Es ist nicht alles Gold was glänzt

Die dunkle Seite der Führung

Dunkle Seite
Bildquelle: kirill_makarov / Shutterstock.com

Stärke, Verführung oder Gefahr? Oft werden Führungskräfte aufgrund von Charisma und Selbstbewusstsein ausgewählt – und scheitern später an Arroganz und Selbstüberschätzung.

Erfahren Sie, wie Unternehmen Leadership Derailment frühzeitig erkennen und gezielt gegensteuern können.

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In der dynamischen Geschäftswelt von heute stehen Unternehmen zunehmend vor der Herausforderung, die richtigen Führungskräfte zu identifizieren und zu entwickeln, denn schlechte Führung hat weitreichende negative Folgen. Nicht alle Führungskräfte, die auf den ersten Blick kompetent, selbstbewusst oder gar beeindruckend wirken, sind tatsächlich effektiv. Wenn einst vielversprechende Führungspersönlichkeiten in ihrer Rolle scheitern, oft aufgrund von Überheblichkeit, Egozentrik oder mangelnder Anpassungsfähigkeit, sehen wir die ursprünglichen Stärken plötzlich als überzogene Entgleisungstendenzen – oder „Leadership Derailment“. Der wachsende Druck auf Führungskräfte, nicht nur Visionäre zu sein, sondern auch Ergebnisse zu erzielen und gleichzeitig die Balance zwischen starker Führung auf der einen Seite und Ermächtigung zur Verantwortungsübernahme auf der anderen Seite zu gestalten, macht die Identifikation und Auswahl der richtigen Talente zu einem komplexen Unterfangen.

Studien zufolge fühlen sich bis zu 75 % der Mitarbeitenden gestresst durch ihren Vorgesetzten, was zu einem höheren Burnoutrisiko und verminderter Arbeitszufriedenheit führt. Laut aktueller Gallup-Studien fühlen sich beinahe ein Fünftel der 20% der Arbeitnehmer nicht emotional an das Unternehmen gebunden, was die deutsche Wirtschaft jährlich über 130 Milliarden Euro an Produktivitätsverlusten kostet. Gleichzeitig zeigen „engagierte Teams“ nicht nur weniger Fluktuation, sondern auch eine um bis zu 18 % höhere Produktivität und 23 % mehr Profitabilitätj.

Gute Führung hat also nicht nur einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden, sondern wirkt sich direkt auf den Geschäftserfolg aus. Doch woran erkennt man die richtige Führungskraft? Und warum fallen viele hochkarätige Kandidaten, die zunächst überzeugen, im Laufe der Zeit zurück? Diesen Fragen widmet sich die Untersuchung des Leadership Derailments.

Charisma: Ein zweischneidiges Schwert

Charisma gilt in der Geschäftswelt oft als eine herausragende Eigenschaft, die Führungskräfte von der Masse abhebt. Eigenschaften wie Selbstbewusstsein, Kreativität und Sozialkompetenz sind entscheidend, um Einfluss auszuüben, ein starkes Netzwerk aufzubauen und Menschen zu begeistern. Doch Charisma allein ist nicht genug – vielmehr kann es ein zweischneidiges Schwert sein. Was anfangs als positive Eigenschaft erscheint, kann sich schnell in negative Tendenzen wie Arroganz, Narzissmus und übermäßige Risikobereitschaft verwandeln.

Ein zentrales Konzept im Zusammenhang mit Charisma ist der sogenannte „Gradient of Delusion“. Studien zeigen, dass die Einschätzung der eigenen Leistung bei Personen mit hohem Charisma nicht zu der Einschätzung der Leistung durch andere passt. Während sich Personen mit zunehmendem Charisma selber als zunehmend leistungsstark bewerten, ist das Gegenteil in der Fremdbewertung der Fall: Ab einem gewissen Level wird die Leistung mit weiter zunehmendem Charisma als geringer bewertet. Je charismatischer eine Führungskraft, desto größer wird das Risiko, dass sie den Kontakt zur Realität verliert. Diese Selbstüberschätzung kann nicht nur die persönliche Karriere, sondern auch die Leistung des gesamten Teams negativ beeinflussen. Es gilt, sich nicht zu sehr von Charisma blenden zu lassen. 

Leadership Emergence vs. Leadership Effectiveness

Im Bereich der Führungsforschung unterscheidet man außerdem zwei zentrale Konzepte: Leadership Emergence und Leadership Effectiveness

Leadership Emergence beschreibt die Fähigkeit eines Individuums, als Führungskraft wahrgenommen zu werden. Faktoren wie Selbstbewusstsein, Extraversion und das weiter oben beschriebene Charisma spielen hier eine große Rolle. Menschen, die stark in diesen Bereichen sind, fallen auf, knüpfen Netzwerke und beeindrucken ihre Vorgesetzten – sie werden als Führungspersönlichkeiten gesehen, unabhängig davon, ob sie tatsächlich effektiv sind.

Leadership Effectiveness hingegen bezieht sich auf die Fähigkeit, nachhaltig Ergebnisse zu erzielen. Effektive Führungskräfte bauen leistungsstarke Teams auf, setzen klare Ziele und unterstützen ihre Mitarbeitenden dabei, diese zu erreichen. Während Emergence oft eine Voraussetzung dafür ist, überhaupt in eine Führungsposition zu gelangen, bedeutet dies nicht automatisch, dass die Person auch tatsächlich effektiv in ihrer Rolle ist. Untersuchungen zeigen, dass viele Unternehmen die falschen Personen in Führungspositionen befördern, da sie sich zu sehr auf Emergence-Eigenschaften konzentrieren und Effectiveness vernachlässigen.

Dabei ist wichtig, dass keine der beiden Eigenschaften besser oder schlechter ist, als die andere. Eine Führungskraft mit starken Effectiveness-Fähigkeiten entfaltet ihr Potenzial wahrscheinlich nicht, wenn sie zu wenig Emergence-Verhalten zeigt und es nicht schafft, andere für sich zu gewinnen und positiv zu beeinflussen.

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Fehler bei der Auswahl von Führungskräften

Die Auswahl von Führungskräften ist ein kritischer Prozess, bei dem oft Fehler gemacht werden. Ein häufiger Fehler ist die Überbewertung charismatischer Merkmale, die in Vorstellungsgesprächen und Assessment-Centern häufig positiv hervorstechen. Diese „Emerging“-Verhaltensweisen führen jedoch oft dazu, dass Kandidaten ausgewählt werden, die später nicht so effektiv sind, wie es andere gewesen wären. 

Zahllose Forschungsergebnisse zeigen, dass der Einsatz von fundierter Diagnostik dazu beitragen kann, solche Fehlgriffe zu vermeiden. Gerade die Persönlichkeitsdiagnostik liefert wertvolle und objektive Marker zur Beurteilung des Führungsvermögens, ohne die Entscheidungen zu oft auf der Grundlage von Oberflächlichkeiten getroffen. Gute Diagnostik ermöglicht es, die Personen zu identifizieren, die zwar wenig auf sich aufmerksam machen, aber gut für die Führungsposition geeignet sind. Ein angenehmer Nebeneffekt: Unternehmen vergrößern die Pools an Kandidaten für eine Führungsposition und müssen sich nicht aus Mangel an Kandidaten auf einen Kompromiss einlassen. 

Wie Unternehmen bessere Führungskräfte identifizieren können

Zu einem guten Methodenbaukasten, der die Entscheidungsqualität im Recruiting bei Beförderungsentscheidungen erhöht, gehören unter anderem eine saubere Anforderungsanalyse, strukturierte Interviews, Simulationen und bestenfalls kognitive Leistungstests. Persönlichkeitsdiagnostik ist ein weiterer zentraler Baustein, um die Auswahl von Führungskräften zu optimieren. Während strukturierte Interviews und Assessment-Center wichtige Werkzeuge sind, reicht dies allein nicht aus, um die zukünftige Leistung einer Führungskraft zu prognostizieren. Wissenschaftlich fundierte Persönlichkeitsassessments, die darauf ausgelegt sind, beruflich relevantes Verhalten vorherzusagen, bieten eine tiefgehende Analyse und identifizieren nicht nur Stärken, sondern auch potenzielle Schwächen, die in Stresssituationen zu Leadership Derailment führen können.

Der Schlüssel liegt darin, objektive, verlässliche und inhaltlich relevante Tools zu nutzen und zu kombinieren, die eine umfassende Einschätzung ermöglichen. Dies reduziert nicht nur subjektive Verzerrungen, sondern erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, die tatsächlich besten Kandidaten auszuwählen.

Die Entwicklung von Führungskräften: Warum Emergence nicht ausreicht

Nur etwa 10 % der Führungskräfte vereinen in ihren zugrundeliegenden Persönlichkeitseigenschaften sowohl Leadership Emergence als auch Leadership Effectiveness. Dies zeigt, dass die bloße Auswahl von charismatischen und selbstbewussten Kandidaten nicht ausreicht, da diese mit großer Wahrscheinlichkeit nicht die Eigenschaften mitbringen, die es für Führungseffektivität braucht. Unabhängig von Emergence und Effectiveness Ausprägungen bedürfen alle Führungskräfte gezielter Entwicklungsprogramme, um sicherzustellen, dass sie auch langfristig effektiv und anpassungsfähig bleiben.

Ein Schlüsselkonzept in der Führungskräfteentwicklung ist die sogenannte Versatility – die Fähigkeit, sich unterschiedlichen Situationen anzupassen und ein breites Verhaltensspektrum abzudecken. Diese Vielseitigkeit wird zunehmend als entscheidender Faktor für den Führungserfolg anerkannt, besonders in einer Welt, die immer unvorhersehbarer wird. Mit dem Einsatz von 360°-Feedbacks und der Entwicklung strategischer Selbsterkenntnis können Unternehmen einen großen Beitrag leisten, dass ihre Führungskräfte nicht nur in guten Zeiten glänzen, sondern auch in Krisensituationen souverän agieren. 

Objektivität als Auftrag an Unternehmen

Es sind nicht nur charismatische Eigenschaften, sondern vielmehr die oben als Leadership-Effectiveness beschriebene Fähigkeit, Teams zu inspirieren, klare Visionen zu formulieren, sich zu unterstützen und langfristig Ergebnisse zu erzielen. Um langfristig erfolgreiche Führungskräfte zu identifizieren und zu entwickeln, müssen Diagnostik und Entwicklung Hand in Hand gehen. Unternehmen, die sich weniger von charismatischen Oberflächlichkeiten blenden lassen und stattdessen auf wissenschaftlich fundierte Auswahl- und Entwicklungsprozesse setzen, entwickeln einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. 

Niels_Frommeyer

Niels

Frommeyer

Senior Berater

RELEVANT

Niels Frommeyer ist Senior Berater bei RELEVANT und unterstützt DAX30 Konzerne dabei, aktuellen HR-Herausforderungen auf Basis von Diagnostik, objektiven Daten und Analysen zu begegnen. 
Kusch

René

Kusch

Gründer

RELEVANT Managementberatung

Dr. René Kusch ist Gründer der RELEVANT Managementberatung, dem offiziellen Distributor der Hogan Assessments in Deutschland. Er ist führender Experte für die gezielte Auswahl von Führungskräften, unterstützt Manager beim Aufbau von strategischer Selbsterkenntnis und coacht Führungsteams zu einem bewussteren und effektiveren Umgang miteinander. 
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