Der Traum vom CO2-absorbierenden Rechenzentrum

Die Digitalisierung grüner machen

Mit der Digitalisierung steigt der Bedarf an Rechenzentrumsleistung kontinuierlich an – und damit auch der Stromverbrauch und Kohlenstoffdioxid (CO2)-Ausstoß. Gleichzeitig stehen wir vor der globalen Herausforderung, den Klimawandel aufzuhalten. Wie lässt sich das miteinander vereinen?

Das nordfriesische Unternehmen Windcloud verfolgt die Vision eines CO2-absorbierenden Rechenzentrums. Die Carrier-Netzwerk-Spezialisten von Axians Networks & Solutions sorgen bei dem Vorhaben, ein nachhaltiges Rechenzentrum zu schaffen für die Sicherheit und die passende Architektur.

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Laut einer Studie des Borderstep Institut benötigten Server und Rechenzentren in Deutschland im Jahr 2018 bereits 14 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom – das waren sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Bis 2025 werden es voraussichtlich schon 18 Milliarden kWh pro Jahr sein. Dabei werden in Deutschland allein durch das Surfen im Internet pro Tag rund 69.000 Tonnen CO2 produziert. Wie kann man da noch guten Gewissens in die digitale Zukunft voranschreiten? Diese Frage stellte sich das nordfriesische Startup Windcloud und entwickelte das erste CO2-neutrale Rechenzentrum Deutschlands. Es befindet sich auf dem GreenTEC Campus in Enge-Sande und wird ausschließlich aus regenerativen Energiequellen gespeist, vorwiegend aus den naheliegenden Windkraftanlagen. Die Abwärme wird für nachhaltige Projekte genutzt: Auf dem Dach des Gebäudes betreibt der Partner NovaGreen eine 230 Quadratmeter große Algenfarm, die CO2 abbaut. Aus seinem grünen Rechenzentrum bietet Windcloud hochmoderne und nachhaltige Cloud-Produkte im Bereich Storage und Virtualisierung, Colocation sowie Managed-Kubernetes-Lösungen an.

„Unsere Vision ist eine CO2-freie Zukunft digitaler Infrastrukturen“, erklärt Wilfried Ritter, Gründer und Geschäftsführer von Windcloud. „Wir streben an, das grüne Cloud-Rückgrat der deutschen und europäischen Industrie 4.0 & Industrial IoT zu werden.“ Den Standort Enge-Sande in Nordfriesland hat das Startup ganz bewusst gewählt. Denn in der sonst strukturschwachen Region gibt es Windenergie im Überfluss. Durch den weitgehend umlagebefreiten Erwerb direkt beim Erzeuger kann Windcloud im Vergleich zum Branchendurchschnitt einen Großteil der Kosten sparen. Auch davon profitieren die Kunden langfristig.

Große Pläne erfordern spezialisiertes Netzwerk-Know-how

Bereits frühzeitig holte Windcloud die Netzwerkspezialisten von Axians mit an Bord. Wilfried Ritter erklärt: „Ein Distributor hat uns Axians empfohlen. Da das Unternehmen eine Dependance in Hamburg hat, konnten wir einfach einmal vorbeigehen und uns zusammensetzen. Schnell war klar, dass wir zusammenarbeiten wollten.“ Axians ist unter anderem hochspezialisiert auf den Carrier- und Service-Provider-Bereich. Die Experten beraten und betreuen Kunden in ganz Deutschland beim Aufbau von IP- und optischen Netzen im großen Stil.

Windcloud beauftragte Axians zunächst damit, ein Schutzsystem gegen DDoS-Angriffe (Distributed Denial of Service) zu implementieren und die bestehende Architektur skalierbar zu machen. Denn bis 2030 plant Windcloud, Rechenzentren in ganz Norddeutschland anzusiedeln, die einer heutigen 300-Megawatt-Rechenleistung entsprechen. Für deren Aufbau hat das Unternehmen bereits ehemalige Bundeswehranlagen und Gewerbeflächen an drei Standorten in Nordfriesland an der Westküste Schleswig-Holsteins erworben. Gefragt ist eine Netzwerkarchitektur, die Wachstum ermöglicht und dabei Verfügbarkeit sowie Performance sicherstellt.

Schutz vor DDoS-Angriffen als erste Etappe

Nach einem Kick-off-Meeting im Oktober 2019 begann Axians mit der Implementierung der DDoS-Mitigation. Diese ist für einen sicheren, hochverfügbaren Rechenzentrumsbetrieb unverzichtbar, denn DDoS-Angriffe erzeugen durch riesige Datenströme eine Überlast auf IP-Adressen, Netzwerken und Servern, sodass Dienste nicht mehr erreichbar sind. Systeme zum Schutz vor solchen Attacken prüfen den eingehenden Datenverkehr und erkennen anhand von Mustern, ob etwas auf einen DDoS-Angriff hindeutet. Traffic, den sie als gefährlich identifizieren, leiten sie um, sodass er das Rechenzentrum gar nicht erst erreicht. Axians und Windcloud entschieden sich für eine Lösung von Corero Network Security, einem führenden Anbieter in diesem Bereich. Die Netzwerkspezialisten konfigurierten das System für die Bedürfnisse von Windcloud und nahmen es in Betrieb. „Der DDoS-Schutz ist für unsere Kunden sehr wichtig und ein zentrales Security-Thema. Deshalb wollten wir ihn zuerst umsetzen“, erklärt Stephan Sladek, CTO bei Windcloud. „Jetzt können wir damit werben, dass wir auch als kleiner, neuer Anbieter dieselbe Technologie einsetzen wie große Rechenzentren.“ 

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Die Netzwerkinfrastruktur fit für die Zukunft machen

Anschließend ging es an die Entwicklung des neuen Architekturkonzepts. Bisher nutzte Windcloud das Routing seines Carriers GlobalConnect. Künftig will das Startup eine eigene Routing-Infrastruktur aufbauen, um unabhängig zu sein und die Verfügbarkeit sowie Performance zu sichern. Durch die Zusammenarbeit mit mehreren Anbietern, können Lasten optimal verteilt werden. Falls außerdem einmal ein Provider ausfällt, kann ein anderer nahtlos übernehmen. Auch Kostenvorteile verschiedener Anbieter lassen sich so nutzen. Eine besondere Herausforderung war, dass Windcloud durch den abgelegenen Standort in Nordfriesland weit entfernt von den großen Backbones ist. Das macht die Architektur komplex. Jan Peter Schneider, Account Manager bei Axians, erklärt: „Die Anbindung geht ja über viele verschiedene Wege und Internetanbieter. Sie alle müssen die Möglichkeit haben, sich mit dem Rechenzentrum zu verbinden. Dabei sollte das Netz-Konzept so aufgebaut sein, dass Latenzen möglichst gering gehalten werden.“ Axians plante die Architektur entsprechend und unterstützte bei den Gesprächen mit den Carriern. Bei der Hardware entschied man sich für zwei Router von Juniper Networks. Jetzt steht die Umsetzung des Konzepts und die Einrichtung der Router an. Sie sind Dreh- und Angelpunkt der Konnektivität und müssen so konfiguriert werden, dass sie hunderttausende von IP-Adressen managen und Traffic auf dem schnellsten Weg durch die verschiedenen Netze leiten können.

Schritt für Schritt von der Vision zur Realität

Seit Projektbeginn setzen sich Axians und Windcloud alle fünf bis sechs Wochen zusammen, um die nächsten Schritte zu besprechen. Gemeinsam bringen sie den Auf- und Ausbau der grünen Rechenzentren voran, sodass Windcloud noch mehr Kunden ansprechen kann. Stephan Sladek lobt die Zusammenarbeit: „Es hätte nicht besser laufen können. Axians ist immer sehr proaktiv und steht uns mit Rat und Tat zur Seite. Besonders angenehm ist, dass wir einen festen Ansprechpartner haben, der für uns da ist und das Projekt steuert.“  

Bereits im vergangenen Jahr hat sich der Kundenkreis von Windcloud deutlich erweitert. Neben Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und grünen Unternehmen im regionalen Umfeld gehören mittlerweile auch kleinere und mittlere Unternehmen (KMU), Energieversorger und Institutionen der öffentlichen Hand aus ganz Deutschland dazu. Mit dem DDoS-Schutz, dem Redundanzkonzept und der unabhängigen Routing-Infrastruktur sind wichtige Grundsteine für die weitere Expansion gelegt. Indem Windcloud das CO2-neutrale Rechenzentrum verwirklicht, zeigt das Startup, wie man Digitalisierung und Klimaschutz vereinen kann. Neben einem guten Gewissen haben Kunden langfristig auch einen finanziellen Vorteil: Sie müssen weniger CO2-Abgabe zahlen und profitieren von günstig eingekauftem Ökostrom.

Regina Groß, freie Redakteurin aus München

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