Serie Teil 1/3

S/4HANA: Migrieren oder neu implementieren

Serie

S/4HANA steht seit 2015 bereit, um Vorgängerversionen wie SAP ECC 6.0 abzulösen. Wie Unternehmen die Migration angehen sollten, warum sich der Wechsel lohnt und worauf zu achten ist.

Prozesse und Datenanalysen beschleunigen, die SAP-Anwendungslandschaft modernisieren und Echtzeitinformationen für unternehmerische Entscheidungen nutzen: Ziele, die mehr als zwei von drei Unternehmen mit der Umstellung auf S/4HANA verfolgen, wie eine Umfrage der Marktforscher von Pierre Audoin Consultants (PAC) aus dem Jahr 2016 zeigt. Die Experten von PAC hatten 100 IT-/SAP-Verantwortlichen in deutschen Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitern auf den Zahn gefühlt. Dabei zeigte sich unter anderem: Die Relevanz der neuen SAP Suite ist bei den Anwendern rund zwei Jahre nach dem Marktstart immer noch umstritten. Für die einen habe die neue Produktgeneration von SAP strategische Bedeutung, um Geschäftsmodell und -prozesse digital zu transformieren. Für die anderen stelle das nächste Release ein neues Anwendungssystem dar, das schlichtweg eingeführt werden müsse, bilanziert PAC in einer Pressemitteilung.

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Ob Pflicht oder Kür: „Die Wahrheit liegt wie so oft sprichwörtlich dazwischen“, sagt Meik Brand von der QSC AG. Der IT- und TK-Anbieter unterstützt den Mittelstand bei der digitalen Transformation. Als SAP-Partner- und -Full-Service-Erbringer stellt die QSC ihren Geschäftskunden die Anwendungssuite SAP S/4HANA aus der eigenen Pure Enterprise Cloud bereit. „Es gibt nicht das eine Argument, das für den Wechsel zu S/4HANA spricht, aber in der Summe viele, über die SAP-Anwender nachdenken sollten“, sagt Brand. „Wer sein Geschäft weiter digital transformieren möchte, um Angebot und Unternehmen viel stärker auf Märkte und Kunden auszurichten, der ist bei S/4HANA richtig.“ Welche Vorteile bietet die neue Version also?

Einfach schneller entscheiden

S/4HANA macht es den Anwendern einfacher. So erleichtert beispielsweise das neue „Universal Journal“ das Finanzreporting. Wo Anwender früher unterschiedliche Teilkomponenten übereinanderlegen mussten, um etwa Anlagenbuchhaltung oder Materialbestand mit dem Hauptbuch abzugleichen, vermeidet das Universal Journal heute Inkonsistenzen: In Echtzeit hält die HANA In-Memory-Datenbank Informationen einheitlich und dublettenfrei vor. Unternehmen profitieren von einem schnellen Zugriff – ohne Extract-Transform-Load(ETL)-Prozesse anstoßen und modellieren zu müssen. Dynamische Realtime-Ansichten ersetzen aggregierte Auswertungen, um etwa auch die Lagerhaltung zu optimieren oder Materialflüsse zu steuern. Unternehmen sind agiler – auch gerade deshalb, weil das SAP-System selbst agiler ist.

„S/4HANA steht als Cloud- oder als On-Premise-Lösung bereit“, erklärt Meik Brand. „Für die Cloud-Variante gibt es quartalsweise Updates mit neuen Funktionen. Wer im eigenen Serverraum installiert, erhält alle zwölf Monate ein neues Release.“ Das sorgt für Dynamik, wo sich bei früheren Versionen einzelne Feature Requests über Jahre hinziehen konnten. Weiterer Pluspunkt für die neue SAP-Software: Die Microservices aus der SAP-Cloud-Plattform. Zusätzliche Funktionen, Applikationen oder Services lassen sich nach Bedarf aus der Wolke beziehen. „Ob Module für die Reisekostenabrechnung wie Concur oder für die Personalwirtschaft – die Entwicklungen der Partnercommunity halten Tempo und Agilität hoch. Anwender beziehen neue Funktionen flexibel und implementieren diese innerhalb weniger Tage“, sagt Brand. Zudem verspricht dieser Lösungsansatz stabilere SAP-Installationen: Früher haben die Unternehmen ihre Systeme im Kern der ERP Central Component individualisiert und auf ihre Geschäftsprozesse hin angepasst. Viele Anpassungen lassen sich bei S/4HANA jetzt über die Cloud beziehen.

Zudem gehe der Trend tendenziell weg von Individuallösungen. Es gelte mehr denn je alles das, was standardisiert werden könne, auch zu standardisieren. Selbst wenn am Ende der letzte Prozess nicht 100-prozentig den ursprünglichen Anforderungen entspricht, würden viele Unternehmen dazu übergehen, ihre Prozesse – zumindest in Teilen – an das jeweilige Standardmodul anzupassen. Nötig sei hierfür eine gewisse Flexibilität in der Prozesswelt der Unternehmen. Erfahrene Berater verstünden es, diese Anpassungsszenarien gezielt zu steuern und so den Erfolg im Projekt sicherzustellen, so Brand.

Eine Version für alle

Darüber hinaus bricht die neue Version von SAP mit einem Paradigma: Wo früher zugeschnittene Branchenlösungen wie SAP Retail zum Einsatz kamen, gibt es heute nur noch eine übergreifende Version für alle: S/4HANA als digitaler Kern für Abläufe, Bereiche und Vorgänge einer jeden Firma. Welches Ziel SAP damit verfolgt: Anwender sollen in der Lage sein, ihre Geschäftsprozesse auch branchenübergreifend zu verzahnen und abzubilden. Zeigte die frühere SAP-Branchenlösung noch Grenzen auf, bietet S/4HANA heute Freiheiten. Das ist in diesen Zeiten auch notwendig. Denn: Digitalisierte Produkte, Services und Prozesse bestimmen die Märkte. Fabriken schließen ihre Produktionsstraßen zu globalen Produktionsverbünden zusammen. Aus Wertschöpfungsketten werden branchenübergreifende, intelligente Wertschöpfungsnetzwerke. Auch ist häufig nicht mehr klar erkennbar, ob ein Unternehmen eher Händler oder doch Produzent ist. Häufig auch ergänzen Firmen ihr Geschäft um Mehrwertdienstleistungen und Services. Insbesondere die Services nehmen eine immer größere Rolle im Markt ein.

Das heißt: Unternehmen müssen sich wandeln und weiterentwickeln, was ihnen nur gelingt, wenn sie nicht an den Limitationen einer Branchensoftware scheitern.

Der Wermutstropfen: In den aktuellen Release-Ständen fehlen Funktionen, die spezifische Branchen zwingend benötigen. So gehen Healthcare-Unternehmen momentan noch komplett leer aus. Handelsunternehmen etwa finden zwar bereits ein vereinfachtes Datenmodell mit Artikel- und Materialnummern vor. Best-Practice-Prozesse, auf die Firmen aufsatteln könnten, sind aber noch nicht angelegt. Insofern gilt es, abzuwarten und zu beobachten, wie SAP die Entwicklung vorantreibt. 

Meik BrandDer SAP-Experte Meik Brand berät bei der QSC AG Mittelständler aus Retail und Logistik. QSC hat eine SAP-Full-Service-Sparte und ist langjähriger SAP-Partner. Der Dienstleister bietet alle SAP-Services aus einer Hand: von Basisbetrieb über Application Management, Implementierung und Anwender-Support bis zur Wartung. Brand ist Mitautor des Buchs Logistik mit SAP S/4HANA, das im Herbst im Rheinwerk Verlag erscheint.
 

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