Erfolgsgeheimnisse und Stolpersteine

Drei Kardinalfehler bei der ERP-Implementierung

Enterprise Resource Planning, ERP, Implementierung

Eine ERP-Implementierung ist kein Pappenstiel. In der Praxis lauern verschiedene Risiken, die den Projekterfolg gefährden können. Wer diese kennt und im Auge behält, schafft die besten Voraussetzungen dafür, dass das ERP-Projekt tatsächlich zum Erfolgsprojekt wird.

Passgenaue branchenspezifische Funktionen, ein durchdachter Implementierungsplan, eine stimmige Chemie zwischen den Projektteams: Die zentralen Faktoren erfolgreicher ERP-Einführungen sind hinreichend bekannt. Doch vorausplanen lassen sie sich kaum, zu oft kommt dem schönsten Plan die schlichte Praxis in die Quere. Und dort warten mitunter zahlreiche Hürden. Für ein erfolgreiches ERP-Projekt gilt es, die häufigsten Kardinalfehler in der Praxis zu kennen und bestmöglich zu vermeiden.

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Kardinalfehler 1: Einstufung als reines IT-Projekt

Eine ERP-Lösung ist ein IT-System – also ist es nur naheliegend, dass ihre Einführung auch ein IT-Projekt sein sollte. Ein häufiger Trugschluss, denn in der Praxis ist ein ERP-Projekt so viel mehr als das. In seinem Zentrum steht die sinnvolle Abdeckung des gesamten Geschäftsprozesses, im Idealfall über alle Fachabteilungen hinweg.

Dennoch werden für die Hauptprojektleitung einer ERP-Einführung sehr häufig eine Person aus dem IT-Bereich als Verantwortliche gewählt, und die passgenaue Abbildung der Abläufe wie gewöhnliche IT-Anfragen behandelt: Problembeschreibung durch die Fachabteilung, Umsetzung durch die IT, Präsentation des Ergebnisses. In solchen Fällen gibt es ein hohes Risiko, dass die Ergebnisse am Projektende nicht den ursprünglichen Absichten der Fachabteilungen entsprechen. Es folgen ungeplante Korrekturschleifen mit negativen Auswirkungen auf Kosten- und Zeitplan.

Um diese Problematik zu vermeiden, sollte die Hauptprojektverantwortung einer ERP-Implementierung idealerweise einer Expertin oder einem Experten aus den Fachbereichen übertragen werden. Besonders gut geeignet ist etwa das Controlling, in dem Mitarbeitende auch in ihrem regulären Tagesgeschäft bereits unterstützend für die einzelnen Fachbereiche agieren und im Idealfall sogar bereits als akzeptierte Entscheidungsträger im Unternehmen etabliert sind.

Alternativ bietet sich die Auslagerung der Projektleitung an einen externen Consultant an. Ein entscheidender Vorteil dieser Variante besteht darin, dass dieser über eine höchstmögliche Neutralität verfügt. Eine externe Projektleitung kann sich voll und ganz auf diesen Aufgabenbereich konzentrieren und hält sich nicht zurück, Probleme bei Bedarf auch direkt anzusprechen – ein Punkt, der internen Mitarbeitenden oft nicht leichtfällt.

Unabhängig von der konkreten Projektleitung ist in jedem Fall eine End-To-End-Prozesssicht entscheidend. Diese verhindert, dass Projektbeteiligte nur ihren eigenen Bereich im Blick behalten. Vielmehr muss ein umfassender Austausch stattfinden, der die Einbettung einzelner Schritte in den Gesamtgeschäftsprozess sichtbar macht, vom Einkauf über die Logistik bis hin zum Rechnungswesen. Für eine solche umfassende Sicht kann realistischerweise nicht die IT sorgen; über die dafür notwendige Kompetenz und Erfahrung verfügen die Fachbereiche.

Kardinalfehler 2: Unzureichende Ressourcen

Angebotserstellung, Auftragsbearbeitung, Rechnungsstellung – eigentlich ist die Arbeitsweise von Unternehmen immer recht ähnlich. Die entsprechenden Prozesse in einer ERP-Lösung abzubilden, kann demnach nicht so schwer sein – oder doch?

Tatsächlich unterschätzen Unternehmen sehr häufig den Aufwand, den eine ERP-Implementierung in der Praxis mit sich bringt. Sowohl der Zeitaufwand, den Key-User in das Projekt investieren müssen, als auch die Einarbeitung der Mitarbeitenden in das neue System werden vorab oft zu knapp kalkuliert. Eine Faustregel besagt, dass ein eintägiger Workshop durch einen externen Consultant zwei bis drei Tage Zeitaufwand in Vor- und Nachbereitung für das Unternehmen erfordert.

Die zentrale Herausforderung liegt dabei darin, eine sinnvolle Balance zwischen Tagesgeschäft und ERP-Projekt zu finden. In vielen Fällen wird dem Tagesgeschäft die deutlich höhere Priorität beigemessen. Während dies aus Unternehmenssicht verständlich ist, finden die zuständigen Mitarbeitenden im Alltag dann oft kaum Gelegenheit, sich mit Projektaufgaben zu beschäftigen. Der vorgegebene Zeitplan gerät ins Wanken.
Es gilt, erforderliche Zeitaufwände und verfügbare Ressourcen von Anfang an kritisch zu hinterfragen und im Zweifelsfall eher pessimistisch als optimistisch zu beurteilen. Auf dieser Basis müssen zentrale Mitarbeitende entlastet werden, um sich parallel zu ihren täglichen Aufgaben auch um ihre Verantwortlichkeiten im ERP-Projekt kümmern zu können.

Um Aufwände nicht unnötig aufzublähen und Ressourcen zu schonen, sollten Unternehmen bei den gewünschten Funktionen der neuen Lösung klar zwischen „Must-Haves“ und „Nice-to-Haves“ unterscheiden. Während erstere für die reibungslose Bearbeitung des Geschäftsprozesses unerlässlich sind, bieten letztere mehr Komfort oder vereinfachen Abläufe. Der Fokus im Projekt sollte zunächst ausschließlich auf die Must-Haves gelegt werden. Alle anderen Anregungen hingegen lassen sich in einem Themenspeicher sammeln, der im Anschluss an das Projekt Schritt für Schritt abgearbeitet wird. Das schont die verfügbaren Ressourcen.

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Kardinalfehler 3: Mangelnde Unterstützung und Akzeptanz der Nutzer

„Warum brauchen wir überhaupt ein neues ERP-System? Bislang haben wir doch wunderbar mit dem alten System gearbeitet!“ Ein Einwand, der in nahezu jedem ERP-Projekt geäußert wird. Ein Problem ergibt sich hieraus vor allem, wenn die Ablehnung über längere Zeiträume anhält und sich daraus schließlich ein genereller Widerstand gegenüber der neuen Lösung entwickelt. In der Folge wird dann häufig nur noch über das System an sich diskutiert, das Miteinander in den Projektteams geht verloren, Aufgaben werden nicht mehr zur geplanten Deadline erledigt. Im schlimmsten Fall kommt das Projekt vollständig zum Erliegen.

Die Gründe für eine solche Entwicklung sind vielfältig: Mitarbeitende sind ihre bekannten Prozesse gewohnt, Veränderungen fallen schwer. Auch eine unzureichende Schulung kann zu Überforderung und damit einer Ablehnung gegenüber der neuen Lösung führen. In ähnlicher Weise kann sich unter den Key-Usern Widerstand bilden, falls diese vom Projektaufwand überlastet werden. Schließlich stellt auch das Preisgeben von Wissen in der Praxis oft ein großes Hindernis dar. Nicht selten zögern Mitarbeitende, Prozesse offenzulegen, da sie sich nicht „in die Karten schauen“ lassen wollen oder das Risiko sehen, ersetzbar zu werden.

Entsprechend ist es in Projekten entscheidend, vor allem auch die menschlichen Komponenten zu berücksichtigen. Es gilt, die involvierten Personen zu jedem Zeitpunkt mitzunehmen, vom Key-User bis hin zu den Mitarbeitenden, die das System zukünftig im Tagesgeschäft nutzen werden. Dazu sollten die Ziele der ERP-Einführung von Anfang an klar vom Management kommuniziert werden, um Mehrwerte aufzuzeigen und dem Projekt die erforderliche Autorität und Legitimität zu verschaffen.

Gerade Key-User sollten von Anfang an aktiv im neuen System arbeiten, um Erfahrung mit der neuen Lösung zu sammeln und Routine in den künftigen Abläufen zu gewinnen. Sie sind die Vermittler des künftigen Systems in ihren Abteilungen. Aus diesem Grund ist es absolut entscheidend, sie vom Prozess und von der neuen Lösung zu überzeugen.

Den Blick von außen nutzen

Eine ERP-Implementierung ist kein Pappenstiel – gerade wer wenig Erfahrung in der Planung und Realisierung entsprechender Projekte hat, sollte daher nicht zögern, bei Bedarf auf externes Know-how zurückzugreifen und damit auch von der Sichtweise Außenstehender zu profitieren. Dabei können etwa ein Implementierungspartner oder spezialisierte ERP-Consultants helfen, die auf Basis ihrer Erfahrung verbreitete Fallstricke kennen und auch sich anbahnende Fehlentwicklungen in vielen Fällen frühzeitig erkennen.

Durch eine realistische Planung und transparente Umsetzung schaffen Unternehmen die besten Voraussetzungen, um so bald wie möglich von der neuen ERP-Lösung zu profitieren – ohne unerwartete Prozessbrüche, im Rahmen des veranschlagten Budgets und mit voller Unterstützung ihrer Mitarbeitenden.

Christian Reiter-Kofler BE-terna
Christian Reiter-Kofler BE-terna

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Reiter-Kofler

BE-terna -

Business Line Manager

Christian Reiter-Kofler ist Business Line Manager bei BE-terna und auf die Bereiche Finanz- und Lieferkettenmanagement spezialisiert.
Christian Rothner BE-terna
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Rothner

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Business Development Manager

Christian Rothner ist Business Development Manager bei BE-terna und Spezialist für diskrete Fertigungsunternehmen.
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