Droht durch das Cookie-Urteil des BGH ein „Digitaler Lockdown“?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sein Urteil im Fall Bundesverband der Verbraucherzentralen gegen die Planet49 GmbH gesprochen. Demnach reicht eine bereits vorangekreuzte Checkbox nicht aus, um den Anforderungen an eine Einwilligung beim Setzen von Cookies zu entsprechen. Dies war zu erwarten.

Der BGH hat aber nicht eindeutig darüber entschieden, ob prinzipiell eine Einwilligung des Nutzers für den Einsatz von Cookies zur Erstellung von Nutzerprofilen für Zwecke der Werbung oder Marktforschung  erforderlich ist. Thomas Duhr (IP Deutschland), Vizepräsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V., zum Urteil: „Das Urteil darf nicht zu einem ‚Digitalen Lockdown‘ führen. Wir brauchen jetzt keine Schnellschüsse von Gesetzgebern und Aufsichtsbehörden, sondern Umsetzungen der Bewertung des BGH mit Augenmaß. Es ist von elementarer Bedeutung, sich jetzt die Zeit zu nehmen, tatsächlich praktikable Lösungen für die viel beschworene Datensouveränität zu finden. Wir fordern daher ein Moratorium von mindestens sechs Monaten, das allen die Möglichkeit gibt, diese Diskussionen zu führen.“

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63 Prozent der Deutschen sind laut einer Studie bereits jetzt genervt von Cookie-Hinweisen. Die Hinweise werden in Art und Umfang nun nochmals deutlich zunehmen. Denn der BGH hat in seinem heutigen Urteil zunächst klargestellt, dass bei einer Einwilligung in den Einsatz von Cookies ein aktives Handeln der Nutzer erforderlich ist und folgt damit der Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2019. Darüber hinaus geht das Gericht in seiner Pressemitteilung allerdings nicht im Detail auf die Fragestellung ein, wann eine Einwilligung für das Setzen von Cookies überhaupt erforderlich ist. Der BGH ist zwar der Ansicht, dass §15 Abs. 3 Sat. 1 des Telemediengesetzes in seiner jetzigen Form eine rechtskonforme Auslegung im Sinne der Richtlinie 2002/58/EG ermögliche und legt dabei für den „Planet49“-Fall fest, dass eine Einwilligung des Nutzers zum Setzen von Cookies und zum Zugang auf Informationen im Endgerät für Zwecke der Werbung oder der Marktforschung notwendig war. „Ob dies allerdings auch eine generelle Aussage zum Verhältnis zwischen der DSGVO und dem Telemediengesetz umfasst, wird aus der Pressemitteilung des BGH nicht deutlich. Wir müssen daher die ausführlichen Entscheidungsgründe abwarten“, so Thomas Duhr.  

Eine solche generelle Anwendung des Urteils würde dazu führen, dass jegliche andere Rechtsgrundlage gemäß DSGVO, auch kein „berechtigtes Interesse“, zum Setzen von Cookies mehr greift. Thomas Duhr: „Tatsächlich liegt der Sachverhalt ja bereits mehr als sechs Jahre zurück. Seitdem hat sich vieles verändert, nicht erst durch Corona. So übernehmen Browser-Betreiber zunehmend eigentlich hoheitliche Regulierungsaufgaben durch Technologie. Eines zeigt sich daher deutlich: Falsch verstandener Datenschutz hilft nur wenigen und verstärkt vielmehr die Abhängigkeit ganzer Volkswirtschaften.“ Der Digitalverband BVDW fordert jetzt faktenorientierte Diskussionen über die digitale Zukunft und die Frage, wann Einwilligungen erforderlich sind und wann nicht und wann diese wirksam sind.

Das Urteil kann zur Folge haben, dass Nutzer nun noch mehr und noch umfangreichere Einwilligungstexte lesen werden müssen als bereits heutzutage und Inhalte vollständig hinter Cookie- und/oder Pay-Walls verschwinden. Das ist nicht im Sinne der Nutzer und auch nicht im Sinne der Digitalwirtschaft. Gleichwohl verdienen neuartige Ansätze wie zum Beispiel Personal Information Management Systeme gegebenenfalls intensiverer Betrachtung auf dem Weg in die digitale Zukunft.

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