Warum Frauen an der Spitze härter beurteilt werden

Weibliche CEOs im medialen Kreuzfeuer

IT-Branche, Frauen, Frauenanteil

Eine Analyse der Personalberatung Russell Reynolds Associates zeigt, wie stark geschlechtsspezifische Vorurteile die öffentliche Wahrnehmung weiblicher Führungskräfte verzerren.

Frauen an der Spitze großer Unternehmen sehen sich nicht nur mit komplexen Aufgaben konfrontiert – sie kämpfen zusätzlich gegen tief verankerte gesellschaftliche Vorurteile. Eine aktuelle Studie der internationalen Personalberatung Russell Reynolds Associates (RRA) beleuchtet, wie unterschiedlich weibliche und männliche CEOs öffentlich bewertet werden. Die Untersuchung stützt sich auf über 20.000 Medienberichte zu rund 750 Führungspersönlichkeiten aus Unternehmen der führenden Börsenindizes Europas, Großbritanniens und der USA.

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Kritik an Ehrgeiz: Frauen in der Zwickmühle

Besonders auffällig ist der Umgang mit dem Thema „Ambition“. Bei Frauen wird dieser Aspekt deutlich häufiger aufgegriffen – ganze 73 Prozent öfter als bei männlichen CEOs. Doch nicht etwa als Kompliment: Weiblicher Ehrgeiz wird meist kritisch betrachtet. Frauen werden doppelt so oft als „zu ehrgeizig“ bezeichnet, gleichzeitig wird ihnen ebenso häufig mangelnder Ehrgeiz vorgeworfen. Ein Balanceakt, den kaum jemand bestehen kann.

Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Thema Selbstbewusstsein: Während Männern gelegentlich übermäßiges Selbstvertrauen nachgesagt wird, heißt es bei Frauen deutlich öfter, sie seien „nicht selbstbewusst genug“. Ein gesundes Maß scheint laut Medienberichten bei keiner einzigen weiblichen Führungskraft erreicht zu werden – ein erschreckender Befund.

Obwohl Frauen nur einen kleinen Teil der CEO-Posten weltweit ausmachen – im vergangenen Jahr waren es lediglich 11 Prozent der Neuberufungen –, stehen sie bei Rücktritten besonders im Rampenlicht. Ihre Abgänge werden um 70 Prozent häufiger medial begleitet als die ihrer männlichen Kollegen. Zudem fallen die Kommentare deutlich kritischer aus: 28 Prozent der Beiträge enthalten negative Bewertungen, verglichen mit 18 Prozent bei Männern.

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Alte Klischees halten sich hartnäckig

Die Studie zeigt auch: Männer gelten öffentlich als „innovativ“, Frauen hingegen als „inspirierend“. Während männliche CEOs häufiger für ihre fachliche Kompetenz gelobt werden, liegt der Fokus bei Frauen auf Soft Skills und zwischenmenschlichen Eigenschaften. Auch hier zeigt sich ein altes Muster: Fachliche Exzellenz wird Männern zugesprochen, soziale Fähigkeiten den Frauen.

Annette Dölker, Beraterin bei RRA und Mitautorin der Studie, beschreibt das Dilemma so: Frauen in Führungspositionen bewegen sich auf einem schmalen Grat zwischen Kompetenz und Sympathie. Wer Ambitionen zeigt, riskiert negative Reaktionen – wer sich zurückhält, wird als schwach wahrgenommen. Dieses Spannungsfeld schreckt viele qualifizierte Frauen davon ab, Führungsverantwortung zu übernehmen.

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Was sich ändern muss

Die Studie verdeutlicht: Medienberichte sind oft nur ein Spiegel gesellschaftlicher Vorstellungen. Wenn diese weiterhin auf veralteten Rollenbildern basieren, bleibt der Zugang zu Spitzenpositionen für Frauen erschwert. Um dem entgegenzuwirken, fordert Dölker zwei konkrete Maßnahmen: Erstens die gezielte Förderung weiblicher Führungstalente in strategisch wichtigen Funktionen wie Finanz-, Betriebs- oder Bereichsleitung – klassische Sprungbretter zum CEO-Posten. Zweitens ein bewusster Umgang mit geschlechterspezifischen Denkmustern in der öffentlichen Wahrnehmung.

Die ungleiche Bewertung von Frauen und Männern an der Spitze großer Unternehmen ist kein Zufall, sondern Ergebnis tiefer kultureller Prägungen. Die Studie von Russell Reynolds Associates liefert deutliche Hinweise darauf, dass es strukturelle Veränderungen und einen bewussteren Umgang mit Sprache und Erwartungen braucht, um Frauen faire Chancen auf Führungspositionen zu ermöglichen.

Pauline Dornig

Pauline

Dornig

Online-Redakteurin

IT Verlag GmbH

Pauline Dornig verstärkt seit Mai 2020 das Team des IT Verlags als Online-Redakteurin. (pd)
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