Remote-Leadership ganz einfach? 
Die vergessene Führungskraft

Sie sind überall: Die Artikel, die Experten und damit die guten oder zumindest gut gemeinten Ratschläge, was Führungskräfte zu tun haben, damit die Mitarbeitenden im Home-Office motiviert, inspiriert und energiegeladen bleiben.

Remote-Leadership oder Führung auf Distanz scheint also gut machbar zu sein. Eine Frage wird aber oft nicht gestellt: Wie bleiben Führungskräfte motiviert, inspiriert und energiegeladen? 

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Home-Office – alles cool und easy? 

Home-Office ist heute technisch gut machbar. Die Tools sind vorhanden und funktionieren meist auch sehr gut. An etwas andere Abläufe gewöhnt sich der Mensch (wenn er muss) ganz gut. Für viele Menschen ist Home-Office auch im Alltag gut umsetzbar. Also alles gut? Nein, denn gut ist manchmal eben nicht gut genug!

Es gibt viele, die ihre Mühe damit haben. Denn – welch Überraschung – nicht alle Menschen ticken gleich. Es gibt Beziehungsmenschen, für die Home-Office suboptimal ist. Denn diese Menschen möchten im Team mit anderen Menschen zusammenarbeiten. Sie brauchen den persönlichen Kontakt. Gerade als Führungskraft ist es wichtig zu wissen, wie die eigenen Mitarbeitenden »funktionieren«, um dann auch entsprechend auf diese individuellen Vorlieben und Wünsche reagieren zu können. 

So wie nicht alle Menschen gleich sind, haben auch nicht alle Menschen die gleichen Herausforderungen zu meistern. In der akuten Corona-Zeit war die Zusatzhürde beispielsweise für viele Eltern, neben dem doppelten Home-Office auch noch Homeschooling – und das vielleicht mehrfach – unter einen Hut zu bekommen. Eine Aufgabe, welche an die Substanz geht. Ist man dann noch wohnlich eingeschränkt (nicht jeder lebt in einem geräumigen Haus mit drei Kinderzimmern), wird die Herausforderung zur nervlichen Zerreißprobe.

Ein Hintergrund, der in vielen motivierenden Expertenberichten nicht entsprechend «gewürdigt» wird. Denn die Frage ist ja nicht nur, wie die Führungskraft die Mitarbeitenden motiviert hält, sondern wie die Führungskraft selbst motiviert, inspiriert und energiegeladen bleibt. Denn auch diese Führungskraft ist im Alltag zusätzlich belastet durch die Veränderungen, Home-Office und Homeschooling.

Auch Führungskräfte brauchen Wertschätzung! Oder?

Lob, Anerkennung und Wertschätzung laden die inneren Batterien auf. Doch genau davon bekommt die Führungskraft oft sehr wenig ab. Wird sie von den Mitarbeitenden doch einmal gelobt, besteht (je nach Unternehmenskultur) gleich der Verdacht, dass dies blanke Berechnung sei. 

Warum sucht der Mensch aber so sehr nach Bestätigung, Lob oder Anerkennung? Ganz einfach: Soziale Anerkennung macht uns glücklich. Ob dies über direktes Lob, Geld, Statussymbole, Körperkult (Aussehen, Figur, Muskeln etc.) oder auch nur viele Facebook-Likes passiert, ist eigentlich egal. Im Gehirn sitzt das «Ich will Anerkennung»-Zentrum am gleichen Ort wie das Zentrum, das uns bei Drogenkonsum süchtig werden lässt. An diesem Ort wird Dopamin ausgeschüttet. Anerkennung produziert also gute Gefühle. Und davon wollen wir so viele wie möglich haben. Wenn Führungskräfte wenig Lob und direkte Anerkennung bekommen, müssen diese also selbst für «gute Gefühle» sorgen. Denn nichts ist gefährlicher, als wenn man sehr viel arbeitet und das Gefühl hat, nicht weiterzukommen oder dafür keine Anerkennung zu erhalten. Es demotiviert nicht nur, es kann sogar krank machen.

Bei Führungskräften geht man leider immer noch davon aus, dass sie »intrinsisch motiviert« sein müssen und darum keine Wertschätzung von außen benötigen. Weit gefehlt! Führungskräfte sind schließlich Menschen. Und jeder Mensch braucht Wertschätzung.

Jetzt reiß dich doch zusammen und sei mal motiviert! 

Welche Möglichkeiten hat eine Führungskraft, sich selbst zu motivieren? Frühmorgens mit einem lauten «Tschakka» aus dem Bett zu springen, ist für viele doch etwas zu überdreht und für mich verständlicherweise für die meisten Menschen keine Option. Vielleicht sagen Ihnen folgende Möglichkeiten besser zu: 

Möglichkeit 1: Was denken Sie denn? 

Wann haben Sie sich das letzte Mal selbst gelobt? Viele können diese Frage nicht beantworten, im gleichen Atemzug aber erzählen, wie der innere Kritiker sie immer wieder »kaputtmacht». Innere Dialoge wie »Du Depp! Das hättest du doch wissen müssen!» oder «Ich Idiot! Eigentlich müsste ich damit doch schon lange fertig sein!« sind bei vielen Menschen normal. Dass diese inneren Dialoge auf uns wirken, muss nicht extra betont werden. Wir fühlen uns danach sicher nicht besser. Außer wir wenden das gleiche Prinzip positiv an: Hängen Sie sich einen kleinen Erinnerungs-Zettel an Ihren Bildschirm mit einem »L« (für Lob) oder sonst einem Zeichen, das Sie dazu auffordert, Ihren inneren Fokus auf den kleinen Alltagserfolgen gerichtet zu halten. Loben Sie sich öfters selbst! Die unangenehme E-Mail, die jetzt endlich raus ist, das heikle Gespräch, oder ein Verkaufserfolg: »Yes! Gut gemacht!« Das klingt für den ersten Moment komisch, wirkt aber trotzdem. 

Möglichkeit 2: Die Suche nach dem Sinn …

Friedrich Nietzsche meinte schon 1889 in seinem Buch Götzen-Dämmerung: »Hat man sein Warum des Lebens, so verträgt man sich fast mit jedem Wie.« Oder etwas populärer ausgedrückt: »Wer ein Warum hat zu leben, erträgt fast jedes Wie.« Nicht nur Mitarbeitende und Kunden hätten gerne eine Antwort auf die Sinnfrage ihrer Arbeit. Auch Führungskräften gibt dieses Warum sehr viel Kraft und Sicherheit. Auf die Frage «Warum das alles?» findet man nicht immer sofort die perfekte Antwort. Aber der Sinn der Arbeit schafft Motivation und Identifikation. Befassen Sie sich im Unternehmen also nicht nur mit Prozess-, Projekt- oder Qualitätsmanagement. Nehmen Sie Sinnmanagement auf die Traktandenliste und finden Sie auch Ihr persönliches «Warum» in Bezug auf Ihre Führungsaufgabe. Denn wer weiß, warum er die Arbeit macht, ist meist auch motiviert.

Möglichkeit 3: Bewusstsein und Entspannung

Nehmen Sie sich jede Woche mindestens eine halbe Stunde Zeit für sich. Schreiben Sie in Ihr Notizbuch, wie die Woche war. Welche Erfolge Sie feiern durften. Welche Magenschmerzen Sie plagten und warum Sie im Mitarbeitergespräch falsch reagiert haben. Dies schafft Bewusstsein. Sich selbst bewusst zu sein ist die beste Burn-out-Prophylaxe, die Sie machen können. Setzen Sie das jede Woche um, hilft es Ihnen, persönliche Muster zu erkennen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Am besten beginnen Sie «Ihre» halbe Stunde mit einer 20-minütigen Meditation. Die damit insgesamt 50 Minuten werden zu Ihren wertvollsten Minuten in der Woche werden. Versprochen.

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Ist doch alles zu banal …

Wenn Sie meinen, dass diese Tipps zu banal seien, haben Sie natürlich absolut recht. Diese Tipps sind leicht umzusetzen und kosten auch kein Geld, sodass sie wirklich sehr einfach wirken. Sie brauchen sie also nicht zu machen. Ihr Therapeut wird Ihnen dann in den Wochen, in denen Sie Ihr Burn-out in der Klinik behandeln lassen, alles nochmals genau erklären. Wie Sie sich mit Entspannungstechniken regelmäßig beruhigen und auflockern können, wie Sie mit Ihren inneren Denkmustern aufräumen und wie Sie besser mit Stress und Druck umzugehen lernen. 

Ich bin gerade so direkt, weil ich einfach schon zu viele Coaching-Kunden hatte, die sich genau an dieser Burn-out-Schwelle befanden und nie gedacht hätten, einmal da zu stehen – oder sie gar zu überschreiten. Ich habe zu oft erlebt, was dadurch alles kaputt geht. Als Führungskraft haben Sie die Verantwortung dafür, selbst fit zu bleiben, genügend Energie und Motivation zu haben. Nicht nur gegenüber sich selbst, sondern auch für Ihre Mitarbeitenden, für Ihre Kunden, aber natürlich in erster Linie vor allem für Ihre Familie

Die neue Normalität reloaded … 

Viele sehnen sich nach der Normalität von früher. Doch diese Normalität wird nicht mehr zurückkehren. Wir werden uns an eine neue Normalität gewöhnen müssen. Das bedeutet, dass Veränderungen noch schneller vor sich gehen. Dass sich viele Dinge, die bisher als sicher und verlässlich gegolten haben, plötzlich verändern. Die technische Entwicklung, das haben wir in einem Jahr Corona erlebt, kann unglaublich schnell Fahrt aufnehmen und ganze Branchen eliminieren oder andere Branchen positiv beflügeln. Veränderungen werden also normal. Das Problem dabei ist, dass sie den Menschen Angst machen. Auch wenn gerade in Unternehmen Angst selten ein Thema ist, gibt es drei Verhaltensweisen von Menschen im Umgang mit Veränderungen: 

  1. Veränderungen ignorieren
  2. Veränderungen mit sich selbst ausmachen
  3. Gegendruck geben

Berginnen wir mit dem letzten Punk: Menschen, die Gegendruck erzeugen, hat man als Führungskraft meist im Griff. Da weiß man wenigstens, woran man ist. Die Mitarbeitenden werden sagen, was alles nicht geht, warum das Projekt sinnlos ist und dass man die Ressourcen lieber auf das Tagesgeschäft fokussieren sollte. Mitarbeitende der zwei anderen Kategorien sind schwieriger einzuschätzen. Da geht die Gefühlslage von Gleichgültigkeit bis Panik (die man im Außen allerdings nicht mitbekommt). Hier müsste eine Führungskraft die eigenen Mitarbeitenden sehr gut kennen, um abschätzen zu können, wie es (wirklich) um sie steht.

Was bedeutet das für die Führungskraft von heute? Führung wird noch persönlicher. Wir haben es im Remote-Leadership bemerkt: Ja, wir müssen online fit sein. Entscheidend ist aber die Unternehmenskultur. Durch die räumliche Distanz muss man versuchen, persönlich näher an die Menschen heranzukommen. Führung auf Distanz funktioniert also nur dann wirklich gut, wenn die Basis stimmt. Wenn eine vertrauensvolle Beziehung zu den Mitarbeitenden besteht. Führungskräfte müssen diese Mitarbeitenden jederzeit mit auf den Weg nehmen und ihnen auch erklären, warum man auf diesem Weg ist und was jeder einzelne zum gemeinsamen Erfolg beitragen kann. Genau für diese entscheidende Aufgabe braucht es Führungskräfte, die fit sind – mental und körperlich. Selbstmanagement wird also gerade für Führungskräfte zum absolut entscheidendsten Baustein.

Stefan Dudas ist Leadership-Experte für Sinngebung, Keynote-Speaker und Buchautor, www.stefandudas.com/lockdown

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