Die Bundesregierung rudert bei ihren Versprechen an die Startup-Szene zurück. Zwei Gesetzentwürfe, die das Bundeskabinett kommende Woche verabschieden will, erschweren jungen Technologieunternehmen den Zugang zu öffentlichen Aufträgen erheblich – entgegen den Zusagen im Koalitionsvertrag.
Im Koalitionsvertrag hatte die Ampel-Regierung noch konkrete Erleichterungen für Startups angekündigt: Direktaufträge bis 100.000 Euro sollten in den ersten vier Jahren nach Gründung möglich werden, wenn es um innovative Produkte oder Dienstleistungen geht. Zudem sollte das geplante Tariftreuegesetz in diesen Fällen nicht greifen.
Von beiden Ausnahmen findet sich jedoch in den aktuellen Entwürfen zum Vergabebeschleunigungsgesetz und dem Bundestariftreuegesetz keine Spur mehr. “Anstatt die angekündigten Erleichterungen umzusetzen, erhöht die Bundesregierung die Hürden für Startups”, kritisiert Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst.
Doppelter Verlust für Innovation
Die Rücknahme der geplanten Startup-Förderung schadet nach Ansicht des Digitalverbands beiden Seiten: “Damit fehlt den Verwaltungen der Zugang zu den innovativen Lösungen von Startups, gleichzeitig fehlt Tech-Startups der Staat als Ankerkunde”, so Wintergerst.
Eine aktuelle Bitkom-Umfrage unter 152 deutschen Tech-Startups unterstreicht die Bedeutung des Themas: 90 Prozent der befragten Unternehmen bezeichnen die Vereinfachung des Zugangs zu öffentlichen Aufträgen als wichtige politische Maßnahme der neuen Regierung.
Tariftreue als Digitalisierungshindernis
Nicht nur Startups sind von den geplanten Verschärfungen betroffen. Das Bundestariftreuegesetz schafft für alle Unternehmen zusätzliche bürokratische Hürden beim Nachweis der Einhaltung von Tarifvorgaben.
“Gerade in der Digitalwirtschaft sind Tarifverträge nicht üblich”, erklärt Wintergerst. “Dennoch werden vielfach überdurchschnittlich gute Gehälter gezahlt.” Viele Unternehmen würden den Aufwand für den Nachweis bei öffentlichen Aufträgen scheuen und sich stattdessen auf private Kunden konzentrieren. “Das Tariftreuegesetz wird zum Hemmschuh für die Digitalisierung der Verwaltungen.”
Koalition soll nachbessern
Der Bitkom-Präsident appelliert an die Bundesregierung, noch vor dem Kabinettsbeschluss Korrekturen vorzunehmen: “Die Koalition sollte hier nachbessern und ihr Versprechen an die Startup-Szene einlösen.” Statt den Vergabeprozess zu verkomplizieren, müsse die Zusammenarbeit zwischen Startups und Verwaltungen intensiviert werden.
Die geplanten Gesetze stehen damit exemplarisch für ein größeres Problem: Während die Bundesregierung regelmäßig die Bedeutung von Innovation und Digitalisierung betont, schaffen ihre konkreten Maßnahmen oft zusätzliche Hindernisse für die Unternehmen, die diese Transformation vorantreiben sollen.