Automotive Ethernet

Mit Vollgas in die Zukunft

Beherrschung der Systemkomplexität durch mehrdimensionales Testing

Speziell für den Einsatz in der Automobilbranche wurden das service-orientierte Ethernetprotokoll SOME/IP zur Interprozesskommunikation für Client-Server-Anwendungen eingeführt, ebenso wie das DoIP-Protokoll, das zu Diagnosezwecken eingesetzt wird. Beide operieren auf den obersten drei Layern. Ebenfalls im Bereich der höheren Schichten ist AVB/TSN besonders relevant für Automotive Ethernet, da es eine latenzarme Übertragung von Audio- und Videodaten ermöglicht. Durch Erweiterung des TSN Standards kamen Protokolle für geringe Latenz (802.1Qbv, 802.1Qbu, 802.1Qch), hohe Zuverlässigkeit (802.1Qca, 802.1Qci, 802.1CB) sowie zur Konfiguration und Synchronisierung von Netzwerken (802.1AS, 802.1Qcc) im Fahrzeug hinzu. Zusätzlich gewährleistet IPSec Zugriffskontrolle, Datenintegrität, Authentifizierung und Vertraulichkeit. Jedes dieser Protokolle ist für sich bereits sehr komplex, weshalb der Fokus in den bisherigen Testverfahren – wie sie beispielsweise vom TC8 der OPEN Alliance definiert werden – auf der jeweiligen Überprüfung und dem Verständnis im Detail liegt. Da alle Datenpakete letztendlich über die physikalische Ebene transportiert werden, lässt diese Vorgehensweise das eng verflochtene Zusammenspiel der Protokolle auf Hard- und Softwareebene jedoch völlig außer Acht.

„Damit diese bestehenden und mit der steigenden Komplexität immer größer werdenden Lücken im Testing von Fahrzeugnetzwerken eingedämmt werden können, hat ARRK Engineering eine Testmethodik entwickelt, die das gesamte System aus einem umfänglichen Blickwinkel heraus erfasst“, erklärt Faltheiner. Den ersten Schritt dieses Lösungsansatzes stellt die Einführung einer Wechselwirkungsanalyse dar; gleichermaßen in bereits bestehenden sowie neuen Tests. So sollen Steuergeräte nicht nur isoliert, wie es bei den Lieferanten oder Herstellern üblich ist, sondern auch auf ihre Funktionalität im Systemverbund hin getestet werden. Dabei gehen die Spezialisten von ARRK Engineering grundsätzlich davon aus, dass es Protokolle gibt, die in Interaktion miteinander zu Fehlverhalten führen können. Zweitens wird das System gezielt ausgelastet, sodass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens ungewollter Wechselwirkungen zwischen den Steuergeräten und den Protokollen steigt. Dabei ist es essentiell, mehrere Parameter – wie etwa die Summe der ausgeführten Funktionen, die Spannung, die Anzahl der Protokolle oder das Timing – zeitgleich anzuwenden beziehungsweise zu verändern sowie jeden Schritt im Ablauf des Testverfahrens detailgenau aufzuzeichnen und zu verfolgen (s. Abb. 2). Denn nur so können einerseits angemessene Kriterien festgelegt werden, nach denen ein Test als „failed“ oder „passed“ bewertet wird. Andererseits wird auf diese Weise sichergestellt, dass ein bestimmtes Fehlverhalten, wie beispielsweise der Ausfall eines Anzeigesystems, innerhalb des Systemkomplexes auch auf einen konkreten Auslöser zurückgeführt werden kann.

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Abbildung 2:

Absicherung von Wechselwirkungen verschiedener Parameter im zu testenden Systemverbund (Quelle: ARRK Engineering)

 

Automotive Ethernet als Vernetzungssystem der Zukunft

Während heutzutage in den meisten Fällen noch eine Systemarchitektur mit Domänen und einem zentralen Gateway verwendet wird und innerhalb der Automotive Ethernet lediglich als Teilsystem implementiert werden kann, rückt im Zuge der Hochintegration bereits die sogenannte zonenbasierte Architektur (s. Abb. 3) in greifbare Nähe. Durch dieses flexible und skalierbare Konzept kann die Vernetzung im Kern über Ethernet-Switches erfolgen, welche die gesamten Signale weiterleiten. Automotive Ethernet ist für die zonenbasierte Architektur eine adäquate Vernetzungstechnologie. Prinzipiell besteht die Möglichkeit, im Rahmen der immer stärker automatisierten Fahrsysteme früher oder später Automotive Ethernet als Systembus zu etablieren. „In diesem Zusammenhang können wir davon ausgehen, dass die Veröffentlichungsrate neuer Protokolle für Automotive Ethernet weiterhin ansteigen wird“, bemerkt Faltheiner. „Deshalb ist es besonders wichtig, die entsprechende Testbarkeit bereits parallel zur Protokollentwicklung zu berücksichtigen und beides – Protokoll und Testspezifikationen – zeitgleich herauszubringen.“ Um diesem ständigen Weiterentwicklungsbedarf zu begegnen, achten die Ingenieure von ARRK Engineering bei ihrer umfassenden Testmethodik ausdrücklich auf deren Zukunftsfähigkeit, sodass die Strategien und Konzepte leicht auf die Berücksichtigung neuer Protokolle angepasst und erweitert werden können.
 

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Zonenbasierte Architektur mit zentralen Rechensystemen unter Verwendung von Automotive Ethernet (Quelle: shutterstock.com/ZinetroN (Bearbeitung: ARRK Engineering) )

 

Gut zu wissen:

Anfang der 1970er Jahre am Xerox Palo Alto Research Center (PARC) in Kalifornien entwickelt, ist Ethernet seit den 1990ern die meistverwendete LAN-Technik für kommerzielle und industrielle Anwendungen. Vom Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) wird Ethernet weitgehend als Protokoll 802.3 definiert, das primär im Consumer- und Industrial-Sektor im Einsatz ist. Seit 2008 wird allerdings auch mit dem sogenannten Automotive Ethernet als Kommunikationsstruktur für Fahrzeuge experimentiert. Denn da die Nachfrage der Verbraucher nach Konnektivität im Fahrzeug sowie nach fortschrittlicher Fahrerunterstützung (ADAS) immer weiter steigt, steht die Automobilindustrie unter ständigem Druck, wettbewerbsfähige, innovative Funktionen zu liefern und gleichzeitig die Kosten zu minimieren. Die Automotive-Ethernet-Technologie ermöglicht es mehreren Systemen im Fahrzeug, gleichzeitig über ein einziges ungeschirmtes Twisted-Pair-Kabel auf Informationen zuzugreifen. Durch den Verzicht auf die im Standard Ethernet verwendete, geschirmte und mehradrige Verkabelung können Automobilhersteller einerseits die Widerstandsfähigkeit der Hardwarekomponenten für die Anwendung im Fahrzeug maßgeblich erhöhen und andererseits deren Verbindungskosten und Gewicht reduzieren.

Bei der OPEN Alliance Inc. (One-Pair Ether-Net) handelt es sich um eine gemeinnützige Interessengemeinschaft, die 2011 von Mitgliedern der Automobilindustrie und Technologieanbietern gegründet wurde. Ziel der OPEN Alliance ist es, die Einführung von Ethernet-basierten Netzwerken als Standard in automobilen Anwendungen zu fördern.  Die Mitgliedsunternehmen nutzen die Vorteile der Skalierbarkeit und Flexibilität von Ethernet, um kostengünstige Kommunikationsnetzwerke in Fahrzeugen mit reduzierter Komplexität zu ermöglichen. Ein Ethernet-basiertes Kommunikationsnetzwerk ist zudem ein wichtiges Infrastrukturelement für zukünftige Funktionen wie autonomes Fahren und das vernetzte Auto. Seit ihrer Gründung ist die OPEN Alliance auf mehr als 340 Mitglieder angewachsen.

ARRK Engineering ist Teil des internationalen ARRK Firmenverbundes und auf die Produktentwicklung spezialisiert. Mithilfe ihrer Kompetenzen in Elektronik & Software, CAE, Material, Akustik, Composite, Karosserie & Hochvoltspeicher, Antrieb, Fahrwerk, Interieur & Exterieur, Optische Systeme, Passive Sicherheit, Thermomanagement und Digitalisierung & Software entwickelt das Unternehmen als langjähriger strategischer Entwicklungspartner für seine Kunden ganzheitlich und eigenverantwortlich Produkte. Innerhalb der ARRK-Firmengruppe setzen sie Produktentwicklungen von der virtuellen Entwicklung bis hin zum Prototypen und der Produktion in Kleinserien um. Die Standorte von ARRK Engineering liegen in Deutschland, Rumänien, UK, den Niederlanden, Japan und China. Das Unternehmen beschäftigt rund 1.500 Mitarbeiter und ist weltweit tätig.

 

Autoren:

Harald Faltheiner ARRK 200Harald Faltheiner, M.Sc., Entwicklungsingenieur Hardware und Systemengineering bei der ARRK Engineering GmbH

(Bildquelle: ARRK Engineering)

 

 

 

 

 

Thomas Zirngibl ARRK 200Thomas Zirngibl, M.Sc., Teamleiter Cockpit Elektronik bei der ARRK Engineering GmbH

(Bildquelle: ARRK Engineering)

 

 

 

 

 

www.arrkeurope.com

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