Die Bedeutung von SLAs: Buchstabieren Sie bitte Totalausfall

So antwortete ein indischer Call Center-Mitarbeiter, der für die IT-Wartung einer Produktionsanlage eines deutschen Automobilherstellers zuständig war, als der Verantwortliche, dessen komplette Anlage still stand, anrief und dringend Hilfe brauchte.

Es ist also nicht verwunderlich, dass Outsourcing von IT-Betrieb die Gemüter aufgrund viel schlechter Erfahrungen hochkochen lässt. Offshoring, wie bei diesem Fall in Indien, kann besonders viele Probleme bereiten, aber auch beim inländischen Outsourcing ist ein solch betriebswirtschaftlicher Super-GAU nicht unmöglich. Doch man sollte das Kind nicht vorschnell mit dem Bade ausschütten, sondern das betriebswirtschaftliche Für und Wider von Outsourcing-Projekten genauer betrachten. Die meisten Misserfolge lassen sich nämlich auf einen zu begrenzten Blick auf die mögliche Kosteneinsparung erklären. Nicht umsonst geht es in einem Business Case um eine Zusammenschau von Kosten, Nutzen und Risiken.

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Genau das ist bei vielen Outsourcing-Projekten unterblieben. Vorrangig ist dabei eine penible Ausarbeitung der Service Level Agreements (SLAs). Das lässt sich an einem Business Case für Norsk Hydro ASA zeigen, die ihr IT Service Management outsourcen wollten. Hdyro ist ein norwegischer Aluminiumproduzent und dabei der drittgrößte derWelt.

Die Möglichkeit der Kostenersparnis von Outsourcing-Projekten hat offensichtlich dazu geführt, dass man sich vor lauter Begeisterung gar nicht mehr die Frage gestellt hat, welchen Leistungsumfang denn der bisherige Help Desk oder die hauseigene IT-Abteilung erbracht hat. Durch die Fokussierung auf die Kosten, geriet die Leistung aus dem Blick und sie fiel erst dann wieder
auf, als sie nicht erbracht wurde.

Outsourcing des IT-Betriebs kann erfolgreich verlaufen, wenn man nicht allein die Kosten, sondern vielmehr das Verhältnis von Kosten und Leistung betrachtet. Diese Selbstverständlichkeit leuchtet im Grunde jedem ein, aber da sie in der Umsetzung sehr arbeitsintensiv ist, wird sie dennoch häufig ausgelassen. Schlimmstenfalls ist schlichtweg anhand von Stundenlöhnen entschieden
worden und Kosten wie etwa vorhandene Infrastruktur wurden nicht mehr berücksichtigt. Es sindmehrere Projekte, unter massiven Kosten, wieder zurückverlagert worden, weil sie die zu erbringende Leistung des IT-Betriebs nicht ausreichend berücksichtigt und zu den Kosten ins Verhältnis gesetzt hatten.

„Managemymess for less“ bringt die Motivation vieler Unternehmen, beim IT-Betrieb auf externe Dienstleister zu setzen, auf den Punkt. Diese Aussage setzt aber voraus, dass man weiß, wie hoch die derzeitigen internen Kosten des IT-Betriebs sind. Da die Kostenstrukturen innerhalb der Unternehmen jedoch so verschlungen sind, meidet man häufig die Mühe, die tatsächlichen Kosten und Leistungen der aktuellen Lösung ebenfalls zu quantifizieren. Das Rechnungswesen kann die aktuellen Zahlen aufgrund von Abgrenzungsproblematiken und verursachergerechter Zuordnung nicht so einfach vorlegen. Dabei muss man ja keinem erklären, dass Kosteneinsparung immer den Vergleich zu bisherigen höheren Kosten impliziert.

SLAs als Bindeglied

Das Bindeglied zwischen Kosten und Leistung sind die Service Level Agreements. Das Versäumnis verlässliche SLA zu definieren, ist ein Fallstrick für jedes Outsourcing-Projekt. Ohne eine klare Auflistung der Leistung kann es keine genaue Kostenabschätzung geben. Diese Definitionen können etwa so lauten: Reparatur der Produktionsanlagen-IT in vier Stunden. Updates der Mitarbeiter-Notebooks wöchentlich. Verfügbarkeit des Firmenservers bei 98 Prozent. Es muss für jede Applikation, beispielsweise Email, Security, SAP entschieden, wie schnell bei einem Ausfall auf eine Störung reagiert werden und wie schnell der Fehler behoben werden muss.

Damit wird auch entschieden, was oberste Priorität hat und wie viel Wert ihr beigemessen wird. So muss etwa eine Produktionsanlage an oberster Stelle stehen und um eine Zeit- und Qualitätsvereinbarung präzisiert werden. Eine Serviceverfügbarkeit, die rund um die Uhr besteht, ist für solch einen Fall notwendig, wenn es umdie Notebooks der Mitarbeiter geht, reicht hingegen eine Verfügbarkeit, die sich auf werktags zwischen 8 und 17 Uhr beschränkt.

Bestenfalls wird in den SLAs auch definiert, ob nur tatsächliche Störungen oder auch Leistungsabfall berücksichtigt werden und bei wie viel Prozent Einschränkung er innerhalb welches Zeitraumes behoben werden muss. So kann zum Beispiel ein Server funktionieren, doch sehr langsam sein, was zu ähnlichen Betriebseinbußen führen kann wie sein kompletter Ausfall. Hier müsste also festgelegt werden, dass die Downloadgeschwindigkeit des Servers bei mindestens 54 MB/s liegen muss und bei einem Abfall von 20 Prozent als Störung gilt, deren Behebung innerhalb von 12 Stunden erfolgen muss oder aber mit einem entsprechenden Eurobetrag zu vergelten ist.


Fehlende oder unzureichende Service Level Agreements können gleich mehrere negative Auswirkungen haben:

  • Keine ausgewogene Gegenüberstellung von Kosten und Leistung.
    Damit fehlt der wichtigste Punkt, um sich betriebswirtschaftlich fundiert für oder gegen ein Outsourcing-Projekt entscheiden zu können. Darin liegt der Misserfolg der meisten Outsourcing-Projekte begründet. Ein Business Case muss Kosten, Nutzen und Risiken gleichermaßen quantifizieren und ins Verhältnis zueinander setzen, ansonsten ist er das Papier, auf dem er geschrieben wurde, nicht wert. Genau diese Verbindung von Kosten und Nutzen hängt an den Service Level Agreements.
  • Unzufriedenheit mit den Leistungen des Anbieters, da er die Anforderungen nicht erfüllt.
    Auch wenn die Service Level Agreements nicht definiert wurden, heißt es ja nicht, dass das Unternehmen keine Erwartungen hätte, sondern nur, dass sie nicht klar kommuniziert wurden. Dazu muss eine positive und klare Formulierung gefunden werden.
  • Steigende Kosten.
    Weil ein Anbieter dann die kostenintensivste Lösung ansetzen kann, etwa die Verfügbarkeit des Services rund um die Uhr auch für Leistungen, die werktags und tagsüber ausreichen würden.


Beispiel

Im Business Case für Norsk Hydro ASA stellen wir die Kosten von aktuellem Szenario und Outsourcing-Szenario gegenüber. Für eine Kostenaufstellung müssen diverse Kostenposten über einen Zeitraumvonmindestens drei Jahren erhoben werden. Die Einzelfaktoren werden als Intervallschätzungen mit einem minimalen, wahrscheinlichsten und maximalen Wert erhoben und die Gesamtkosten werden im Finanzmodell dementsprechend, also dreispaltig, errechnet. Die einzelnen Kostenfaktoren sind die Vorfälle nicht eingehaltener Service Level Agreements, Hardware-Wartung, Betriebssysteme, Desktop Anwendungen, Netzwerk, Hosting, Email, Sicherheit und Infrastruktur.

Bild 1: Kosten eigener IT-Betrieb.

Im unternehmensinternen Szenario, in dem der IT-Betrieb von der eigenen IT-Abteilung abgedeckt wird, betragen die Gesamtkosten für das Service Management des IT-Betriebs auf drei Jahre 9,75 Millionen €, bei dem Outsourcing-Projekt lediglich 8,38 Millionen €. Diese Zahlen sind jeweils der wahrscheinlichste Wert der Intervallschätzung. Für die unternehmensinterne Lösung gibt das Finanzmodell den minimalen Wert mit 8,87 Millionen € und den maximalen mit 10,97 Millionen € an. Dank der Monte Carlo-Simulation, die alle Intervallschätzungen zu den Kostenfaktoren mit 100.000 Versuchen simuliert, lassen sich diese Schätzungen wie folgt präzisieren: mit 90 prozentíger Wahrscheinlichkeit liegen die Kosten der eigenen Lösung zwischen 9,52 Millionen € und 10,02 Millionen. € (Bild 1).

Bei der Outsourcing-Lösung sind die Werte des Finanzmodells wie folgt: Die Outsourcing-Lösung würde minimal 7,62 Millionen € kosten, am wahrscheinlichsten 8,38 Millionen € undmaximal 9,25 Millionen €. Nach der Monte Carlo-Simulation kann diese Schätzung als statistisch validiert gelten: Mit 90 prozentiger Wahrscheinlichkeit werden die Kosten der Outsourcing-Lösung zwischen 8,19 Millionen € und 8,62 Millionen € liegen (Bild 2).

Sind denn nun doch wieder allein die Kosten entscheidend? Das Outsourcing-Projekt ist offensichtlich 1,37 Millionen €
günstiger und gilt deshalb als erstrebenswert. Ja, zum Schluss entscheiden wieder die Kosten. Der wesentliche Unterschied dieser errechneten Gesamtkosten ist jedoch, dass sie dank der Service Level Agreements die Leistung bereits berücksichtigen. Die einzelnen Kostenfaktoren wurden nämlich immer in Bezug zur jeweiligen Leistung erhoben. Viele unzureichende Business Cases zu Outsourcing-Projekten haben lediglich Kosten verglichen, wie etwa Infrastruktur, Stundenlöhne und Mieten, die keinen Bezug zur Leistung des IT-Betriebs per se haben.

Bild 2: Kosten Outsourcing IT-Betrieb.

Anforderungsprofil

Was sind also die Anforderungen an ein erfolgreiches Outsourcing-Projekt? Eine betriebswirtschaftlich solide Entscheidung für oder gegen Outsourcing lässt sich nur anhand einer ausgewogenen Kosten-Nutzen-Analyse fällen. Ein solcher Business Case zeichnet sich dadurch aus, dass er die Kosten von vorneherein in Bezug auf die zu erbringende Leistung erhebt. Das gewährleisten die SLAs, die eine wichtige Schnittstelle für die Konzeption eines ausgewogenen Business Cases bilden, der Kosten, Nutzen und Risiken eines Projekts betrachtet. Ein solcher BusinessCase stellt sicher, dass sich das Outsourcing-Projekt auch tatsächlich lohnt(oder nicht). Weiterhin quantifiziert er Kosten, Nutzen und Risiken nicht allein für das Outsourcing-Projekt, sondern immer im Vergleich zur aktuellen unternehmensinternen Lösung.

Indem ein solch konzipierter Business Case die SLAs von vorneherein einfordert und nicht erst auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt, werden diese auch zu einem wichtigen Erfolgsfaktor des Projekts. Die klare Definition der Service Level Agreements ermöglicht überhaupt erst, dass man den IT-Betrieb bekommt, den man tatsächlich braucht.

Bei Outsourcing-Projekten kann es vorkommen, dass das mittlere Management oder die Projektmanager die Aufgabe der Geschäftsführung besser machen als diese selbst. Die Möglichkeit der Kosteneinsparung ist für die Geschäftsführung verführerisch, Leistungsabfall oder Kostensteigerung werden jedoch dem mittleren Management zugerechnet.

Johannes Ritter, www.solutionmatrix.de

Diesen Artikel finden Sie auch in der it management Ausgabe 6-2011.

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