Ändert die Methode – jetzt!

IoT-Projekte fordern neue Entwicklungsmethoden

Neue Geschäftsmodelle, veränderte Abrechnungsmöglichkeiten, mehr Service: Das Internet of Things (IoT) macht es möglich, neue digitale Services zu entwickeln und in physische Produkte zu integrieren. Für Produkthersteller ist das eine immense Chance, um sich im Markt mit neuen digitalen Services zu differenzieren. 

Damit einher gehen jedoch auch neue Herausforderungen, denen Unternehmen bei der Entwicklung digitaler Services gerecht werden müssen:

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Lange Entwicklungszyklen
Es dauert immer noch sehr lange, Produkte auf den Markt zu bringen und Umsätze mit ihnen zu generieren. Volkswagen beispielsweise hat das Modell Golf 1974 in der ersten Variante herausgebracht und ganze neun Jahre gebraucht, um den Nachfolger Golf 2 zu entwickeln. Die Entwicklungszeit für die aktuellste Version des Golf 7 betrug vier Jahre. Dem gegenüber haben Unternehmen wie Amazon gar keinen dedizierten Deployment-Zyklus mehr, sondern führen ständig neue Funktionen ein, ohne dass der Anwender davon etwas merkt. Daraus folgt: Die Entwicklungszyklen von Produkten müssen kürzer werden, damit ein Unternehmen wettbewerbsfähig bleibt.

Hohe Kosten
Die Entwicklungskosten für ein neues Fahrzeugmodell können schnell zehnstellig werden.
Die Herausforderung liegt nun in der Synchronisation der Entwicklungskosten. Während das R&D Budget früher primär für Hardwareentwicklung eingesetzt wurde, muss jetzt sinnvoll zwischen Hard- und Software verteilt werden. Hier empfiehlt es sich, Methoden anzuwenden, die in einer frühen Entwicklungsphase Risiken reduzieren.

Mangelnde Software-Expertise
Laut Bundeswirtschaftsministerium war „Anfang der 1970er Jahre […] die eingebettete Software eines Kraftfahrzeugs nicht umfangreicher als 100 Zeilen Programm-Code […]. Heute beläuft sich der durchschnittliche Umfang an Software […] auf mehrere Millionen“ Zeilen. Darauf müssen die Hersteller reagieren und die notwendigen Software Skills aufbauen beziehungsweise einkaufen.

Geänderte Markt- und Wahrnehmungssituation
Das Image einer Marke hängt stark vom Innovationsgrad und der Fähigkeit des „Querdenkens“ ab. Das bedeutet auch, das eigene Produkt-Ökosystem neu zu denken. Produkthersteller müssen vermehrt auch digitale Innovationen schaffen. Das geschieht in der Regel über Software.

Um diese Herausforderungen zu meistern, müssen sich Unternehmen weg vom „Top-Down Manager-Ansatz“ hin zu einer lernenden Organisation entwickeln, die „Bottom-Up“ aus sich selbst heraus agiert. Denn Wettbewerbsvorteile entstehen künftig durch schnelles Ausprobieren und den Mut, auch das Scheitern einzukalkulieren. Nachfolgend werden drei Methoden beschrieben, die konkrete Lösungsansätze zu den oben aufgezeigten Herausforderungen bieten. Wir bei doubleSlash haben diese drei Methoden selbst bei der Entwicklung unserer Cloud-Plattform für Connected Bike Services angewendet. 

Co-Creation: Den Kunden in die Entwicklung mit einbeziehen

Die klassische Produktentwicklung funktioniert in den meisten Fällen immer noch wasserfallartig. Der Produktmanager steuert die Idee ein, dann wird sie entwickelt. Üblicherweise werden die Anforderungen intern formuliert, ohne Einbezug der Stakeholder aus dem Produkt-Ökosystem. Erst am Ende des Entwicklungszyklus wird dem Kunden ein fertiges Produkt präsentiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass am Nutzer vorbei entwickelt wurde, ist so relativ hoch.

Der Kernnutzen von Co-Creation besteht darin, dass alle relevanten Stakeholder aus dem Ökosystem des Produktes sehr frühzeitig mit in die Entwicklung einbezogen werden. Es geht darum, den jeweiligen Bedarf besser zu verstehen und letztlich in nutzenstiftende Services zu transformieren. Das senkt das Risiko, am Bedarf des Kunden vorbei zu entwickeln. Gleichzeitig ermöglicht dieser Ansatz auch, den Nutzungskontext der Lösung gesamtheitlich zu erfassen und so Abhängigkeiten frühzeitig zu identifizieren und mögliche Synergien zu erkennen. Das sorgt für ein besseres fachliches Verständnis und hilft bei der Bewertung und Priorisierung von Anforderungen.

Ein exemplarischer Anwendungsfall aus dem Bereich Connected Bike: Der Fahrrad-Hersteller kauft einen Service ein, der eine Lokalisierung des Fahrrads im Falle eines Diebstahls ermöglicht. Diesen digitalen Service verkauft er an den Fahrradfahrer. Wird das Rad gestohlen, kann die Versicherung des Kunden auf reale Daten des E-Bikes zurückgreifen und entsprechende Maßnahmen einleiten. Der Hersteller verkauft also einen zusätzlichen Service, der Kunde hat ein besseres Sicherheitsgefühl, und die Versicherung kann ein neues Angebot im Markt platzieren.

Co-Creation: Den Kunden in die Entwicklung mit einbeziehen

Bild 1: Bei der Co-Creation wird der Kunde in die Entwicklung mit einbezogen (Quelle DoubleSlash).

Digital Business Model: Wichtige Fragen im Vorfeld klären

Üblicherweise legen Unternehmen den Fokus darauf, ein Produkt qualitativ hochwertig zu entwickeln und dann zu vertreiben. Dabei wird in der frühen Phase des Entwicklungsprozesses oft vernachlässigt, wie sich der neue, digitale Service im Markt monetarisieren lässt. Gleiches gilt für Fragen nach Ressourcen oder strategischen Partnern. Hier setzt der Ansatz des Digital Business Modeling an und versucht, die wichtigsten unternehmensinternen und marktbezogenen Fragen zu beantworten.

Das Ziel ist, viele offene Fragen in der frühen Projektphase zu sammeln und auf dieser Basis Risiken zu identifizieren und zu bewerten. Im Resultat kommt man entweder zu der Erkenntnis, mit der Umsetzung zu starten oder die Geschäftsidee nicht weiter zu verfolgen.

Bei der Entwicklung der Connected Bike Plattform haben wir unseren Technologiepartner Microsoft sehr früh ausgewählt. So konnten gemeinsam relevante Marktsegmente analysiert und eine erste, grobe Einschätzung zu den Betriebskosten gemacht werden.

Digital Business Model

Bild 2: Der Ansatz des Digital Business Modeling versucht, die wichtigsten unternehmensinternen und marktbezogenen Fragen zu beantworten (Quelle DoubleSlash).

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Digital Pretotyping: Veranschaulichung in agilen Schritten

„Pretotyping“ setzt eine Phase vor dem „Prototyping“ an. Große Unternehmen beschäftigen oft eine Schar an Designern, Softwareentwicklern und Fachexperten, um in wenigen Monaten einen funktionierenden Prototypen zu erstellen. Das ist zwar schneller und günstiger als der klassische Entwicklungsprozess, jedoch immer noch schwerfällig und kostenintensiv.

Beim Pretotyping werden, basierend auf ersten Annahmen und Anforderungen, schnell und kostengünstig Teilaspekte der Lösung skizziert, um sie dem Nutzer zu demonstrieren und sein Feedback einzuholen. Dieses Feedback bildet die datenbasierte Grundlage, um die Lösung im nächsten Schritt weiter zu verbessern – oder zu verwerfen.

Pretotyping kann in unterschiedlicher Ausprägung erfolgen: von einer einfachen Skizze bis zu einem digitalen Scribble. Damit lässt sich schnell Kundenfeedback einholen, das in die nächste Iteration der Entwicklung einfließen kann. Man investiert möglichst wenig Aufwand, bis man sich sicher ist, dass das Resultat in die richtige Richtung geht. Ein weiterer Mehrwert ist die frühzeitige Identifikation von konzeptionellen Lücken. Das spart später Zeit und Kosten.

So wurden im Kontext Connected Bike über einfache Mockups verschiedene Use Cases skizziert, um deren Relevanz bei möglichen Partnern und Kunden zu validieren. So war es möglich, die Anwendungsfälle einfach und kostengünstig zu priorisieren. Gleichzeitig dienten die Pretotypen als erste, konzeptionelle Vorlage für die spätere Entwicklung.

Connected Bike App

Bild 3: Noch vor dem Prototyp kommt der Pretotyp, um schnell Kundenfeedback einholen zu können (Quelle DoubleSlash).

Digitale Services bedeuten Veränderung in Mindset und Methode

Die Produktentwicklungszyklen beschleunigen sich bei digitalen Produkten und Services immer mehr. Hier müssen sich Unternehmen auch in Sachen Methoden und Mindset verändern:

  • Weg vom klassischen Wasserfallmodell, hin zum agilen Vorgehen mit Fokus auf einen Use Case oder Service. Ist das Modell erfolgreich, kann es skaliert werden.
  • Schnelles Lernen kann auch bedeuten, dass ein Projekt nach einigen Wochen beendet wird.
  • Eine zukunftsbasierte Produktentwicklung bedarf mehr Aufgeschlossenheit für Zusammenarbeit mit Partnern, Lieferanten und Kunden.

Diese Methoden sind natürlich keine Garanten für ein erfolgreiches IoT-Projekt. Sie sorgen aber für eine signifikante Reduktion der Risiken wie Kosten oder Zeitaufwand und erhöhen damit die Chancen, erfolgreich zu sein.

Simon Noggler

Simon Noggler ist Diplom-Werbewissenschaftler und hat eine Ausbildung im Bereich Business Innovation & Entrepreneurship. Er berät Unternehmen bei der Umsetzung von Internet-of-Things-Projekten und brennt für die Themen Innovation und Business Models.

 

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