Die Rolle der IT im Wandel

Schachfiguren 160Die Wirtschaftstehtseit den letzten Jahren wieder vor einem größeren Umbruch. Auf die Globalisierung und Urbanisierung folgen derzeit die digitale Transformation und Disruption. Dadurch entstehen völlig neue Geschäftsmodelle – zugleich werden etliche etablierte Unternehmen vom Markt verschwinden.

Auch die Rolle der IT in der Organisation wird sich durch die Digitalisierung von Geschäftsmodellen und den Umgang mit neuen Technologien stark verändern. Gab es früher den klaren Fokus auf Kosten und Stabilität, muss die IT im Unternehmen heute zusätzliche Anforderungen an Adaptionsfähigkeit und Geschwindigkeit erfüllen. Eine moderne IT-Strategie, die sich den Herausforderungen der Digitalisierung gewachsen zeigen will, braucht einen neuen Grad an Flexibilität. Es lohnt, vor diesem Hintergrund die bekannten IT-Strategieschulen neu zu betrachten.

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Digitale Transformation ist keine Selbstverständlichkeit

Die digitale Transformation eines Unternehmens ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die immer auch das Risiko des Scheiterns birgt. So finden sich in der jüngeren Zeit markante Beispiele, in denen sich die IT-strategische Neuausrichtung von Unternehmen mal mehr, mal weniger erfolgreich darstellt. So hat etwa die Deutsche Bank ihr großes Zukunftsprojekt einer neuen „Digitalbank“ kürzlich aus Ressourcengründen wieder eingestellt, und der Frankfurter Energieversorger Mainova AG musste in den letz- ten Jahren seine IT komplett restrukturieren. DHL hat eine neue „IT Renewal Roadmap“ angekündigt, und Microsoft schließlich, lange Zeit nahezu Erzfeind von Open Source und Cloud, hat seine Strategie inzwischen radikal gewandelt und strebt nun stattdessen sogar eine Vorreiterrolle in diesem Bereich an.

Herausforderungen für die IT und die IT-Strategie

Die Beherrschung der IT als Wettbewerbsfaktor ist komplex. Dazu sind ganzheitliche Ansätze nötig, die Strategie, Organisation und Technologie gleichermaßen berücksichtigen. Die Zeiten eines One-Size-Fits-All-Ansatzes in der IT sind endgültig vorbei. IT als Wettbewerbsfaktor muss heute vor allem eines: funktionieren. In der Vergangenheit war es ausreichend, aus der Unternehmensbeziehungsweise Geschäftsstrategie sehr konzeptorientiert und sequentialisiert eine IT-Strategie abzuleiten, die für einen längeren Zeitraum wirksam war.

Auch wenn diese IT-Strategie mithilfe eines Scorecard-Ansatzes mehr oder weniger regelmäßig auf den Prüfstand gestellt wird, bleibt doch ein gravierender Nachteil: Solch eine IT-Strategie ist im Ergebnis zumeist sehr eindimensional und wenig differenziert, somit oftmals zu statisch und unflexibel. Der Planungshorizont ist meist zu lang und Anpassungen der IT-Strategie ziehen einen erneuten langwierigen Prozess nach sich. Weil dadurch die Hürde für Anpassungen sehr hoch ist, lassen grundlegende strategische Korrekturen oft zu lange auf sich warten. Häufig geben Unternehmen ihre vermeintlichen IT-bezogenen Eckpfeiler zu spät auf. 

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Die drei fundamentalen Irrtümer strategischer Planung

Dem kanadischen Management-Wissenschaftler Henry Mintzberg zufolge weist die formale strategische Planung drei „fundamentale Irrtümer“ auf:

Der Irrtum der Vorhersagbarkeit

Eine herkömmliche Planung setzt auf Vorhersagbarkeit und auf Prognosen, die aber auf unzureichenden und abstrakten Fakten und Zahlen basieren. Mögliche Veränderungen in den Rahmenbedingungen bleiben unberücksichtigt. Sehr oft sind Prognosen entsprechend ungenau und unsicher. 

Der Irrtum der Trennung vom operativen Management

Die strikte Trennung von Planung und Umsetzung, die die wertvolle, auch qualitative Erfahrung aus den verschiedenen Mitarbeiterebenen ignoriert, verhindert, dass es in der Planung zu Lernprozessen kommt. Die Planungsebene bleibt von der Wirklichkeit entkoppelt.

Der Irrtum der Formalisierbarkeit

Eine Planung, die von der falschen Annahme ausgeht, dass ein formalisiertes System für den Prozess der Strategiefindung überlegen sei, hat ein Problem. Am Ende ist immer menschliches Denken nötig, um Analysedaten zu integrieren, zu synthetisieren und sinnvolle Entscheidungen zu treffen.

Alte Perspektiven neu eröffnen

Die digitale Transformation macht es deutlich: Eine IT-Strategie aus den Mustern der Vergangenheit ableiten zu wollen, funktioniert nur noch sehr eingeschränkt, weil sich die Rahmenbedingungen für Unternehmen in den letzten Jahren gravierend verändert haben. Für Unternehmen besteht die unabweisbare Konsequenz darin, dass sie auf Ebene ihrer IT-Strategie deutlich flexibler agieren müssen als zuvor. Um den gängigen Irrtümern der strategischen Planung zu begegnen, wäre es allerdings unsinnig, wenn ein Unternehmen das Rad völlig neu erfinden wollte. Stattdessen lohnt es, die Theorien der bekannten Strategieschulen daraufhin abzuklopfen, wie gut sie den Herausforderungen der Gegenwart gerecht werden.

Die etablierten Strategieschulen beschreiben verschiedene Herangehensweisen zur Strategiebildung und berücksichtigen dabei verschiedenste Einflussfaktoren. Dazu zählt unter anderem die Wirkung von Unternehmenskultur, Machtgefüge, Lernfähigkeit oder Kreativität. Die Strategien entstehen entweder nach strenger Ableitung aus vorgegebenen Mustern oder eher inkrementell, etwa in unregelmäßigen und dezentralen Modellen.

Zehn klassische Strategieschulen

Im Folgenden wollen wir die grundlegenden Ansätze von zehn etablierten Strategieschulen kurz vorstellen:

Designschule: Strategiebildung erfolgt hier als logischer Prozess, der zu einer ausgereiften Strategie führt, die ausformuliert und umgesetzt wird. Der CEO ist der Stratege. Die Designschule arbeitet mit Modellen (SWOT) und Checklisten. Fähigkeiten und Chancen werden analysiert und aufeinander abgestimmt. Das Motto: Establish fit.

Planungsschule: Die Planungsschule ist hoch formal angelegt, als komplexes System von Schritten und Teilplänen (SWOT, Checklisten etc.). Die Verant- wortung bleibt zwar beim CEO, die Ausarbeitung wird aber von spezialisierten Planern durchgeführt.

Positionierungsschule: Hier gilt der Fokus stärker dem Inhalt der Strategie und weniger dem Prozess ihrer Formulierung. Die Gewichtung verlagert sich von der Planung auf die Analyse. Zentral werden das Studium der Branche, in der ein Unternehmen tätig ist, sowie die Auswahl der strategischen Wege (BCG- Matrix, 5-Forces-Modell, Wertkette etc.).

Machtschule: Strategiebildung wird von dieser Schule als ein Prozess der Einflussnahme betrachtet, in dem Einzelpersonen, Gruppen oder Allianzen ihre Interessen durchzusetzen versuchen. Unterschieden wird zwischen Machtbeziehungen im Innern (micro power) und dem Verhältnis zur Außenwelt (macro power).

Unternehmerische Schule: In dieser Schule, die auf der klassischen Wirtschaftstheorie von Joseph Schumpeter basiert, obliegt die Strategiebildung allein der Führungsperson. Strategie wird als Vision und Perspektive betrachtet, die auf Intuition, Kreativität und Erfahrung gründet – statt auf formaler Planung. Dies erlaubt große Flexibilität in der Strategiebildung.

Kognitive Schule: Die kognitive Schule geht davon aus, dass Manager aufgrund ihrer Erfahrung und ihres Wissens handeln – was wiederum ihre Erfahrung prägt. Interessant ist hier der Frage, wie Führungskräfte Informationen verarbeiten und ihre Entscheidungen treffen.

Umweltschule: Die Umwelt wird im Sinne von Kräften gesehen, die als zentrale Akteure im Strategieprozess wirken. An diese Kräfte hat sich ein Unternehmen anzupassen, ansonsten wird es „wegselektioniert“.

Kulturschule: Diese Strategielehre beschäftigt sich mit dem Einfluss der Kultur, speziell der Unternehmenskultur, auf den Prozess der Strategieentwicklung und auf die Einstellung zu Wandel und strategischen Änderungen.

Lernschule: Wie auch die kognitive Schule kommt die Lernschule ohne formale Modelle aus. Strategien entstehenhier durch die Konfrontation mit der Situation und den Möglichkeiten des Unternehmens. Letztlich werden Verhaltensmuster identifiziert, die sich als erfolgreich erwiesen haben.

Konfigurationsschule: Die Konfigurationsschule hat ihre Wurzeln in der Zufallstheorie. Weil unterschiedliche Situationen unterschiedliches Verhalten hervorbringen, gibt es keine allgemeingültige Strategie. Jede Situation im Markt und innerhalb der Entwicklungsdynamik des Unternehmens erfordert eine darauf abgestimmte Strategie.

Prozessorientierung und Flexibilität der Strategieschulen

Üblicherweise unterscheidet man die genannten Strategieschulen danach, ob sie einen präskriptiven oder deskriptiven Ansatz haben. Unserer Erfahrung nach ist es aber durchaus sinnvoll, die etablierten Strategieschulen ebenso nach dem Grad der Prozessorientierung einerseits und dem Grad ihrer Flexibilität andererseits zu klassifizieren. Der Grad der Prozessorientierung gibt wieder, in welchem Umfang Prozesse zur Ableitung der Strategie zum Einsatz kommen.

Der Grad der Flexibilität zeigt auf, inwiefern der Ansatz zur IT-Strategiebildung von vorneherein Anpassungen vorsieht. Die Grafik zeigt solch eine Einordnung der Strategieschulen. Es ergibt sich eine Gruppierung in drei Cluster: A – mittlere Flexibilität, hohe Prozessorientierung; B – hohe Flexibilität, niedrigere Prozessorientierung; C – niedrigere Flexibilität, niedrigere Prozessorientierung (siehe Bild).

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Bild: Klassifizierung der Strategieschulen nach Flexibilität und Prozessorientierung

Die unerlässliche Flexibilisierung der IT-Strategie

Eine IT-Strategie, die auf die Zukunftsfähigkeit der IT ausgerichtet ist, erfordert es, die technologischen, organisatorischen und personellen Einflussfaktoren ganzheitlich und nach den Bedarfen und Zielsetzungen an die IT zu betrachten – und dies unter sich stetig ändernden Rahmenbedingungen. Eine gesunde Portion Pragmatismus darf dabei nicht fehlen. Nur so kann der Spagat gelingen: Kosteneffizienz und Stabilität in den geschäftskritischen Bereichen eines Unternehmens einerseits und Geschwindigkeit im Marktangang und der Innovationsfähigkeit durch neue (digitale) Ge-schäftsmodelle andererseits. Eine flexible IT-Strategie führt zu adaptiver IT.

Drei Grundformen adaptiver IT

Die adaptive IT unterscheidet drei strategische Grundformen der IT, die eine differenzierte Ausgestaltung der IT anhand organisatorischer und technologischer Erfolgsfaktoren ermöglichen – abhängig von der Kritikalität und dem Wertbeitrag für das Unternehmen:

Marktdifferenzierende IT versteht sich als Wettbewerbsfaktor aus Sicht des Unternehmens. Basierend auf der Geschäftsstrategie leistet die IT einen wesentlichen Wertbeitrag und verschafft dem Unternehmen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil im Hinblick auf Marktanteile und Wettbewerbsdifferenzierung. So wird die IT-Organisation zum Treiber der (digitalen) Geschäftsmodelle. Kontinuierliche Innovation und Produktentwicklung sind gefragt.

Geschäftskritische IT fokussiert betriebliche Risiken und versteht sich als Unterstützer kritischer Geschäftsprozesse. Hier ist die IT Lieferant zentraler Arbeitsmittel. Ohne deren qua- litative und zugleich performante Verfügbarkeit wäre die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs gefährdet. Die IT-Organisation fokussiert hier auf kosteneffiziente Bereitstellung von IT-Service.

Fachseitige IT bietet die Möglichkeit, spezifische Anforderungen von Fachseite autonomdurch am Markt verfügbare Dienstleistungen und Produkte oder Lösungen zu decken – wenn deren Umsetzung durch die eigene IT-Organisation wirtschaftlich ineffizient wäre. Der Fachbereich ist die treibende Kraft der Veränderung, und es gilt, ihn durch Autonomie bei IT-Entscheidungen zu befähigen. Die IT-Organisation fungiert dabei primär als Berater und Auditor. Aus Sicht des Unternehmens erbringt die fachseitige IT allerdings keine geschäftskritischen Leistungen, von deren Verfügbarkeit das Kerngeschäft abhängen würde.

Was die erfolgreiche IT-Strategie ausmacht

Im Rahmen einer adaptiven IT ist eine flexibilisierte IT-Strategie ein wichtiger Erfolgsfaktor. Denn für die IT sind heute spezifische und differenzierende Strategien erforderlich. Die in der Vergangenheit oftmals vorherrschende monolithische IT kann den an sie gestellten divergierenden Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Um eine erfolgreiche IT-Strategie zu etablieren, lohnt es also, sich mit den dynamischen Aspekten jeder Strategieschule auseinanderzusetzen und die Einflussfaktoren besser zu verstehen, die auf eine Strategie einwirken. Alle Strategieschulen enthalten Elemente, die je nach Situati-on des Unternehmens ihre Berechtigung haben können.

Die eine, einzig richtige Herangehensweise an die IT-Strategie gibt es nicht. Heute erweisen sich jedoch vor allem diejenigen IT-Strategien als erfolgreich, die lern- und anpassungsfähig sind und die gegebenenfalls iterativ bzw. inkrementell abgeleitet werden. Eine hohe Prozessorientierung muss aber nicht hinderlich sein. Der Fokus liegt nicht mehr nur auf den Inhalten, sondern auch auf der Veränderbarkeit der IT-Strategie. Entsprechend sollte auch der Zeithorizont einer IT-Strategie nicht zu lang gewählt werden. Ein guter Richtwert ist wohl eine Auslegung auf zwei bis drei Jahre, letztlich hängt dies aber immer vom jeweiligen Unterneh- men ab. So hat etwa Daimler kürzlich eine IT-Strategie für die kommenden drei Jahre vorgestellt.

Des Weiteren muss im Rahmen einer modernen IT-Governance auch bei un- veränderter Geschäftsstrategie regelmäßig eine Justierung der IT-Strategie möglich sein, ohne dass dabei die eigentlichen Hauptziele des Unternehmens sofort aufgegeben würden. Dies gilt es, in der Unternehmenskultur zu verankern. Oft erweist sich hier der Blick externer Experten als hilfreich. Sie können unternehmenseigene Scheuklappen identifizieren, die aktuelle IT-Strategie an bestehenden Erfahrungen und Rahmenwerken wie etwa COBIT spiegeln und damit den Wirkungsgrad der Strategie ganzheitlich bewerten.

Fazit

Angesichts der Herausforderungen der digitalen Transformation ist das klassische Planungsmodell für die Entwicklung einer IT-Strategie zu statisch, unflexibel und träge. Dennoch kann gerade der frische Blick auf die etablierten Strategieschulen die Entwicklung neuer Herangehensweisen in der Strategieentwicklung fördern. In dem Maß, in dem adaptive IT sich als Schlüssel zur IT im Zeitalter digitaler Geschäftsmodelle darstellt, wird für Unternehmen auch die Flexibilisierung und Differenzierung ihrer IT-Strategie zu einem erfolgsentscheidenden Faktor.

Autoren: Axel Keller und Felix Neumann, Cassini Consulting

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