E-Commerce ist weiter auf dem Vormarsch und die Entwicklungen in der noch jungen Branche sind insbesondere im B2B-Bereich rasant. Welchen Einfluss nehmen Technologietrends wie KI und Voice Search? Carsten Kraus, Geschäftsführer der Omikron Data Quality GmbH, wirft einen Blick auf die Entwicklungen und Veränderungen, die das Jahr 2020 für Onliner mit sich bringen wird.
Adaptive Pricing und Lagervorhersagen: Künftig verhandelt die Maschine
Künstliche Intelligenz (KI) ist eine Querschnittstechnologie und – ähnlich wie in vergangenen Jahrhunderten die Elektrizität oder das Internet – wird sie Wirtschaft, Privatleben und so letztlich die ganze Gesellschaft verändern. Diese Veränderung vollzieht sich schneller als prognostiziert und betrifft jedes Unternehmen. In den Ein- und Verkaufsabteilungen von Unternehmen finden KI-Verfahren bereits heute ein breites Anwendungsspektrum. Das gilt beispielsweise für Lager-Vorhersagen, die sich mit Hilfe von KI besser treffen lassen als mit traditionellen Verfahren. Im Hinblick auf den Vertrieb ist etwa Adaptive Pricing realisierbar – eine Maßnahme, die insbesondere für B2B-Unternehmen relevant ist, um präzisere Preise je Kunden individuell zu ermitteln. Wenn bereits viele Interaktionen mit dem Kunden vorliegen, kann eine KI beurteilen, wie preisflexibel dieser ist oder ob es andere Faktoren gibt, die für genau diesen Käufer relevanter sind. Ein Ergebnis könnte sein, dass bestimmten Kunden höhere Gewährleistungen für einen passenden Preis erfolgreich angeboten werden.
B2C-Voice-Commerce hat 2020 keinen Durchbruch
Im vergangenen Jahr gab es in über zehn Prozent der Haushalte in Deutschland einen Voice-Assistenten wie beispielsweise Alexa. 33 Prozent der Deutschen haben diese Technik schon genutzt, um sich über das Wetter, die Fußball-Ergebnisse oder auch über Öffnungszeiten von Restaurants und Shops zu informieren. Allerdings wird selten auf diese Weise bestellt und gekauft. Denn über den Voice-Kanal können immer nur nacheinander Informationen gesendet und aufgenommen werden, Vergleiche – etwa zwischen zwei ähnlichen Produkten – brauchen jedoch das nebeneinander. Zudem gibt es keine sinnliche Unterstützung für den Kaufprozess wie Bilder, Videos oder auch das Layout einer Shopseite. Kurzgefasst: Voice ist sequentiell, Choice ist parallel, und deshalb wird Voice-Commerce den Onlineshop vorerst nicht ersetzen können. Damit Voice-Commerce dem Onlineshop tatsächlich gefährlich würde, bräuchte es einen Rückkanal wie eine AR-Brille, einen eingebauten Bildschirm oder vielleicht einfach das Smartphone. Bis diese Devices jedoch sinnvoll verknüpft sind, wird der Shopping-Basket von Alexa häufig noch leer bleiben.
KI ist kurzfristig wichtigster Faktor für gesteigerten Abverkauf im B2B
Künstliche Intelligenz (KI) wird 2020 den Einkaufsvorgang in den Branchen grundlegend verändern, in denen es üblich ist, immer wieder die gleichen Produkte zu bestellen. Dies ist beispielsweise bei Food-Bestellungen von Restaurants, oder Materialbestellungen von Unternehmen aus der Produktion der Fall. Der “Predictive Basket” sagt dem Kunden künftig voraus, was er in seiner aktuellen Session kaufen will. Die KI schlägt Produkte auf Basis des historischen Kundenverhaltens sowie auf Basis des Einkaufsverhaltens anderer Kunden vor. Sie lernt den Kauf-Rhythmus kennen, adaptiert saisonale Besonderheiten und optimiert die eigenen Vorschläge auf einer immer individuelleren Ebene. Unsere Untersuchungen zeigen, dass KI-gestützte Algorithmen im E-Commerce heute schon bis zu 75 Prozent Trefferquote schaffen, der B2B-Kunde kann dadurch den Einkauf in einem Drittel der Zeit erledigen.
Der rein stationäre Handel droht endgültig ins Hintertreffen zu geraten
Die größte Stärke des E-Commerce liegt in der Erhebung von Daten. Nicht nur die Kundendaten selbst sind wertvoll, insbesondere scheinbare Zufallserhebungen wie Daten über jede kleinste Interaktion während des Verkaufsprozesses bringen in der Auswertung den eigentlich Kick für künftige Geschäftsmodelle. Diese Daten machen es möglich, den Kunden im Sinne beider Parteien zu inspirieren, automatisiert passende Vorschläge zu unterbreiten, Lager aktuell zu halten oder spezifische Preise zu definieren. Wenn der stationäre Handel nicht zurückbleiben will, muß er Daten erheben und in KI-Expertise investieren. Nur so kann er sein strategisches Hintertreffen den E-Commerce-Mitbewerbern gegenüber annähernd ausgleichen.