Steigende Cloud-Rechnungen sorgen zunehmend für Gegenwind. Für 2025 wird in Deutschland laut Analysten ein Public-Cloud-Umsatz von rund 34,68 Milliarden Euro erwartet.
In der Folge hinterfragen viele IT-Verantwortliche ihre Setups: Alles in der Cloud lassen, Teile zurückholen oder komplett aussteigen? Gleichzeitig wächst der Druck, Innovation, Ausfallsicherheit und Datenschutz mit klarer Budgetdisziplin zu vereinen. Immer häufiger auf der Agenda: die Rückverlagerung bestimmter Workloads in eigene Infrastrukturen.
In vielen Unternehmen sind Cloud-Umgebungen organisch gewachsen: erst einzelne Workloads, dann ganze Applikationslandschaften, ergänzt durch Managed Services und SaaS. Diese schrittweise Erweiterung mit unterschiedlichen Hyperscalern hat Geschwindigkeit und Skalierung ermöglicht, zugleich aber Abhängigkeiten, Kostenkomplexität und Fragmentierung erhöht. Genau an diesem Punkt rückt digitale Souveränität in den Fokus: Wer seine Architektur steuern, Datenpfade kontrollieren und Compliance verlässlich sicherstellen will, muss die Balance zwischen Public Cloud und eigener Infrastruktur neu justieren.
Kompromiss zwischen Kosten, Kontrolle und Tempo
Die starke Abhängigkeit von wenigen, zumeist nicht-europäischen Anbietern wirft grundlegende Fragen auf: Wie bleibt die Kontrolle über sensible Daten gewährleistet? Wie planbar sind die Betriebskosten über Jahre? Lässt sich die Einhaltung europäischer Datenschutzvorgaben langfristig garantieren? Organisationen müssen technologische Unabhängigkeit bewahren und gleichzeitig geopolitische Risiken, regulatorische Anforderungen sowie den Schutz geschäftskritischer Informationen berücksichtigen. Wer heute Infrastrukturentscheidungen trifft, steht in der Verantwortung, den Betrieb auch in Krisen stabil und steuerbar zu halten. Vor diesem Hintergrund kursieren Begriffe wie Cloud-Repatriierung, Rückführung und Cloud-Exit.
Repatriierung als gezielte Portfolio-Optimierung
Unter Cloud-Repatriierung versteht man die selektive Verlagerung bestimmter Anwendungen aus der Public Cloud in eigene Rechenzentren oder Private-Cloud-Umgebungen. Dabei handelt es sich oft um die bewusste Feinjustierung entlang von Kosten, Performance, Kontrolle und Compliance. Das Ziel: Jede Anwendung läuft dort, wo sie am besten aufgehoben ist.
Ein häufiges Motiv für Rückführungen sind die Gesamtbetriebskosten. Denn wenn bei scheinbar flexiblen und skalierbaren Modellen die Governance fehlt und sich ungenutzte Ressourcen, fehlende Optimierung sowie schwer kalkulierbare Ausstiegsgebühren addieren, kann es teuer werden.
Alternative Cloud-Exit
Trotz berechtigter Kritik ist ein radikaler Cloud-Exit selten sinnvoll. Er birgt hohe technische, organisatorische und finanzielle Hürden. Der Neuaufbau eigener Kapazitäten ist kapitalintensiv, bindet Personal und entzieht IT-Teams Zeit für Innovation. Zudem entfallen Vorteile, die große Cloudanbieter mitbringen: hohe Verfügbarkeit, globale Skalierung sowie automatisierte Sicherheits- und Update-Prozesse.
Auch in puncto Compliance leisten Cloud-Anbieter substanzielle Vorarbeit – etwa durch Zertifizierungen und standardisierte Kontrollen. Wird die Verantwortung vollständig zurückverlagert, steigen Aufwand und Risiko. Hinzu kommt, dass große Datenmengen, komplexe Abhängigkeiten und Übergangsphasen Ausfallrisiken bergen. 2024 verfehlten laut Studien rund drei Viertel der Repatriierungsprojekte die erwarteten Einsparungen innerhalb von 18 Monaten. Die Ursache lag oft in unterschätzter Komplexität und unzureichender Vorbereitung.
On-Prem als Innovationsbremse?
Ein ausschließlich lokaler Ansatz birgt die Gefahr, den Fortschritt auszubremsen. Denn Public-Cloud-Plattformen sind nicht nur Infrastruktur, sondern auch ein Motor für Innovationen. Moderne Workloads wie KI-Anwendungen, Microservices oder API-getriebene Integrationen sind cloud-nativ konzipiert und benötigen die dort verfügbare Elastizität. Wer trotzdem ausschließlich auf On-Premises setzt, riskiert Tempoverluste in Transformationsprojekten.
Zudem stellt sich die Frage nach internem Know-how: Lässt sich der sichere, performante Betrieb klassischer Infrastrukturen mit eigenen Teams dauerhaft gewährleisten? Die Rückkehr zu Legacy-Stacks bindet Expertinnen und Experten, die in anderen Innovationsfeldern oft dringender gebraucht werden.
Statt eines radikalen Abbaus der Cloud-Infrastruktur empfiehlt sich ein strukturierter, bimodaler Ansatz. Workloads sollten dort betrieben werden, wo sie technisch, wirtschaftlich und regulatorisch am besten aufgehoben sind. Für geschäftskritische Kommunikationskanäle wie E-Mail, Fax oder SMS bietet die Cloud klare Vorteile: hohe Verfügbarkeit, elastische Skalierung, umfangreiche Zertifizierungen sowie eine schnelle Anbindung an bestehende Systeme.
Fazit: Souverän ist, wer wählen kann
Cloud-Repatriierung ist kein Rückschritt, sondern Ausdruck strategischer Reife – vorausgesetzt, sie erfolgt gezielt, begründet und eingebettet in eine ganzheitliche Architektur. Die Leitfrage lautet weniger „Cloud: ja oder nein?“, sondern „Welche Umgebung ist für welchen Zweck optimal?“. Organisationen, die diesen Kurs konsequent verfolgen, erhöhen ihre Kostenkontrolle, stärken ihre Compliance-Fähigkeit und sichern sich langfristig die nötige Handlungsfreiheit. Entscheidend ist Flexibilität, nicht Verzicht.