Thought Control 

Wandelbare Zeiten

Nach der Eroberung der neuen Welt, dem Wettlauf um den Weltraum und der Erschließung des Wissens der Menschheit im Internet ist der menschliche Geist „the last frontier“. Das Interesse wendet sich nach Innen und die Entrepreneure gehen an, was bisher unantastbar scheint.

Dabei geht es weniger darum Gedanken inhaltlich auszulesen und dem inneren Zwiegespräch zu lauschen. Im Vordergrund steht vielmehr die Möglichkeit, eine Reihe an Informationen über das Befinden und den Zustand einer Person kontrolliert zugänglich zu machen, sowie einfach Befehle aufzunehmen und umzusetzen.

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Die Brain Machine Interfaces der Zukunft versprechen eine effektivere und direkte Kommunikation zwischen Menschen und Maschinen. Bislang ist die Zusammenarbeit des Menschen mit künstlichen Intelligenzen vor allem durch die physischen In- und Output-Fähigkeiten des Menschen begrenzt. Ist diese Grenze aufgehoben, kann die Symbiose aus Mensch und künstlicher Intelligenz nicht nur unseren Alltag, zwischenmenschliche Beziehungsmuster und Gesellschaftsstrukturen revolutionieren, sondern wirklich eine fundamentale Veränderung der Menschheit einläuten. Gerade nichtinvasive Ansätze werden dabei immer kreativer, sensibler und genauer. Die Patentanmeldungen haben allein in den letzten zehn Jahren einen Anstieg um 500% verzeichnet und die Forschungszuschüsse für diesen Bereich, vor allem in den USA, sind seit 2014 in die Höhe geschnellt.

Wichtigster Anhaltspunkt für dieses Potenzial – und inhaltlicher Kern aller Geschäftsmodelle, die mit dieser Technologie entstehen – ist der Prozess der menschlichen Entscheidungsfindung. Das menschliche Gehirn ist evolutionstheoretisch vor allem auf Momententscheidungen in Sekundenbruchteilen trainiert. In welche Richtung flüchtet das Beutetier und welche Aktion erhöht die Erfolgschancen, es zu erlegen? Besonders in Bezug auf zukunftsfähige Problemlösungen fällt es uns hingegen schwer, informationsgeleitet zu entscheiden und alle relevanten Aspekte zu berücksichtigen. Die Komplexität zivilisatorisch hoch entwickelter Gesellschaften und ihre Interrelationen stellen dieses immer noch primitive Gehirn jedoch vor genau diese Aufgabe. Etwas, wofür es nicht konzipiert ist. Ein beunruhigender Gedanke auch vor dem Hintergrund zahlreicher historischer Zivilisationsniedergänge. Der Zugang zu unserem Gehirn, das fundamentale Verständnis der Prozesse und eine Zusammenarbeit mit dem Computer könnten die notwendigen Erkenntnisse bergen, um uns tatsächlich zukunftsfähig zu machen.

Zukunftsprognose

Eines der ersten und offensichtlichsten Anwendungsfelder ist die Entertainment-Branche. Vor allem im Bereich Gaming wird die Interaktion und das individuelle Realtime-Feedback aus dem Gehirn eine revolutionäre Rolle spielen. Spiele werden in Zukunft nicht nur auf unsere Persönlichkeit zugeschnitten sein, sondern sich aktiv unserem Erleben anpassen. Die Dramaturgie interaktiver Spiele folgt dann nicht mehr unseren Handlungen und Spielzügen, sondern dem aktuellen Erlebnis- und Erregungslevel. Adam Kerr von der Stanford University entwickelt eine solche Spieletechnologie, um damit die Leistungsfähigkeit demenzgeschädigter Hirnstrukturen gezielt zu steigern.

Dieses direkte kognitive Feedback lässt sich in nahezu alle Lebensbereiche übersetzen. Unternehmen werden gezielt Arbeitsumgebungen entwickeln können, die die Motivation in Echtzeit steigern, in der Teams kreativer und entspannter arbeiten können – und das nicht anhand der wohlfeilen Empfehlungen selbsternannter New-Work-Gurus, sondern auf Basis objektiver, nachvollziehbarer Daten aus dem Gehirn.

Neue Geschäftsmodelle öffnen sich im Retail. Das Versprechen, nach dem Einkauf mit einem messbar besseren Gefühl aus dem Supermarkt wieder heraus zu kommen, bietet dem stationären Handel ein neues wertvolles Argument für seine Existenz gegenüber allen Formen von Versandhandel. Der Supermarkt an der Ecke wird in Zukunft die Möglichkeit haben, die Erfahrungen seiner Kunden tatsächlich und konkret nachzuvollziehen. Die Differenz nach oben ist die Grundlage für neue Geschäftsmodelle. Dies sorgt dafür, dass insbesondere Marketing, aber auch Verkaufs- und Produktstrategien im Livebetrieb getestet und weiterentwickelt werden und damit die tatsächlichen Kundenbedürfnisse und Einkaufserfahrungen auf einem ganz neuen Level befriedigt werden. Ein weiterer wichtiger Anwendungsfall von Brain Machine Interfaces wird die direkte Kontrolle von Gegenständen in unserer persönlichen Umwelt sein. Das Interface der Zukunft wird den „Touch“ durch die Kombination von „Voice“ und „Thought“ ablösen – einfacher, intuitiver, und direkter, je nach Intimitäts- oder Komplexitätsbedarf der Befehle.

Dies eröffnet der Smart Home- und Smart Building-Branche neue Potenziale. Ein Haus, das nicht aufs Wort hört, darf heute schon als eingeschränkt funktionsfähig gelten. Ein Gebäude, das in der Lage ist, sich mit dem inneren Zustand seiner Bewohner und Nutzer zu vernetzen, erreicht ein neues Level. Sicherheitsangebote, die sich am Paniklevel der Menschen orientieren. Wellness, die messbar Erholung bietet. Wohngebäude, die die Stimmung ihrer Bewohner aufnehmen und gezielt zu dämpfen oder zu verstärken verstehen. Die Flexibilisierung der Gebäude ist das große Ziel der Immobilienbranche. Hier werden Gebäude tatsächlich adaptiv und schaffen durch ihre Anpassungsfähigkeit Mehrwerte.

Der Mehrwert, sprachliche Filter zu umgehen und direkt auf unverarbeitete Rohdaten und verworrene Gedankenfragmente zuzugreifen, bleibt dabei jedoch außen vor. Anwendungsbereiche liegen hier, wenn überhaupt, im Militär und in Geheimdienstanwendungen – dann jedoch explizit im Bereich der Unconsensual Telepathy.

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Die Spitze des Eisbergs

In zehn Jahren werden mindestens noninvasive BMIs aktiver Teil zahlreicher Steuerungsmechanismen, intuitiver Interfaces und direkter Datenerfassung sein, mit vielen Anwendungsbereichen, die sich unserer Vorstellungskraft noch vollkommen entziehen. Die heutigen Gadgets stehen noch ganz am Anfang und treiben zusammen mit öffentlichkeitswirksamen Kampagnen die Technologie rasant in die Zukunft. Mein digitaler Assistent der Zukunft kennt nicht nur meine individuellen Gewohnheiten und Präferenzen, weil er seit Langem mein Verhalten verfolgt. In Zukunft kennt er auch meine Wünsche und Sorgen, reagiert er auch auf einfache Befehle direkt vom Gehirn, ohne dessen Integrität und Unversehrtheit in Frage zu stellen. Musk hat sie erfolgreich mit seiner Kontroverse um gedankliche Souveränität und die Verschmelzung des Menschen mit der Technologie zurück in den Fokus gerückt und ganz im Sinne der selbsterfüllenden Prophezeiung, den Weg für mehr Interesse und Investition geebnet. Legen wir Descartes Ausgangsgedanken zugrunde, geben uns die BMIs der Zukunft das erste Mal in der Menschheitsgeschichte die Fähigkeit, wirklich zu verstehen, was wir denken und wer wir eigentlich sind.

Michael

Carl 

carl institute for human future

Director

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