Der Automobilhersteller Jaguar Land Rover (JLR) kämpft seit mehr als zwei Wochen mit den Folgen eines schwerwiegenden Cyberangriffs. Nach Angaben des Unternehmens wird die Produktion frühestens am 24. September wieder anlaufen. Brancheninsider warnen jedoch vor Störungen bis in den November hinein.
Der Angriff, der bereits am 1. September bekannt wurde, zwang JLR zur kompletten Abschaltung seiner IT-Netzwerke. Sämtliche Produktionslinien stehen seither still, sowohl in den britischen Werken in Solihull, Halewood und Wolverhampton als auch in den internationalen Standorten in der Slowakei, China und Indien. Die Kriminalpolizei hat Ermittlungen aufgenommen.
Finanzielle Schäden in Millionenhöhe
Der Produktionsstopp kostet den zur indischen Tata Motors gehörenden Konzern nach Schätzungen mindestens 50 Millionen Pfund pro Woche. Normalerweise verlassen täglich über 1.000 Fahrzeuge die Produktionsbänder. Bis zum geplanten Neustart am 24. September werden dreieinhalb Wochen Produktion verloren gegangen sein.
JLR räumte ein, dass möglicherweise Daten von Dritten eingesehen oder gestohlen wurden. Die Hacker-Gruppe “Scattered Lapsus$ Hunters” bekannte sich zu dem Angriff. Dieselbe Gruppierung war bereits für Attacken auf große Einzelhändler wie Marks & Spencer und Co-op verantwortlich.
Zulieferer in existenzieller Not
Die größten Sorgen bereitet jedoch die Situation in der Zuliefererkette. Viele der betroffenen kleinen und mittelständischen Unternehmen verfügen nicht über die finanziellen Reserven, um einen wochenlangen Ausfall zu überstehen. Branchenexperten rechnen laut BBC mit Firmenpleiten, sollte keine schnelle Unterstützung erfolgen.
“Wir sehen bereits Arbeitgeber, die über mögliche Entlassungen diskutieren”, warnte Jason Richards von der Gewerkschaft Unite gegenüber BBC. “Die Menschen müssen ihre Miete und Hypotheken bezahlen. Was sollen sie tun, wenn sie kein Gehalt bekommen?”
Richards betonte die Gefahr für die gesamte Lieferkette: “Wenn JLR den Hahn wieder aufdreht und erwartet, dass die Zuliefererkette bereitsteht, könnte sie nicht mehr da sein.”
Politik gefordert
Unite fordert die Einrichtung eines Kurzarbeiter-Programms nach deutschem Vorbild, bei dem der Staat Gehälter von Beschäftigten mitfinanziert, die aufgrund des Stillstands nicht arbeiten können. Auch der Handels- und Wirtschaftsausschuss des Unterhauses hat die Finanzministerin aufgefordert, Pläne zur Unterstützung gefährdeter Zuliefererbetriebe vorzulegen.
Analysten warnen vor nachhaltigen Schäden für die britische Ingenieursbranche, in der Hunderttausende Arbeitsplätze hängen. JLR selbst führt nach eigenen Angaben bereits Gespräche mit einigen Zulieferern über mögliche Unterstützungsmaßnahmen.
Neustart bleibt kompliziert
Ursprünglich hatte JLR auf eine schnelle Lösung gehofft. Inzwischen wird jedoch deutlich, dass die Wiederaufnahme der Produktion ein komplexer Prozess ist. Selbst nach dem geplanten Neustart am 24. September dürfte es Wochen dauern, bis wieder normale Produktionskapazitäten erreicht werden.
David Roberts, Vorsitzender der Evtec Group, einem führenden Zulieferer, nahm JLR in Schutz: “Wir sollten nicht vergessen, wer hier die Schuld trägt. All das ist die Schuld von Kriminellen. JLR ist hier das Opfer.”