Während der Fokus der Öffentlichkeit auf diplomatischen Gesprächen beim kommenden NATO-Gipfel in den Niederlanden liegt, spielt sich im Hintergrund ein anderer, stiller Konflikt ab – im digitalen Raum.
Die jüngsten Entwicklungen zeigen: Cyberangriffe auf staatliche Institutionen und kritische Infrastrukturen sind längst Bestandteil internationaler Machtspiele geworden.
Cyber-Attacken als geopolitisches Werkzeug
Die Niederlande verzeichneten in den vergangenen Monaten eine Welle von DDoS-Angriffen, also gezielten Überlastungsattacken auf Server und Netzwerke. Dahinter steht laut der Sicherheitsfirma Check Point Software Technologies häufig die pro-russische Gruppe NoName057(16), die sich offen zu den Angriffen bekannte. Zielscheibe waren nicht nur Regierungsseiten, sondern auch öffentliche Dienste und bedeutende digitale Infrastrukturen.
Diese Vorfälle sind keine isolierten Ereignisse. Vielmehr fügen sie sich in ein übergeordnetes Muster ein, das auf hybrider Kriegsführung basiert: digitale Sabotage, Desinformation und psychologische Beeinflussung, gezielt eingesetzt gegen westliche Demokratien.
Eine Allianz von Hacktivisten mit politischer Agenda
Check Point Research analysierte in einem aktuellen Bericht die Netzwerke und Strukturen hinter den Angriffen. Besonders auffällig ist die zunehmende Koordination verschiedener Gruppen, die sich in Allianzen wie der sogenannten „Heiligen Liga“ zusammenschließen. Diese besteht aus über 60 Gruppierungen – darunter bekannte Namen wie KillNet, NoName057(16) oder UserSec – und verfolgt eine klare Linie: Störung westlicher Veranstaltungen, Institutionen und der öffentlichen Meinung.
Cyberangriffe auf NATO-Staaten – insbesondere rund um bedeutende politische Ereignisse – sind dabei keine neue Entwicklung. Bereits im Vorjahr wurde etwa eine gezielte Desinformationskampagne gegen Moldawien aufgedeckt, deren Ziel es war, den EU-Beitritt des Landes zu diskreditieren. Auch dabei nutzten die Angreifer KI-generierte Inhalte, gefälschte Medienplattformen und Social-Media-Bots.
Vorbereitung auf den Gipfel: Sicherheit nicht nur auf der Straße
Angesichts dieser Bedrohungslage betonen niederländische Sicherheitsbehörden, wie der Nationale Koordinator für Terrorismusbekämpfung und Sicherheit (NCTV), die Bedeutung digitaler Schutzmaßnahmen. Der kommende NATO-Gipfel soll nicht nur physisch gesichert, sondern auch im digitalen Raum verteidigt werden.
Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Bekämpfung von Desinformation. Die wachsende Rolle von Künstlicher Intelligenz bei der Produktion manipulativer Inhalte – etwa durch Deepfakes oder automatisierte Meinungsmache in sozialen Netzwerken – verschärft die Bedrohungslage zusätzlich. Besonders in Zeiten geopolitischer Spannungen kann diese Form der Beeinflussung das Vertrauen in demokratische Prozesse erheblich untergraben.
Trotz der medialen Aufmerksamkeit liegt das durchschnittliche Angriffsniveau in den Niederlanden laut Check Point unter dem internationalen Durchschnitt. So wurden niederländische Organisationen in den letzten sechs Monaten rund 1072 Mal pro Woche digital angegriffen – weniger als der weltweite Mittelwert von über 1400 Angriffen pro Woche.
Doch die vergleichsweise niedrige Zahl ist trügerisch. Gerade in Zeiten wie dem NATO-Gipfel steigt das strategische Interesse an digitalen Angriffen massiv. Experten vermuten daher entweder eine wirksame nationale Abwehr oder eine bewusste Zurückhaltung der Angreifer – möglicherweise zur Vorbereitung komplexerer Operationen.
Von der Bedrohung zur Widerstandsfähigkeit
Auch wenn katastrophale Angriffe bislang ausblieben, sind die kumulativen Effekte kleiner, wiederholter Störungen nicht zu unterschätzen. DDoS-Angriffe beispielsweise stehlen keine Daten, können aber das Vertrauen in staatliche Institutionen erschüttern. Desinformation wiederum schwächt die demokratische Debattenkultur und schürt Unsicherheit.
Deshalb plädiert die Sicherheitsforschung – wie etwa der niederländische Check-Point-Manager Kilian Klein – für eine vorausschauende Strategie: Nicht nur technische Aufrüstung, sondern auch Zusammenarbeit über staatliche Grenzen hinweg und gesellschaftliche Aufklärung sollen im Zentrum der digitalen Verteidigung stehen.
Die digitale Front ist längst Realität geworden. Der NATO-Gipfel in Den Haag steht exemplarisch für die Herausforderungen, vor denen westliche Demokratien in einer zunehmend vernetzten Welt stehen. Cyberangriffe, digitale Manipulation und hybride Kriegsführung zeigen: Sicherheit ist heute mehrdimensional – und muss es auch bleiben.