Bidirektionales Laden

E-Autos als mobiler Stromspeicher

E-Auto

Elektrofahrzeuge sind oft stundenlang ungenutzt – etwa auf dem Parkplatz während der Arbeitszeit oder in der Garage über Nacht.

Diese Zeiten könnten künftig sinnvoll genutzt werden, denn moderne E-Autos bieten mehr als nur Mobilität: Sie können zum temporären Stromspeicher werden. Das sogenannte bidirektionale Laden macht es möglich, die gespeicherte Energie im Fahrzeug bei Bedarf wieder abzugeben – zum Beispiel für den Eigenverbrauch im Haushalt oder zur Stabilisierung des Stromnetzes. Doch die Technik steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen.

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Strom aus dem Auto – mehr als nur eine Idee

Bidirektionales Laden beschreibt einen beidseitigen Stromfluss zwischen E-Auto und Stromnetz. Dabei gibt es verschiedene Anwendungsszenarien:

  • Vehicle-to-Load (V2L): Das Fahrzeug wird zur mobilen Stromquelle für Geräte – ideal beim Camping oder auf Baustellen.
  • Vehicle-to-Vehicle (V2V): Strom kann direkt von einem E-Auto auf ein anderes übertragen werden – etwa zur Starthilfe.
  • Vehicle-to-Home (V2H): Der Akku eines E-Autos speichert überschüssigen Solarstrom und versorgt abends den Haushalt.
  • Vehicle-to-Grid (V2G): Überschüssige Energie aus dem Fahrzeug wird ins öffentliche Netz eingespeist und hilft, Lastspitzen zu glätten.

Vor allem V2H und V2G gelten als zukunftsweisend, befinden sich in Deutschland aber derzeit noch im Testbetrieb.

Technik mit Hürden: Was heute bereits möglich ist

Auch wenn die Vision überzeugend klingt, erfordert bidirektionales Laden eine Reihe technischer Voraussetzungen. Nicht jedes E-Auto kann einfach Strom abgeben. Nur ausgewählte Modelle – insbesondere mit dem japanischen CHAdeMO-Standard – sind aktuell dazu fähig. Dazu zählen unter anderem der Nissan LEAF oder der Mitsubishi Outlander. In Europa ist hingegen das CCS-System (Combined Charging System) verbreiteter, das bidirektionales Laden aber erst mit Einführung der ISO-Norm 15118-20 (ab 2027) voll unterstützen wird.

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Neben dem Fahrzeug braucht es:

  • Eine geeignete DC-Wallbox, die Gleichstrom nicht nur einspeisen, sondern auch rückführen kann – inklusive intelligenter Steuerung und Kommunikation.
  • Einen Wechselrichter, der den Gleichstrom aus dem Fahrzeug in haushaltsüblichen Wechselstrom umwandelt.
  • Ein vorbereitetes Stromnetz, das die Rückspeisung technisch und sicher verkraften kann.

Diese Komponenten verursachen aktuell noch erhebliche Kosten – eine leistungsfähige bidirektionale Wallbox liegt je nach Ausstattung zwischen 4.000 und 6.000 Euro.

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Rechtlicher Nachholbedarf: Warum das Potenzial kaum genutzt wird

Obwohl rund 166.000 Fahrzeuge in Deutschland (Stand: Oktober 2024) technisch für bidirektionales Laden ausgerüstet wären, bleibt der Einsatz bisher die Ausnahme. Gründe dafür sind fehlende gesetzliche Regelungen, unklare Tarife und die mangelnde Verfügbarkeit zertifizierter Technik. Robin Zalwert vom TÜV-Verband betont, dass vor allem einheitliche Standards und regulatorische Rahmenbedingungen fehlen. Die derzeitige Doppelbesteuerung von gespeicherter Energie – beim Laden und beim Einspeisen – macht das System für viele Nutzer wirtschaftlich unattraktiv.

Immerhin: Erste Schritte sind getan. Die Förderung durch die KfW-Bank und Pilotprojekte, etwa mit Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums, zeigen, dass politischer Wille vorhanden ist. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist das Thema als Ziel verankert.

Perspektiven für Verbraucher und Energiewende

Wenn die rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Hürden überwunden werden, könnte bidirektionales Laden gleich mehrfach profitieren:

  • Stromkosten sparen: Verbraucher können günstigen Strom (z. B. aus der eigenen PV-Anlage) speichern und später nutzen.
  • Netze entlasten: Rückgespeister Strom hilft, Schwankungen im Netz auszugleichen – besonders bei hoher Nachfrage.
  • Energiewende beschleunigen: Jedes Elektroauto wird potenziell zum Baustein einer dezentralen Energieversorgung.

Voraussetzung dafür ist eine einheitliche Normung der Schnittstellen zwischen Fahrzeug, Ladeinfrastruktur und Hausnetz sowie ein angepasstes rechtliches Umfeld. Robin Zalwert bringt es auf den Punkt: „Das Elektroauto wird nicht nur zum Fortbewegungsmittel, sondern zum aktiven Element der Energiewende.“

Die Technologie des bidirektionalen Ladens ist technisch machbar, gesellschaftlich wünschenswert und politisch gewollt – doch noch nicht praxistauglich. Erst wenn regulatorische Klarheit, wirtschaftliche Anreize und marktreife Produkte zusammenkommen, kann das E-Auto sein volles Potenzial als Stromspeicher entfalten. Bis dahin bleibt es ein spannender Ausblick in eine intelligent vernetzte Energiezukunft.

Pauline Dornig

Pauline

Dornig

Online-Redakteurin

IT Verlag GmbH

Pauline Dornig verstärkt seit Mai 2020 das Team des IT Verlags als Online-Redakteurin. (pd)
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