Souveränität braucht Strategie

Handelszölle: Ein Warnsignal für technologische Abhängigkeit

Digitale-Souveraenitaet

Handelszölle sind vor allem eines: ein Warnsignal. Sie machen deutlich, wie verwundbar Europa ist – besonders wenn es um die technologische Abhängigkeit von Anbietern außerhalb Europas geht.

Die Diskussionen rund um Handelszölle zeigen einmal mehr, wie sehr Entscheidungen aus tausenden Kilometern Entfernung Wertschöpfungsketten hierzulande erschüttern können. Für deutsche Industrieunternehmen, die auf Cloud-Dienste oder Netzwerktechnologien außerhalb Europas angewiesen sind, kann so eine Ankündigung schwerwiegende Folgen haben. Dazu gehören plötzliche Preissteigerungen, Service-Unterbrechungen oder unerwartete regulatorische Hürden.

Anzeige

Ein Beispiel: ein europäisches Pharmaunternehmen, das seine klinischen Daten auf US-amerikanischen Servern speichert. Werden nun Zölle auf die Komponenten dieser Infrastruktur erhoben oder schränkt eine regulatorische Änderung in den USA den transatlantischen Datenfluss ein, steht schnell die gesamte Geschäftskontinuität auf dem Spiel. Dann handelt es sich nicht mehr um ein theoretisches Szenario, sondern um eine reale Bedrohung dafür, Medikamente liefern zu können oder Innovation und Forschung voranzutreiben.

Bewusst entscheiden: Auf dem Weg zu technologischer Selbstbestimmung

Die aktuelle Lage verlangt ein grundlegendes Umdenken. Bei der Auswahl von Technologien dürfen Preis und schnelle Umsetzung nicht länger die einzigen Kriterien sein. Organisationen müssen künftig jede Entscheidung über ihre digitale Infrastruktur, die verwendeten SaaS-Tools oder kritische Datenanbieter unter langfristigen Gesichtspunkten bewerten.

Das bedeutet: eine bewusste, strategisch ausgerichtete Technologiewahl und europäische Partner zu bevorzugen – nicht aus Prinzip, sondern aus Pragmatismus. In der Praxis kann das heißen, Daten in Europa zu speichern, mit Anbietern zu arbeiten, die die DSGVO einhalten, oder auf lokal entwickelte Technologien zu setzen.

Anzeige

Dazu gehört die Auswahl von Lösungen, die stabile Vertragsbedingungen über längere Zeiträume hinweg gewährleisten und Preisänderungen transparent sichtbar machen. Diese Lösungen sollten sich außerdem reibungslos in europäische Standards integrieren lassen – sei es im Bereich Cybersicherheit, Steuerrecht oder Datenschutz.

Auf diese Weise gewinnen Organisationen die Kontrolle über die eigene Wertschöpfungskette zurück, sichern ihren Betrieb ab und erhöhen ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber geopolitischen Spannungen.

Immer mehr Industriekonzerne holen so beispielsweise ihre Lösungen für das Abonnementmanagement oder die Rechnungsstellung in souveräne IT-Umgebungen zurück. Das machen sie nicht nur aus Compliance-Gründen, sondern auch, um unabhängiger von kurzfristigen politischen Entscheidungen im Ausland zu werden.

Souveränität braucht Strategie – und politischen Rückhalt

In diesem Sinne forderten auch 95 europäische Unternehmen in einem gemeinsamen Schreiben die EU auf, mehr Mittel bereitzustellen, um den Aufbau unabhängiger digitaler Infrastrukturen in Europa gezielt zu fördern. Zuletzt warnten auch deutsche Digitalunternehmen in einem Schreiben an Bundeskanzler Merz davor, den Digital Markets Act (DMA) im Handelsstreit mit den USA zur Verhandlungsmasse zu machen. Eine Aufweichung würde nicht nur die Rechtsstaatlichkeit und Glaubwürdigkeit der EU untergraben, sondern auch Europas digitale Wettbewerbsfähigkeit gefährden.

Letztendlich gilt es eine langfristige technologische Unabhängigkeit aufzubauen. Dabei geht es nicht nur darum, Lieferanten zu diversifizieren, sondern die europäische Technologiearchitektur grundsätzlich neu zu denken – auf Basis von Resilienz, Rechtssicherheit und wirtschaftlicher Vorhersehbarkeit.

Newsletter
Newsletter Box

Mit Klick auf den Button "Jetzt Anmelden" stimme ich der Datenschutzerklärung zu.

Jetzt handeln – nicht erst nach der nächsten Krise

Die jüngsten Entwicklungen in internationalen Handelskonflikten sind ein Warnsignal. Jetzt die Snooze-Taste zu drücken und auf den nächsten Weckruf zu warten, wäre fahrlässig. Genau jetzt müssen europäische Entscheidungsträger diese strategische Ausrichtung in ihre Planungen aufnehmen.

Die eigentliche Herausforderung besteht darin, vorausschauend zu handeln, anstatt zu reagieren. Organisationen sollten sich schon heute für Partner entscheiden, die in einem europäischen regulatorischen und wirtschaftlichen Umfeld verankert sind. So können sie nicht nur an Stabilität gewinnen, sondern vor allem auch an Wettbewerbsfähigkeit. Technologische Souveränität ist längst kein Luxus oder institutionelles Thema mehr. Sie ist ein strategischer Hebel, um widerstandsfähigere und sichere Lieferketten aufzubauen.

Autor: Grégory Herbert, CEO von Frisbii

Anzeige

Artikel zu diesem Thema

Weitere Artikel

Newsletter
Newsletter Box

Mit Klick auf den Button "Jetzt Anmelden" stimme ich der Datenschutzerklärung zu.