VR Brille Meta Quest Pro

Metaverse –  das menschengerechte Internet?

Meta Quest
Quelle: rafapress / Shutterstock.com

Seit einem Jahr heißt Facebook nun Meta. Ein Jahr und viele Milliarden Dollar später ist nun die neue VR Brille Meta Quest Pro auf dem Weltmarkt. Ist das eine reine Verzweiflungstat Zuckerbergs oder entsteht hier ein neuer Wirtschaftsraum? Spoiler: Beides!

Der PC hat den Menschen an den Schreibtisch gefesselt. Seit ein wenig mehr als 10 Jahren ist die Menschheit dank Smartphone wieder mobil, hat aber nur noch eine Hand frei. Außerdem ist unser 3D-Sehsinn für 2D-Bildschirme nicht gemacht. Und die Nackenschmerzen erinnern uns, dass IT nicht wirklich menschengerecht ist.

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Die Lösung: Wir schnallen uns eine schwere 3D-Brille auf den Kopf und malträtieren unsere Schienbeine an unsichtbaren Möbeln im Wohnzimmer, während wir uns als Avatar verkleiden. Den meisten wird auch noch schlecht dabei. Auf ins Metaverse bis die Augen tränen.

Christoph Holz trägt die Meta Quest Pro

Bild: Pünktlich am 25. Oktober klingelt der Postbote. Die Meta Quest Pro ist da. Das Gerät ist wirklich schlank und liegt ausgewogen und leicht am Kopf. Die Pixel am Bildschirm sind weiterhin sichtbar. Von einem Retina-Display, wie wir es von Apple gewohnt sind, ist das Gerät weit entfernt. Aber immerhin: Die Augen schmerzen erst nach einer Stunde. Wer von Metas neuem Flaggschiff Device eine Performance erwartet, wie man sie von modernen Smartphones kennt, wird enttäuscht. Man versteht gut, warum sich Apple mit seinem Headset noch Zeit lässt.

Metaverse ist genauso doof wie 1992 die ersten Handys

So wie für die meisten Menschen ist das Metaverse für mich noch immer ein fremdes Land geblieben. Pionieren, denen es bereits heute Heimat ist, stehe ich so skeptisch gegenüber wie den komischen Handy-Besitzern Anfang der 1990er Jahre. Ein Mobiltelefon braucht man erst, wenn man es hat.

3D Fernsehen wird immer ein Flop bleiben

Wenn ich im Kino die Wahl habe, dann genieße ich eine 3D-Fassung. Der Saal ist richtig dunkel, der Screen riesig und der Sound gut. Zuhause ist das Erlebnis unvollständig und doof. Genauso doof erlebe ich heute das Metaverse.

Bleiben PC und Handy auf ewig der Weisheit letzter Schluß?

Wer wünscht sich nicht gelegentlich mehr Platz am Bildschirm, mehr Scrollfläche am Trackpad und auf Reisen weniger Gewicht? Eigentlich schade, dass Google Glass gescheitert ist.

Nehmen wir mal an, wir könnten einen 4K Bildschirm vom Gewicht einer typischen Brille auf der Nase tragen. Eye Tracking würde Übelkeit vermeiden. Mit einem Blick nach rechts erscheint ein zusätzlicher Bildschirm – und links genauso.

Die klassische Tastatur ist eigentlich ein Messgerät für Fingerbewegungen. Eine Computermaus misst flache Handgesten. Was, wenn man Arme und Hände so genau vermessen könnte, dass es keine Tastatur oder Trackpad mehr braucht?

Dann fehlt nur noch das haptische Feedback der realen Welt. Das lässt sich mit kleinen Elektromotoren nur begrenzt simulieren. Aber mehr brauchen wir vermutlich gar nicht.

Metaverse ersetzt keine persönlichen Treffen, sondern den Beamer

Selbst im Lockdown hat niemand ernsthaft geglaubt, Videokonferenzen könnten echte Treffen ersetzen. Und das sollen sie auch nicht. Sie sind zu einer eigenständigen Kommunikationsform geworden.

Das gemeinsame Arbeiten an Dokumenten geht beispielsweise viel besser, wenn alle eigene Bildschirme und Tastaturen haben und nicht auf eine entfernte Leinwand blicken müssen. Vorträge mit Beamern waren deshalb so nervig, weil man früher im gleichen Raum sein musste.

Persönliche Treffen dienen zuallererst den Nebengesprächen. Für den Aufbau von Vertrauen braucht man online erfahrungsgemäß dreimal mehr Meetings. Aber weil die Fahrtzeit wegfällt, trifft man sich einfach häufiger.

Das Metaverse ist wie eine riesige 3D Videokonferenz, wo immer jemand da ist. Termine gehen natürlich auch. Wer alleine rumsteht, ist offen für Gespräche  –  genauso wie auf einer realen Konferenz.

Die Krux mit der Qualität

Mein virtueller Zwilling, der sogenannte Avatar, sieht aus wie eine Witzfigur. Vor 20 Jahren waren vorgefertigte Computerspiele bereits weiter.

Gemäß den Experten der Citigroup benötigt es eine um den Faktor tausend bessere Internet-Bandbreite und Rechenleistung, damit das Erlebnis weitgehend realistisch wird. Das kann also noch dauern.

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Neue Hardware: Meta Quest Pro seit Oktober

Die schlechte Nachricht zuerst: Auch dieses Headset ist zu schwer, um Nackenschmerzen langfristig zu vermeiden. Zumindest ist es ausbalanciert, wie wir es von der Konkurrenz kennen.

Die gute Nachricht: Schmerzhaftes Stolpern über die Einrichtung im Wohnzimmer bleibt uns erspart. Außen-Kameras übertragen die Umgebung nach innen. Auf dem undurchsichtigen Bildschirm erscheinen nicht nur virtuelle Objekte, sondern auch die Wohnzimmermöbel. Man definiert einen Sicherheitsbereich. Beim Verlassen wird man auf unübersehbare Weise gewarnt, dass nun Schienbeine in Gefahr sind.

Innen-Sensoren messen die Gesichtsausdrücke und übertragen sie auf den Avatar, der nun die sichtbaren Emotionen des Trägers widerspiegelt. Damit soll ein gegenseitiges Gefühl von Anwesenheit möglich werden.

Für Zuckerberg handelt es sich um einen notwendigen Befreiungsschlag von der technischen Abhängigkeit von PC’s und Smartphones. Noch bedrohlicher für Meta sind die Privatsphäre orientierten Betriebssysteme, allen voran Apples iOS, die langsam den Daten-Hahn abdrehen.

Mit einer eigenständigen Brille erhält Meta endlich die Macht über die Hardware und folglich die Daten zurück. Weil diese Brille nicht nur die Umgebung analysiert, sondern auch die Emotionen seiner Träger, gibt es in Zukunft treffsichere Werbung für fehlende Wohnzimmer-Accessoires, aber nur wenn man gerade traurig ist. Ganz zufällig wird auch noch Schokolade angeboten.

Wie entsteht ein Wirtschaftsraum?

Wie schon auf Facebook hat jeder eine feste Identität. Dabei kommt es gar nicht darauf an, ob man den eigenen richtigen Namen verwendet. Identität entsteht aus den eigenen Handlungen, die sich in der Timeline, den Beziehungen und damit auch der Reputation widerspiegeln.

Bei LinkedIn, Gmail oder Twitter ist es genauso. Damit kann man sich auf fremden Plattformen einloggen, ohne jedes Mal neu registrieren zu müssen. Mann kann sie sozusagen als Reisepass für das Internet verwenden.

Für die Einhaltung der Gesetze  – früher Nutzungsbedingungen genannt  – gibt es auf Metas Facebook eine eigene Polizei, sogenannte Cleaner. Gesetze sind per Definition Verhaltensregeln, deren Missachtung sanktioniert wird. Demokratie braucht es dafür nicht. Wer die Facebook-Gesetze bricht, wird ausgebürgert. Das passiert sogar amerikanischen Präsidenten, deren Namen wir nie wieder nennen wollen.

Große Plattformen erfüllen damit Funktionen, die man sonst nur von Staaten kennt. Sie sorgen mit Cyber-Abwehr und Policing für äußere und innere Sicherheit in ihrem Herrschaftsbereich. Die Login-Funktion ermöglicht einen formalen Ausweis der Identität bei der Einreise in fremde Plattformen.

Was fehlt Zuckerbergs Metaverse zum richtigen Staat?

Was noch fehlt, ist ein eigenes Zahlungssystem. Dachte wirklich jemand, Mark Zuckerberg lässt sich vom Scheitern seiner Kryptowährung Libra aufhalten?

Gaming Währung kennt man, z.B. Eve Online. Viele Venezolaner halten sich mit Gaming über Wasser. Mit etwas Geschick sind Game-Coins in gesetzliche Zahlungsmittel konvertierbar.

Es handelt sich allein bei Meta inklusive Facebook, WhatsApp und Instagram um den größten einheitlichen Wirtschaftsraum mit 3,6 Milliarden Menschen. Und das eigene Zahlungssystem ist längst in Vorbereitung.

Von einer marktbeherrschenden Stellung im Open Metaverse, das irgendwann aus den Plattformen von Sony, Microsoft und vielen anderen Anbietern bestehen soll, kann man heute nicht sprechen. Weil es schlichtweg noch keinen echten Markt gibt.

Allerdings hat Zuckerberg die Finanzmittel und die Kunden, seine Pionierrolle langfristig zu verteidigen. Am Ende geht es aber um Vertrauen. Und wer würde dem lieben Mark Zuckerberg nicht sein volles Vertrauen schenken?

Christoph Holz
Christoph Holz

Christoph

Holz

Christoph Holz Official -

Keynote Speaker Digitalisierung

Christoph Holz ist Informatiker und Raumfahrttechniker. Er hat Start-ups gegründet, ist Silicon-Valley-Entrepreneur, Angel-Investor, ein echter Cyborg und tritt als Redner, Podcaster und Hochschullektor auf.
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