Vorsicht vor Unterforderung von Mitarbeitern

Das stille Risiko: Warum Boreout Führungssache ist

Boreout

In der heutigen Arbeitswelt sind die Begriffe Überlastung und Burnout längst keine Fremdwörter mehr. Sie gelten als ernstzunehmende Risiken für das psychische Wohlbefinden der Mitarbeitenden und sind inzwischen im ICD-11 (International Classification of Diseases) als eigenständiges Syndrom verzeichnet.

Doch während Unternehmen zunehmend Maßnahmen zur Prävention von Burnout ergreifen, bleibt eine andere Problematik oft unbeachtet: Boreout. Obwohl chronische Unterforderung auf den ersten Blick weniger auffällt als Überlastung, kann sie langfristig genauso gravierende Folgen für die Produktivität und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden haben.

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Was ist Boreout und wie entsteht es?

Boreout ist nicht einfach das Fehlen von Arbeit oder das gelegentliche Gefühl der Langeweile. Es handelt sich vielmehr um einen Zustand der chronischen Unterforderung, der sich schleichend entwickelt und zu Demotivation sowie innerer Kündigung führen kann. Besonders betroffen sind Mitarbeitende, deren Aufgaben weder geistige noch emotionale Resonanz erzeugen. Dies kann auf standardisierte Prozesse und den Mangel an Gestaltungsspielräumen zurückzuführen sein. In vielen Unternehmen herrscht heute der Trend, Arbeit nach festen Vorgaben und Checklisten zu erledigen. Das führt dazu, dass selbst engagierte Mitarbeitende ihre Eigeninitiative verlieren und sich zunehmend entfremden.

Lars Thiele, Geschäftsführer der EMENDO Leadership Consultants GmbH, erklärt: „Boreout stellt kein individuelles Defizit dar, sondern oft das Ergebnis struktureller Fehlsteuerung in Unternehmen. Wo Rollenprofile und Kompetenzen nicht zueinander passen, entsteht eine Leere, die sich nicht auf den ersten Blick erkennen lässt – aber die Wirkung ist gravierend.“ Diese Leere ist gefährlich, weil sie sich nicht immer direkt in Fehlzeiten oder äußeren Anzeichen manifestiert. Stattdessen zeigt sich Boreout in ungenutzten Kapazitäten, einer hohen Fluktuation und einer sinkenden Teamdynamik.

Auswirkungen auf die Produktivität und Unternehmenskultur

Das Fehlen von Sinn und Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitsalltag führt zu einem schleichenden Verlust an Motivation. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die individuelle Leistungsbereitschaft, sondern auch auf die Innovationskraft und die langfristige Produktivität des Unternehmens. Boreout ist ein Nährboden für sinkende Leistungsbereitschaft und Kreativität. In vielen Fällen sind es die subtilen Signale wie Rückzug, Zynismus oder scheinbare Gleichgültigkeit, die als erste Anzeichen für Boreout wahrgenommen werden. Diese werden jedoch oft übersehen, weil Leistung immer noch vor allem durch physische Präsenz definiert wird.

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„Es geht nicht darum, Beschäftigung zu maximieren, sondern Sinn zu stiften. Menschen wollen gebraucht werden, nicht nur beschäftigt“, betont Thiele. Diese Erkenntnis ist auch in aktuellen Studien wiederzufinden: Laut einer Forsa-Studie wünschen sich 52 Prozent der Arbeitnehmenden eine sinnstiftende Tätigkeit, während 63 Prozent ein gutes Führungsverhalten erwarten. Fehlen diese beiden Faktoren, steigen die Krankheitsraten und die Fluktuation, was letztlich dem Unternehmen schadet. Der Gallup Engagement Index 2024 zeigt, dass nur noch 9 Prozent der Beschäftigten in Deutschland eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber haben – der Großteil arbeitet „Dienst nach Vorschrift“.

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Führung als Schlüssel zur Prävention von Boreout

Die Verantwortung, Boreout zu verhindern, liegt nicht nur bei den HR-Abteilungen oder individuellen Coaching-Maßnahmen. Es braucht eine Führungskultur, die bewusst darauf achtet, dass Aufgaben an die Kompetenzen der Mitarbeitenden angepasst sind und Perspektiven eröffnet werden. Emotionale Intelligenz sollte dabei ein zentrales Führungsinstrument sein. „In unseren Weiterbildungen erleben viele Führungskräfte erstmals bewusst, wie eng das Erleben von Sinn mit Leistung zusammenhängt und wie entscheidend die eigene Haltung dabei ist“, erklärt Thiele.

Führungskräfte können Boreout durch gezielte Maßnahmen entgegenwirken. Dazu gehören unter anderem die dynamische Gestaltung von Aufgabenprofilen, regelmäßige Entwicklungsgespräche und die bewusste Verlagerung von Verantwortung in motivierende Kontexte. Durch diese Maßnahmen wird nicht nur das individuelle Engagement gesteigert, sondern auch die gesamte Unternehmenskultur nachhaltig gestärkt.

Boreout als Herausforderung für die Unternehmenskultur

Unternehmen, die Boreout als Randphänomen abtun, laufen Gefahr, wichtige Potenziale zu verlieren – und das meist in einer stillen, aber dennoch gravierenden Weise. Eine moderne Führungskultur misst Leistung nicht nur an der Aktivität, sondern an der Wirkung, der Initiative und dem Engagement der Mitarbeitenden. „Wer Unterforderung als Luxusproblem abtut, verkennt ihre strategische Sprengkraft“, warnt Thiele. Boreout ist nicht nur ein individuelles Problem, sondern ein Alarmsignal für die Führungsebene.

Die Auseinandersetzung mit Boreout ist daher von zentraler Bedeutung. Wenn Unternehmen die Ursachen und Auswirkungen ernst nehmen, erhalten sie nicht nur die Chance, eine gesundere und produktivere Arbeitsumgebung zu schaffen, sondern können auch ihre Unternehmenskultur zukunftsfähig weiterentwickeln.

Pauline Dornig

Pauline

Dornig

Online-Redakteurin

IT Verlag GmbH

Pauline Dornig verstärkt seit Mai 2020 das Team des IT Verlags als Online-Redakteurin. (pd)
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