Schleppende Digitalisierung bringt Regierung in Zugzwang

Digitalisierung, digitale Transformation, digitaler Imperativ

Nach der Fundamentalkritik des Landesrechnungshofs an der in Mecklenburg-Vorpommerns Verwaltung nur schleppend voranschreitenden Digitalisierung wächst der Druck auf die Landesregierung. Wirtschaft und Opposition forderten die rot-rote Koalition auf, die eigenen Pläne endlich konsequent umzusetzen.

«Im Mai 2018, lange vor Corona, hat die damalige Landesregierung ihre Digitale Agenda für MV verkündet. Was ist davon umgesetzt? Eine schonungslose Bilanz ist notwendig. Ankündigen allein hilft nicht bei der Verwaltungsmodernisierung», betonte Sven Müller von der Vereinigung der Unternehmensverbände MV.

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Die Bestandsaufnahme des Landesrechnungshofes zum Digitalisierungsgrad in der Landesverwaltung sei ernüchternd und mache ratlos. Statt Bürokratie abzubauen, Verwaltungsvorgänge zu vereinfachen und die Vorzüge moderner Datenverarbeitungstechnik konsequent zu nutzen, sei mit dem Zentrum für Digitalisierung MV gerade eine neue Behörde geschaffen worden. «Braucht es tatsächlich noch mehr Verwaltung», fragte Müller.

In ihrem Landesfinanzbericht hatte die Prüfbehörde zum wiederholten Male erhebliche Defizite bei der Digitalisierung konstatiert, mit deren Hilfe Verwaltungsvorgänge automatisiert und für Bürger leichter nutzbar gemacht werden sollen. Es sei dramatisch, «dass das Land bei der Digitalisierung nicht in die Gänge kommt», beklagte Rechnungshof-Präsidentin Martina Johannsen. Dabei mangele es nicht am Geld, sondern vielmehr an Strategie und Konsequenz. So hätten 2021 etwa 395 Millionen Euro für Digitalisierungsmaßnahmen zur Verfügung gestanden, nur 151 Millionen seien in Anspruch genommen worden.

Kritisch bewertet wurde auch die Umsetzung des sogenannten Online-Zugangsgesetzes, nach dem schon von Ende 2022 knapp 7000 Verwaltungsleistungen digital zur Verfügung stehen und für Bürger über Portale abrufbar sein sollten. Von den 3421 Leistungen, für die das Land zuständig sei, seien erst 162 im Sinne des Gesetzes auch umgesetzt, also lediglich fünf Prozent.

Daniel Peters von der oppositionellen CDU warf der Regierung vor, die Situation schön zu reden und die Realität auszublenden. «Ganz offenkundig klaffen bei der Digitalisierung die Selbstwahrnehmung der Landesregierung und die Wirklichkeit in unserem Land meilenweit auseinander», sagte er. Da die rot-rote Koalition offenkundig überfordert sei, solle ein «Zukunftsbündnis Digitalisierung» installiert werden, dem auch Akteure der Privatwirtschaft mit hoher Digitalisierungs-Expertise und kommunale Spitzenverbände angehören. Bis zum Frühjahr solle eine Prioritätenliste für Digitalisierungsprojekte vorgelegt und dann bis zum Ende der Wahlperiode 2026 abgearbeitet werden.

Jens-Holger Schneider von der AfD-Fraktion im Landtag beklagte Missstände in der IT-Infrastruktur der Landesverwaltung. Veraltete Softwarelösungen müssten überprüft und aktualisiert werden. Zudem solle die Vergabe von IT-Dienstleistungen nach Ausschreibungen erfolgen, um sicherzustellen, dass im Sinne der Steuerzahler die kostengünstigsten Angebote den Zuschlag erhalten.

Der FDP-Abgeordnete David Wulff bezeichnete die Pläne der Regierung für eine IT-Zentralisierung der Landesverwaltung als sinnvoll, verlangte aber mehr sichtbares Engagement. «Guter Wille allein reicht nicht aus. Wir machen nur Baby-Schritte in Richtung unserer eigentlichen Ziele. Die Landesregierung muss endlich aus dem Dornröschenschlaf aufwachen. Wenn die Spitze weiter schläft, kommt die Verwaltung nie im digitalen Zeitalter an», warnte er. Wulff mahnte eine «echte Digitalstrategie für MV» an. Weil diese nicht erkennbar sei, zögerten auch einige Landesämter, sich personell stärker einzubringen. «Die Kritik des Landesrechnungshofs an den Versäumnissen ist absolut berechtigt, das merken die Bürger im Land tagtäglich», konstatierte Wulff.

dpa

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