Trotz massiver Lobbyarbeit von über 100 Technologieunternehmen will die Europäische Union ihre KI-Verordnung planmäßig durchsetzen. Alphabet, Meta und andere fordern Aufschub – Brüssel bleibt hart.
Die Europäische Union lässt sich nicht von der geballten Lobbymacht der Tech-Industrie beeindrucken: Trotz konzertierter Proteste von mehr als hundert Technologieunternehmen hält Brüssel am ursprünglichen Zeitplan für die Umsetzung des AI Acts fest. Das berichtete die Nachrichtenagentur Reuters am Freitag unter Berufung auf Aussagen der EU-Kommission.
Keine Gnadenfrist für Big Tech
“Ich habe in der Tat viele Berichte, viele Briefe und viele Aussagen zum KI-Gesetz gesehen. Lassen Sie mich so klar wie möglich sein: Es gibt keine Stopp-die-Uhr-Regelung. Es gibt keine Gnadenfrist. Es gibt keine Pause”, zitierte Reuters den Sprecher der Europäischen Kommission, Thomas Regnier.
Die Proteste kommen nicht von ungefähr: Zu den Unternehmen, die eine Verschiebung der EU-Regulierung fordern, gehören Tech-Schwergewichte wie Alphabet (Google), Meta (Facebook), das französische KI-Startup Mistral AI sowie der niederländische Halbleiterhersteller ASML. Ihre Argumentation: Das KI-Gesetz schade Europas Wettbewerbsfähigkeit im schnelllebigen KI-Markt.
Risikobasierte Regulierung mit klaren Verboten
Das KI-Gesetz der EU basiert auf einem risikobasierten Ansatz und kategorisiert KI-Anwendungen in verschiedene Risikostufen. Systeme mit “unannehmbarem Risiko” werden komplett verboten – dazu gehören etwa kognitive Verhaltensmanipulation oder Social Scoring, wie es in China praktiziert wird.
KI-Anwendungen mit “hohem Risiko” unterliegen strengen Auflagen. Dazu zählen biometrische Systeme und Gesichtserkennung sowie KI-Einsatz in sensiblen Bereichen wie Bildung und Beschäftigung. App-Entwickler müssen ihre Systeme registrieren und umfassende Risiko- und Qualitätsmanagement-Verpflichtungen erfüllen, um Zugang zum EU-Markt zu erhalten.
Gestaffelte Einführung bis 2026
Eine dritte Kategorie umfasst KI-Anwendungen mit “begrenztem Risiko” – hierunter fallen beispielsweise Chatbots. Diese unterliegen leichteren Transparenzpflichten, müssen aber dennoch bestimmte Auflagen erfüllen.
Die EU hatte bereits im vergangenen Jahr mit der gestaffelten Einführung des KI-Gesetzes begonnen. Die vollständigen Regelungen sollen bis Mitte 2026 in Kraft treten. Für die Technologiebranche bedeutet das: Die Zeit für Anpassungen wird knapp, und Brüssel zeigt sich unbeeindruckt von den Protesten der Industrie.