Der digitale Fortschritt in der Energiebranche hängt nicht allein von strategischen IT-Projekten ab. Entscheidend ist auch, wie effizient die täglichen Routineprozesse gestaltet sind. Etwa Abnahmen, Netzbegehungen oder Zählerablesungen.
Obwohl diese Prozesse nicht geschäftskritisch sind, bilden sie das Fundament funktionierender Abläufe. Mit No Code lassen sich diese Vorgänge direkt dort digitalisieren, wo sie entstehen: in den Fachbereichen.
Bei den Halberstadtwerken hat sich dieser Ansatz etabliert. Mit der No-Code-Plattform smapOne erstellen Mitarbeitende eigene Anwendungen, sogenannte smaps, ganz ohne Programmierkenntnisse. Mehr als 40 dieser Prozesslösungen sind bereits unternehmensweit im Einsatz, von Netzbetrieb über Vertrieb bis zum Personalwesen. Rund 80 Mitarbeitende nutzen sie regelmäßig, 17 davon entwickeln eigenständig neue Prozesse als Citizen Developer. So wird Digitalisierung zu einem lebendigen Prozess im gesamten Unternehmen. Getragen von den Fachbereichen und begleitet von der IT, die Sicherheit, Datenschutz und Systemarchitektur verantwortet.
Vom Papierformular zum vernetzten Prozess
Wie das in der Praxis aussieht, zeigt das Beispiel der digitalen Mängelkarte im Netzbetrieb. Sie dient der Erfassung und Nachverfolgung technischer Mängel oder Störungen im Versorgungsnetz, etwa bei Baustellen, Anlagen oder Leitungen. Früher wurden Störungen auf Papier dokumentiert, fotografiert, per E-Mail verschickt und anschließend manuell weiterbearbeitet. Das war zeitaufwendig, fehleranfällig und erschwerte die Nachverfolgung von Vorgängen. Heute erfassen Monteure die Daten samt Pflichtfeldern, Fotos und Unterschrift direkt digital über die No-Code-Plattform. Die Informationen stehen sofort zentral zur Verfügung, werden automatisch an alle relevanten Stellen verteilt und revisionssicher archiviert. Medienbrüche entfallen und Prozesse laufen so durchgängig digital.
Auch andere Prozesse wie Netzanschlussdokumentationen, Photovoltaikinbetriebnahmen oder Baustellenbegehungen wurden mit smapOne digitalisiert. Über REST-APIs fließen die Daten nahtlos in bestehende Systeme und werden automatisch weiterverarbeitet. Das Ergebnis sind effiziente, transparente und nachvollziehbare Abläufe.
Smarte Compliance-Lösungen für kritische Infrastrukturen
Neben der Effizienz spielt auch Compliance eine zentrale Rolle. Als KRITIS-Unternehmen unterliegen die Halberstadtwerke strengen gesetzlichen Vorgaben wie dem BSIG oder der NIS2-Richtlinie und müssen jederzeit nachweisen können, dass diese eingehalten werden. Um diese Anforderungen systematisch zu steuern, wurde eine digitale Regelwerks- und Auditverwaltung aufgebaut, die sämtliche Normen, Richtlinien und internen Vorgaben zentral abbildet.
Gesetzesänderungen werden dokumentiert, Verantwortlichkeiten zugewiesen und Fortschritte automatisch nachverfolgt. So entsteht ein transparenter Überblick über den aktuellen Compliance-Status aller relevanten Bereiche. Prüfpfade, Nachweise und Dokumentationen sind jederzeit nachvollziehbar und revisionssicher abrufbar.
Auch die Vorbereitung auf Zertifizierungsaudits, etwa für TSM (Technisches Sicherheitsmanagement) oder ISMS (Informationssicherheitsmanagementsystem), gestaltet sich dadurch deutlich einfacher: Prüfunterlagen lassen sich zentral bereitstellen, Verantwortlichkeiten sind klar definiert und alle Prozessschritte digital dokumentiert. Das reduziert manuellen Aufwand, schafft Rechtssicherheit und sorgt für nachhaltige Qualitätssicherung im Betrieb.
Effiziente Abläufe in Vertrieb und Personalwesen
Auch in den kaufmännischen Bereichen sorgt No Code für spürbare Entlastung. So entstehen etwa im Vertrieb Angebote und Verträge vollständig digital. Alle relevanten Daten werden einmalig erfasst und automatisch weiterverarbeitet. Wo früher rund 30 Minuten für ein Angebot nötig waren, reichen heute weniger als zwei Minuten.
In der Personalabteilung laufen On- und Offboarding-Prozesse, Krankmeldungen oder interne Bestellungen über klar strukturierte smaps. Zuständigkeiten und Fristen werden automatisch gesteuert und Aufgaben transparent dokumentiert. Dadurch behalten alle Beteiligten den Überblick, Abläufe werden nachvollziehbar und Engpässe frühzeitig sichtbar. Gleichzeitig sinkt der manuelle Abstimmungsaufwand und Personalprozesse lassen sich einfacher standardisieren und prüfen.
Trotz dezentraler Umsetzung bleibt die Governance klar geregelt: Jede neue smap durchläuft ein Freigabeverfahren, in dem Datenschutz, Sicherheit und Abhängigkeiten geprüft werden. Eine zentrale Übersicht zeigt allen Beschäftigten, welche Anwendungen existieren und wer sie betreut. Dadurch behalten sowohl die IT als auch die Fachabteilungen den Überblick über das wachsende App-Portfolio, vermeiden Doppelentwicklungen und erkennen frühzeitig Optimierungspotenziale. Das Ergebnis ist ein ausgewogenes Zusammenspiel von Eigenverantwortung und Kontrolle: Die Fachbereiche können eigenständig und schnell agieren, während die IT die übergreifende Sicherheit, Datenintegrität und Systemstabilität gewährleistet.
No Code als Motor gelebter Digitalisierung
Die Erfahrungen der Halberstadtwerke zeigen: No Code ist weit mehr als eine Methode zur Digitalisierung von Formularen. Es ist ein flexibles Fundament, auf dem Prozesse wachsen und sich an neue Anforderungen anpassen lassen. Daten fließen automatisch, Schnittstellen verbinden Systeme und digitale Signaturen sorgen für Rechtssicherheit. Die Optimierung zahlreicher Routineprozesse führt dabei nicht nur zu spürbarer Entlastung im Arbeitsalltag, sondern auch zu einem klar messbaren Return on Investment der Digitalisierungsinitiative. So entsteht eine Infrastruktur, die schnell, transparent und zukunftsfähig ist. Das Ergebnis ist eine neue Form digitaler Zusammenarbeit, die Verantwortung teilt und Veränderung dauerhaft ermöglicht.