Wahlkampf als Feuerprobe: Welche Parteien können Digitalisierung?

Bundestagswahl 2017Gleich mehrere Parteien inszenieren sich in ihren Wahlprogrammen als Experten für die digitale Transformation. Wie viel digitale Expertise bei ihnen aber tatsächlich vorhanden ist, dafür ist der Technologie-Einsatz im Wahlkampf ein guter Indikator.

Und verglichen mit anderen Ländern zeigt sich die deutsche Politik nicht besonders innovationsfreudig. AppDynamics erklärt, auf welche digitalen Technologien die Parteien im Wahlkampf setzen, und worauf es bei ihrem Einsatz ankommt.

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Während die Kandidaten in anderen Ländern bereits um jeden Like stritten, fand der deutsche Bundestagswahlkampf 2013 noch weitgehend offline statt. Zwar waren auch schon damals viele Parteien und Politiker auf den großen Social-Media-Plattformen vertreten, ihre Aktivitäten aber folgten in den seltensten Fällen einer erkennbaren Strategie. „Das Internet ist für uns alle Neuland“, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel damals dem verdutzten Publikum.

Wie sieht es 2017 aus? Mittlerweile ist zumindest ein Teil des „Neulands“ erschlossen. Ausnahmslos alle wichtigen Parteien nutzen Facebook, Twitter, YouTube oder Instagram und legen dabei ein wachsendes Maß an Professionalität an den Tag. Die CDU kommt auf knapp 140.000 Facebook-Likes, die SPD auf fast 150.000. Die Grünen liegen ebenfalls bei 140.000, die FDP hat die 100.000er-Marke gerade geknackt. Spitzenreiter sind jedoch Die Linke mit 200.000 und die AfD mit 330.000 Fans. Dass sich die Likes am Ende in Wählerstimmen ummünzen lassen, ist jedoch längst nicht sicher. Im Bundestagswahlkampf 2013 war es die Piratenpartei, die in den sozialen Netzwerken den mit Abstand größten Zuspruch fand. Am Wahltag holte sie jedoch nur 2,2 Prozent der Stimmen – und verschwand im politischen Abseits.

Wenig Mut zur Innovation

Alle Parteien sind im aktuellen Bundestagswahlkampf in den sozialen Medien aktiv. Aber das ist mittlerweile auch jede Bäckerei und jeder Friseursalon. Beim Einsatz wirklich innovativer Technologien zeigen die Politiker weniger Mut: So experimentiert etwa die CSU mit einem Chatbot namens Leo – setzt anstatt auf künstliche Intelligenz aber auf einen Katalog vorgeschriebener Antworten. Zu groß scheint die Angst vor einem PR-Debakel, wie es Microsoft im letzten Jahr mit seinem Twitter-Roboter Tay erlebte.

Eine wenigstens einigermaßen beeindruckende digitale Innovation der bisherigen Wahlkampfwochen sind die von SPD und CDU eingesetzten „Klinkenputzer-Apps“ für den Tür-zu-Tür-Wahlkampf. Die aus den Vereinigten Staaten und Frankreich bekannten Tools helfen den Unterstützern der jeweiligen Partei, Straßenzüge mit möglichst hohem Wählerpotenzial zu identifizieren und die in den Türgesprächen gesammelten Eindrücke zur systematischen Auswertung an die Parteizentrale zu schicken.

Der Vergleich mit Frankreich zeigt, was prinzipiell möglich wäre: Dort ließ sich der spätere Sieger Emmanuel Macron bei der Ausarbeitung seines Wahlprogramms von Big-Data-Analysen leiten. Einen großen Coup landete auch der linkssozialistische Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon. Er setzte auf Augmented Reality – in Form eines Hologramms. Während er in Lyon zu seinen Anhängern sprach, stand sein Hologramm zeitgleich auf einer Bühne in Aubervilliers. Mit dieser Taktik erreichte er an einem einzigen Abend 18.000 Menschen, Macron und Marine Le Pen sprachen in parallel stattfindenden Veranstaltungen jeweils „nur“ vor 16.000 und 8.000 Unterstützern. Überdies brachte die Live-Übertragung des Spektakels in den sozialen Medien Mélenchon zusätzliche Aufmerksamkeit – der Twitter-Hashtag #JLMHologramme trendete weltweit auf Platz 1.

Nutzererfahrung entscheidet

Mélenchon hat eindrucksvoll gezeigt, wie wirkungsstark der Einsatz digitaler Technologie im Wahlkampf sein kann. Der Auftritt seines Hologramms steigerte nicht nur seine Reichweite, sondern unterstrich auch seine digitale Kompetenz – getreu dem Motto „the medium is the message“. Zugleich lässt sich anhand des Beispiels veranschaulichen, worauf es beim Technologie-Einsatz ankommt. Man stelle sich nur vor, ein Soft- oder Hardware-Fehler hätte die Aktion zum Scheitern gebracht: Während Mélenchon in Lyon auftritt, stehen in Aubervilliers tausende Menschen enttäuscht vor einer leeren Bühne. Der Internet-Stream ruckelt und bricht ab, lediglich der eigens ausgedachte Hashtag trendet trotzdem – doch wer auf ihn klickt, findet ausschließlich gehässige Kommentare über die Inkompetenz des Linkssozialisten im Umgang mit neuen Technologien.

Wenn Apps, Websites oder andere Technologien nicht funktionieren, kann das für die dahinterstehende Marke einen enormen Imageschaden bedeuten. Denn viele Nutzer packt in solchen Momenten der Zorn: Dem aktuellen App Attention Span Index von AppDynamics zufolge sorgen Performance-Probleme bei 56 Prozent der deutschen Verbraucher für Frustration, bei 27 Prozent sogar für Stress oder Wut. Kein Wahlkämpfer kann wollen, dass die digitalen Angebote seiner Partei bei potenziellen Wählern diese Emotionen hervorrufen. Wer neue Technologien im Wahlkampf einsetzen will, muss die Nutzererfahrung und Anwendungs-Performance deshalb flächendeckend überwachen. Für einen erfolgreichen digitalen Wahlkampf sind Performance-Metriken wie Ladezeit und Erreichbarkeit fast ebenso wichtig wie Meinungsumfragen und Zielgruppenanalysen.

Die Digitalisierung des Wahlkampfs steckt hierzulande noch in den Anfängen. Aber wenn Parteien den Wählern glaubhaft vermitteln wollen, dass sie sich mit dem digitalen Wandel auskennen, dann sollten sie beim Einsatz entsprechender Technologien in Zukunft mehr Mut und Kreativität beweisen. Letztlich können sie dabei nur gewinnen – solange die Nutzererfahrung den Erwartungen der Anwender entspricht.

www.appdynamics.com
 

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