einstellen möchten. Alternativ können Sie mit einem Employer of Record (EOR) zusammenarbeiten, um Arbeitnehmer:innen international im Namen Ihres Unternehmens zu beschäftigen, auch wenn Sie in diesem Land keine Niederlassung besitzen. 

Zweitens: Schaffen Sie ein transparentes, aufgeschlossenes Umfeld, in dem sich alle Mitarbeitenden zugehörig und wertgeschätzt fühlen – unabhängig davon, wo sie sich befinden. 

Drittens: Achten Sie auf die jeweiligen Gesetze und Regelungen sowie verschiedene Zeitzonen, kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten.

Karen Falenius
Karen Falenius

Karen

Falenius

Remote -

Director of International Growth, EMEA

Karen Falenius ist seit Oktober 2021 als Director of International Growth, EMEA, für das Unternehmenswachstum bei Remote verantwortlich. Dabei setzt sie vor allem auf agile Teamarbeit im Remote-Konzept. Zuvor war die Marketingexpertin bei der F-Secure Corporation tätig, zuletzt als Leiterin für Growth Marketing der Corporate Business Unit. Insgesamt verfügt
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