Das “H” in HR

KI im Personalwesen verantwortungsvoll einsetzen

Kürzlich erschienene Reportagen der New York Times und von Bloomberg über die Art und Weise, wie Amazon die Belegschaft seines E-Commerce Business managt, zeigt ein dystopisches Bild eines hochgradig automatisierten Personalwesens.

Künstliche Intelligenz hat bereits seit längerem Einzug ins Personalwesen gehalten und kann in vielen Bereichen, wie z. B. der Kommunikation mit Bewerber:innen die Mitarbeitenden in den Personalabteilungen bei ihren Aufgaben unterstützen. Die vollständige Auslagerung von Entscheidungsprozessen auf die KI dagegen kann unvorhersehbare und dramatische Folgen haben. Wo KI im Personalwesen sinnvoll eingesetzt werden kann, wie Unternehmen Szenarien für den Einsatz von KI identifizieren und entsprechende Lösungen beurteilen, erklärt der folgende Gastbeitrag.

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Künstliche Intelligenz: ein emotionales Thema

Im Grunde genommen geht es bei der breiteren gesellschaftlichen Diskussion um den Einsatz von KI meist um die Diskussion über die Automatisierung von Tätigkeiten, die zuvor von Menschen übernommen wurden. Diese reicht bis zur ersten industriellen Revolution zurück, aus welcher uns die “Ludditen” genannten Maschinenstürmer heute als Sinnbild für technikfeindliche Ewiggestrige erhalten geblieben sind. Doch genauer betrachtet, ging es den Ludditen vor allem um faire Arbeitsbedingungen und ein Mitspracherecht bei den Veränderungen, welche die industrielle Revolution um sie herum mit sich brachte.

Spulen wir in das Computerzeitalter vor, so sind es nun die Computer, die auch den Arbeitsplätzen höher qualifizierter Arbeitskräfte gefährlich werden. Nun schließlich in der vierten industriellen Revolution beobachten wir ein neues Phänomen: Technologie übernimmt nicht nur die Arbeit der Menschen, sie übernimmt auch zusehends das Management von Mitarbeiter*innen. Auch wir stehen heute vor der Frage, wie wir mit den Veränderungen durch die sich immer schneller entwickelnden Technologien umgehen sollen. Besonders eindringlich stellt sich diese Frage im Personalwesen, dass über Wohl und Wehe der arbeitenden Bevölkerung mitentscheidet.

Die Anwendung von K.I im Human Resources Management wird seit den frühen 2000er Jahren als Thema wissenschaftlicher Forschung diskutiert. Mindestens genauso lange versuchen IT-Konzerne und Start-ups aus dem Konzept Kapital zu schlagen und es auf jeden Aspekt des Personalwesens auszuweiten, von der Personalbeschaffung bis zum Workforce Management. Der Trend kam 2018 richtig in Schwung, als der Markt für KI-gestützte HR-Tools eine neue Reifestufe erreicht hatte. 

 

Fallbeispiel Amazon

Will man sich einen Eindruck verschaffen, wo die Digitalisierung im Personalwesen besonders weit vorangeschritten ist, lohnt sich ein Blick auf Amazon. Amazon, als ein primär technologieorientiertes Unternehmen, war schon früh führend auf dem Gebiet der Anwendung von KI auf HR. Von 2014 bis 2017 nutzte das Unternehmen ein System für die Suche potenzieller neuer Mitarbeiter*innen über das Web. Das zugrundeliegende maschinelle Lernverfahren wurde mit Lebensläufen von eingestellten Mitarbeitenden der vergangenen zehn Jahre trainiert. Bald stellte das Entwicklerteam fest, dass der Algorithmus gegenüber Frauen systematisch diskriminierte, der Grund: In dem für das Training genutzten Zeitraum wurden überwiegend Männer eingestellt. Somit hatte das System die bestehende Ungleichheit in der Tech-Branche nur reproduziert. Auch mit Anpassungen am Code ließ sich das Problem nicht lösen, denn das System wäre immer wieder Gefahr gelaufen, anhand anderer Parameter zu diskriminieren.

Noch weiter geht das Unternehmen im Management seiner Arbeitskräfte in seiner E-Commerce-Sparte. Während der Pandemie wirkten sich die offensichtlichen Unzulänglichkeiten ihrer automatisierten Systeme negativ auf Tausende von Mitarbeitenden aus. Ausgelegt darauf, durch künstliche Intelligenz menschliche Interaktionen auf ein Minimum zu reduzieren und jeden Aspekt durch Daten quantifizierbar zu machen, verursachten die Systeme ungezählte fehlerhafte Kündigungen oder strichen Mitarbeitenden unrechtmäßiger Weise Bezüge, während gleichzeitig die schlechte Informationslage für allseitige Verwirrung sorgte. 

Ein Fazit dieser Beobachtungen muss lauten: Der Algorithmus interessiert sich nicht für menschliche Befindlichkeiten und Bedürfnisse und scheitert daran, die Komplexität der realen Welt abzubilden. Anteilig betrachtet mag der Algorithmus in 95 % der Fälle richtig liegen, doch wie viel Leid die 5 % Falschentscheidungen verursachen, steht in keinem Verhältnis. Hinzu kommt, dass die 95 % auch zum Teil daher rühren, dass die Menschen im System sich zusehends konformer mit den Parametern des Algorithmus verhalten. Die Beispiele zeigen, dass man Entscheidungsprozesse, gerade über menschliche Schicksale, auf eine ethisch vertretbare Weise niemals vollkommen an automatisierte Systeme auslagern sollte. So ein Vorgehen behandelt Menschen im schlimmsten Sinne des Begriffs “Human Resources” als Ressourcen, die sich einseitig managen lassen. 

 

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Pro KI in HR

Die bisherigen Beispiele zeigen, dass KI im Personalwesen für einen breitflächigen Einsatz und viele Anwendungsszenarien noch einen weiten Weg vor sich hat. Wie aber kann nun bei dem derzeitigen Entwicklungsstand der Technologie ein positiver Einsatz von KI aussehen? 

Beispiel Wissensmanagement und Service-Anfragen: Chatbots können dabei helfen, sich wiederholende Mitarbeiteranfragen oder Prozesse effizient zu automatisieren und den manuellen Arbeitsaufwand für diese Aufgaben in der Personalabteilung zu reduzieren. Das Einrichten der mittlerweile sehr ausgereiften Technologie lohnt sich überall, wo der niedrigschwellige Zugang zu Informationen gefragt ist und über einen Dialog eingeholt werden können, wie z.B. bei Fragen zum Onboarding oder zur Einhaltung von Compliance-Richtlinien. Doch auch typische Anfragen wie das Beantragen von Urlaub, Abwesenheitsmeldungen oder Reisekostenabrechnungen lassen sich über einen Chatbot abbilden und entlasten die HR-Abteilung.

Beispiel Personalentwicklung: Im Bereich Personalentwicklung gibt es erst im Bereich Weiterbildung erste ernstzunehmende Versuche. Dabei nutzt beispielsweise die Telekom KI-gestützte Software, die Mitarbeitenden Kurse passend zu ihren Interessen oder die ihren konkreten Weiterbildungsbedarf decken. Zukünftig könnten derartige Systeme jedoch noch mehr Funktionen erfüllen, in dem Sie Mitarbeitenden helfen, die erforderlichen Fähigkeiten für ihre Aufgaben zu verstehen und zugeschnitten auf ihre jeweiligen Entwicklungsvorstellungen geeignete Maßnahmen vorschlagen. Dabei könnten sie die im Hintergrund gesammelten Daten aus vorherigen Feedbacks (sofern der Mitarbeitende hierzu seine Zustimmung gegeben hat) und KI-gestützten Skill-Assessments mit dem Anforderungsprofil abgleichen.

Beispiel Recruiting: Auch im Recruiting kann KI sinnvoll sein, indem sie bei der Kommunikation mit den Bewerber*innen unterstützt, über Chatbots Fragen zum Prozess oder zum Status der Bewerbung beantwortet oder automatisiert Termine für Interviews vereinbart.

 

Wie lässt sich der Einsatz von KI in konkret bewerten?

Jede Organisation und jedes Unternehmen muss für sich im Einzelfall beantworten, wo ein Einsatz von KI für sie sinnvoll ist und wo und wie er ethisch vertretbar ist. Wie bereits aufgezeigt, kann KI dabei helfen, Routineprozesse zu automatisieren und die Personalabteilung zu entlasten, aber auch Inhalte und Angebote in großem Maßstab zu personalisieren und nicht zuletzt durch datengestützte Auswertungen bei der Entscheidungsfindung helfen oder Empfehlungen abgeben. 

Eine gute Richtschnur für die Hilfe zur Entscheidungsfindung, aber auch der Beurteilung konkreter Lösungen bieten die Richtlinien des Ethikbeirats HR-Tech. Diese 10 Punkte bieten vom Zeitpunkt der Planung des Einsatzes bis hin zur fortlaufenden Überprüfung der Systeme. Ein Wert, der sich durch alle Empfehlungen zieht, ist die Transparenz. Transparenz gegenüber den Mitarbeitenden und deren Beteiligung an Entscheidungsprozessen über den Einsatz der Technologie, jedoch auch das Einfordern von Transparenz gegenüber den Anbietern, die nachweisen müssen, dass ihre Lösungen auf fundierten Modellen und einwandfreien Datensätzen basieren und natürlich auch Transparenz durch die Befähigung der Personalabteilung, die grundlegenden Funktionsweisen der KI-Systeme zu verstehen und zu beurteilen. 

Die Richtlinien betonen auch: Am Ende sollte immer ein Mensch die Entscheidung treffen, gerade wenn sie große Auswirkungen auf das Leben der Mitarbeitenden hat. Zudem sollte stets die Möglichkeit bestehen, ein*e menschliche Ansprechpartner*in zu kontaktieren. Unternehmen, die sich diese Punkte zu Herzen nehmen, können vom Einsatz von KI im Personalwesen profitieren, ohne dabei eine Dystopie für sich und ihre Mitarbeitenden zu schaffen.  

Perry

Oostdam

CEO und Mitbegründer

Recruitee

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