Darknet-Kriminalität wirksam bekämpfen

Mit Start der „Field Labs“ beginnt beim EU-Projekt TITANIUM die Praxisphase: Mehrere Monate testen ausgewählte europäische Polizeibehörden neue Software zur besseren Bekämpfung von Kriminalität im Darknet. Ansatzpunkt sind die Kryptowährungen als das gängige Zahlungsmittel bei anonymisierten illegalen Cyberaktivitäten. 

Zu den 15 Partnern des Projekts gehört das Karlsruher Institut für Technologie (KIT); sein Zentrum für Angewandte Rechtswissenschaft (ZAR) steht für die Rechtskonformität der in TITANIUM entwickelten Instrumente.

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Das Darknet – jener Teil des Internets, in dem die Nutzer ihre Identität mittels spezieller Browser und Netzwerke wirksam verschleiern – gilt als eine Zone des Zwielichts: Einerseits kann es dort, wo öffentliche Debatten unterdrückt werden, ein Schutzraum für die freie Meinungsäußerung sein. Andererseits bietet es nachgerade ideale Bedingungen für schwerwiegende kriminelle Aktivitäten, etwa Waffen- und Drogenhandel, Kinderpornografie und Auftragsstraftaten. Für Polizei und Justiz ist die Aufdeckung solcher Taten eine enorme Herausforderung.

Hier setzt das von der Europäischen Kommission aufgelegte Forschungs- und Entwicklungsprojekt TITANIUM (kurz für: Tools for the Investigation of Transactions in Underground Markets) an. In TITANIUM, das vom Austrian Institute of Technology (AIT) koordiniert wird, arbeiten 15 Forschungseinrichtungen, IT-Unternehmen und Polizeibehörden aus sieben europäischen Ländern daran, neue forensische Technologien zur Ermittlung und Erforschung von Cyberkriminalität im Darknet zu entwickeln. Auf deutscher Seite wirken das Bundeskriminalamt, das KIT sowie die dence GmbH mit. Ziel des im Mai 2017 gestarteten, dreijährigen Projekts ist die Entwicklung von Software zur Unterstützung polizeilicher Ermittlungen im Darknet. Im Fokus steht die Abwicklung krimineller Geschäfte mithilfe blockchainbasierter Kryptowährungen wie Bitcoin, ZCash oder Monero. Hier entwickeln die TITANIUM-Partner Software zur Unterstützung elementarer Ermittlungsschritte, die es ermöglichen sollen, gerichtsfestes Beweismaterial zu generieren. Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf der Analyse von Darknet-Plattformen, die für illegale Aktivitäten genutzt werden.

Im Zusammenhang stellt das Zentrum für Angewandte Rechtswissenschaft (ZAR) des KIT sicher, dass die rechtlichen und ethischen Vorgaben eingehalten werden – sowohl im Kontext von Forschung und Entwicklung als auch operativ, das heißt im Einsatz bei den Polizeibehörden.

„Bei der Entwicklung von Software erweist es sich als zunehmend wichtig, komplexe rechtliche Vorgaben frühzeitig auf technischer Ebene umzusetzen, etwa in Form der ‚Privacy by Design‘. Datenschutzaspekte müssen dabei schon bei der Grundkonzeption von Software bedacht und implementiert werden“, sagt Professorin Franziska Boehm, Leiterin der ZAR-Forschungsgruppe Informationsrecht für technische Systeme und Rechtsinformatik sowie Bereichsleiterin Immaterialgüterrechte am FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur. Dies erfordere eine tiefgreifende interdisziplinäre Zusammenarbeit, die neben rechtlichem Fachwissen ein umfassendes technisches Verständnis und herausragende Englischkenntnisse der juristischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter voraussetze. „Am ZAR werden diese Kompetenzen effektiv gebündelt, sodass sie in wichtige internationale Projekte wie TITANIUM eingebracht werden können“, so Boehm.

Über die gesamte Spanne des Projekts steuert und evaluiert das ZAR-Team – in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt, Interpol, der Trilateral Research Ltd. sowie der Universität Innsbruck – die rechtlich-ethische Dimension der neuen Ermittlungssoftware. Da die Verarbeitung von Darknet-Daten regelmäßig einen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen darstellt, ist es entscheidend, dass ein solcher nur in begründeten Fällen und auf Basis einer Rechtsgrundlage erfolgt, wie der Projektkoordinator am KIT Thilo Gottschalk vom ZAR erläutert. „Die TITANIUM-Tools“, so Gottschalk, „beinhalten vielfältige Schutzmaßnahmen, um eine angemessene und rechtmäßige Datenverarbeitung zu garantieren.“ Neben der Analyse der rechtlichen Vorgaben steht das KIT im Rahmen eines „Privacy Impact Assessment Plus“ dabei auch in Kontakt mit unterschiedlichen Interessengruppen um auch Außensichten auf Risiken und Bedenken effektiv in die Entwicklung einzubeziehen.

Erste Versionen der TITANIUM-Software werden den Polizeibehörden ab dem 24. Januar 2019 zu Testzwecken zur Verfügung gestellt. In mehrmonatigen „Field Labs“ in Deutschland, Finnland, Österreich und Spanien sollen rund 60 Cybercrime-Experten über die Entwicklungen aus dem Projekt informiert und in den Umgang mit den neuen Programmen eingeführt werden. Das Projektteam stellt dabei in rechtlich kritischen Bereichen auch synthetische, das heißt künstlich generierte, Daten zur Verfügung, sodass es keinesfalls zu ungerechtfertigten Eingriffen in die Grundrechte der Betroffenen kommen kann. Von der polizeilichen Erprobung erhoffen sich die Partner wertvolle Rückmeldungen zur Bedienbarkeit, Funktionalität und Effizienz der Software. Eine zweite Field-Lab-Phase zur Erprobung weiterer Software ist für Ende 2019 angesetzt. Auch in diese Praxisphasen ist das Team des ZAR eingebunden, um die Einhaltung internationaler wie länderspezifischer Rechtsvorgaben zu überwachen und auf technischer Ebene festzuschreiben.

www.kit.edu

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