Deutsche verbringen immer mehr Zeit im Sitzen – mit fatalen Folgen für die Gesundheit. Experten warnen vor einer “stillen Epidemie” und empfehlen das 45-10-5-Prinzip.
Die Deutschen sitzen durchschnittlich über zehn Stunden täglich – und diese Zeit wird sogar noch länger. Das geht aus einer aktuellen Studie der Deutschen Krankenversicherung (DKV) hervor, deren Ergebnisse durch eine Analyse der Deutschen Sporthochschule Köln bestätigt werden. “Der Trend zu langen Sitzzeiten zeigt bislang keine Anzeichen einer Umkehr”, warnt Prof. Ingo Froböse vom Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention.
Junge Erwachsene führen das Negativ-Ranking an
Prekär ist die Situation gerade bei 18- bis 29-Jährigen: Sie sitzen täglich über elf Stunden, davon allein 289 Minuten am Arbeitsplatz. Aber auch Senioren über 66 Jahre zeigen bedenkliche Werte: 204 Minuten vor dem Fernseher, 112 Minuten am Computer oder Tablet und weitere 102 Minuten anderweitig sitzend.
Die Verteilung zeigt deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Männer sitzen primär berufsbedingt länger, während Frauen ihre Sitzzeit häufiger in der Freizeit akkumulieren. Bei der täglichen Gesamtverteilung entfallen etwa:
- 80 Minuten auf Mobilität (Auto, ÖPNV)
- 210 Minuten auf Büroarbeit
- 150 Minuten auf TV-Konsum
- 90 Minuten auf Computer/Tablet-Nutzung
Gesundheitsrisiken: Von Diabetes bis Depression
Die medizinischen Konsequenzen sind gravierend. Langes Sitzen erhöht nachweislich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 und andere chronische Leiden. Zusätzlich leiden psychische Gesundheit und Lebensqualität erheblich unter der Bewegungsarmut.
Das 45-10-5-Prinzip als Lösungsansatz
Froböse empfiehlt das wissenschaftlich fundierte 45-10-5-Prinzip: Pro Arbeitsstunde maximal 45 Minuten sitzen, 10 Minuten stehen und 5 Minuten aktiv bewegen. “Schon kleine Änderungen können einen spürbaren Unterschied machen”, betont der Experte.
Praktische Umsetzung im Büroalltag
Hardware-Lösungen:
- Höhenverstellbare Schreibtische nutzen
- Drucker und Papierkorb bewusst entfernt platzieren
- Stehtische für Telefonate und Meetings
Verhaltensänderungen:
- Alle 60 Minuten 3-5 Minuten Bewegungspause
- Treppe statt Aufzug
- Eine ÖPNV-Station früher aussteigen
- Wasserflasche nicht komplett füllen (mehr Wege zum Wasserspender)
Micro-Workouts für Wartezeiten
Selbst kurze Unterbrechungen lassen sich nutzen: Schulterkreisen beim Warten auf den Kaffee, Beinwippen während des Kochens oder bewusstes Dehnen in der Mittagspause. “Diese Mini-Übungen summieren sich über den Tag zu einem relevanten Aktivitätsbonus”, erklärt Froböse.
Feierabend-Strategie gegen Bewegungsmangel
Nach Büroschluss empfiehlt der Sportwissenschaftler gezielten Ausgleichssport: Schwimmen, Joggen oder spezifisches Rücken- und Bauchtraining können die Folgen stundenlanges Sitzens kompensieren. Schon ein 15-minütiger Spaziergang oder eine lockere Radtour aktivieren den Stoffwechsel und verbessern die Regeneration.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache – Deutschland sitzt sich krank. Ohne aktive Gegenmaßnahmen droht eine weitere Verschärfung der Situation. Das 45-10-5-Prinzip bietet einen wissenschaftlich fundierten Rahmen, um den negativen Folgen entgegenzuwirken. Entscheidend ist die konsequente Umsetzung im Alltag – auch wenn sie zunächst ungewohnt erscheint.