BGH: Darf Facebook wegen Hassrede Nutzerkonten sperren?

Quelle: BigNazik / Shutterstock.com

Update Do, 29.07.2021, 14:43 Uhr

Im Jahr 2018 löschte Facebook zwei Beiträge, in denen abschätzig über Muslime und Zugewanderte geschrieben wurde, und sperrte die beiden Nutzer. Diese zogen vor Gericht. Der BGH entschied nun, dass Facebook vor einer Sperre die Nutzer informieren und anhören muss.

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Für Facebook wird es nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs aufwendiger, Nutzer wegen Verstößen gegen Regeln des Online-Netzwerks zu sperren. Die Betroffenen sind zwingend vor einer drohenden Sperrung zu informieren und müssen die Möglichkeit bekommen, sich zu erklären. Über die Entfernung eines Beitrags muss zumindest nachträglich informiert werden. Zugleich hielt der BGH in zwei Urteilen am Donnerstag fest, dass Facebook bei Verstößen gegen die Plattform-Regeln in Deutschland weiterhin Beiträge löschen und Nutzerinnen und Nutzer sperren darf. (Az. III ZR 179/20 u.a.)

Die Entscheidung bezieht sich auf die weltweit geltenden «Gemeinschaftsstandards», mit denen Facebook zum Beispiel diskriminierende oder anstößige Inhalte verhindern will. Nicht alle Äußerungen, die Facebook verbietet, sind nach deutschem Recht strafbar. In den beiden entschiedenen Fällen hatten ein Mann und eine Frau abschätzig über Muslime und Zugewanderte geschrieben. Laut BGH waren diese Äußerungen von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Weil Facebook die Beiträge damals sperrte, ohne die Nutzer zu informieren, muss das Unternehmen sie nun wieder freischalten und darf sie nicht noch einmal entfernen. Zum Zeitpunkt der Löschung 2018 war in den Nutzungsbedingungen keine Information der Nutzer vorgesehen. Der BGH erklärte diese in dem Punkt deshalb für unwirksam.

Facebook begrüßte in einer ersten Reaktion die BGH-Feststellung, dass das Netzwerk grundsätzlich berechtigt sei, Inhalte nach eigenen Richtlinien zu entfernen und die betreffenden Nutzerkonten zu sperren. «Wir tolerieren keine Hassrede und setzen uns dafür ein, unzulässige Inhalte von Facebook zu entfernen», betonte ein Sprecher. Man werde die BGH-Entscheidung «sorgfältig prüfen, um sicherzustellen, dass wir weiterhin effektiv gegen Hassrede in Deutschland vorgehen können».

Die Position des Gerichts hatte sich bereits bei der Verhandlung vergangene Woche abgezeichnet. Damals hatte der BGH-Anwalt Christian Rohnke als Vertreter von Facebook eine vorherige Anhörung vor Sperrungen als «vollständig unpraktikabel» bezeichnet. Tag für Tag gebe es Hunderte Fälle, und jede neue Beleidigung ermutige Gleichgesinnte.

In einem der Beiträge wurde den Angaben nach ein Video kommentiert, in dem eine Person mit Migrationshintergrund es ablehnt, von einer Polizistin kontrolliert zu werden. In dem Text hieß es unter anderem: «DIE WERDEN SICH HIER NIE INTEGRIEREN UND WERDEN AUF EWIG DEM STEUERZAHLER AUF DER TASCHE LIEGEN … DIESE GOLDSTÜCKE KÖNNEN NUR EINES MORDEN … KLAUEN … RANDALIEREN … UND GANZ WICHTIG … NIE ARBEITEN.»

Im zweiten Fall hieß es in dem von Facebook gelöschten Beitrag unter anderem: «Deutsche Menschen werden kriminalisiert, weil sie eben eine andere Ansicht von ihrem Heimatland haben als das Regime. Migranten können hier morden und vergewaltigen und keinen interessiert’s!» Das BGH verbot es Facebook, die Klägerin für das Einstellen dieses Beitrags erneut zu sperren oder ihn zu löschen.

Die Richter sehen eine Kollision der Grundrechte der klagenden Nutzer und der Online-Plattform. Auf Seiten der Kläger sei dies die Freiheit zur Meinungsäußerung. Für Facebook gelte die Berufsausübungsfreiheit, durch die das Netzwerk grundsätzlich berechtigt sei, die Einhaltung von Kommunikationsstandards vorzuschreiben, die über strafrechtliche Vorgaben hinausgingen.

Um einen Ausgleich der Interessen sicherzustellen, müsse sich die Plattform jedoch verpflichten, «den betreffenden Nutzer über die Entfernung eines Beitrags zumindest nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen».

dpa

 

Update Do, 29.07.21, 12:39 Uhr

Facebook darf bei Verstößen gegen die eigenen Plattform-Regeln in Deutschland grundsätzlich weiterhin Beiträge löschen und Nutzerinnen und Nutzer sperren.

Die Betroffenen sind künftig aber zwingend vor einer drohenden Sperrung zu informieren und müssen die Möglichkeit bekommen, sich zu erklären. Dazu hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe das Netzwerk mit zwei Urteilen vom Donnerstag verpflichtet. Über die Entfernung eines Beitrags muss zumindest nachträglich informiert werden. (Az. III ZR 179/20 u.a.)

Die Entscheidung bezieht sich auf die weltweit geltenden «Gemeinschaftsstandards», mit denen Facebook zum Beispiel diskriminierende oder anstößige Inhalte verhindern will. Nicht alle Äußerungen, die Facebook verbietet, sind nach deutschem Recht strafbar. In den beiden entschiedenen Fällen hatten ein Mann und eine Frau abschätzig über Muslime und Zugewanderte geschrieben. Laut BGH waren diese Äußerungen von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Facebook muss die Beiträge nun wieder freischalten und darf sie nicht noch einmal entfernen. Denn zum Zeitpunkt der Löschung 2018 war keine Information der Nutzer vorgesehen. Der BGH erklärte die damaligen Nutzungsbedingungen in diesem Punkt deshalb für unwirksam.

dpa

 

Update Do, 22.07.21, 15:45 Uhr

Die Karlsruher Richter wollen ihr Urteil in ein bis drei Wochen verkünden, wie der Senatsvorsitzende Ulrich Herrmann am Donnerstag nach der Verhandlung zweier Fälle sagte (Az. III ZR 179/20 u.a.).

Der Bundesgerichtshof (BGH) steht vor der Entscheidung, ob Facebook bei Verstößen gegen die selbst gesetzten «Gemeinschaftsstandards» weiter Beiträge löschen und Konten sperren darf.

Die Gemeinschaftsstandards sind Regeln, die das Netzwerk weltweit aufgestellt hat, um etwa diskriminierende oder anstößige Inhalte zu verhindern. Nicht alle gelöschten Äußerungen verstoßen gegen deutsches Recht. Herrmann sagte, der Senat neige dazu, Facebook grundsätzlich Löschungen zuzugestehen. Die Richter hinterfragten aber sehr kritisch, dass es zwar nachträglich die Möglichkeit zur Beschwerde gibt, aber keine vorherige Anhörung der Betroffenen.

In den Fällen, die verhandelt wurden, hatten sich eine Nutzerin und ein Nutzer abschätzig über Muslime und Zugewanderte geäußert.

dpa

 

Do 22.07.21 09:32 Uhr

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe klärt am Donnerstag (12.00 Uhr), ob Facebook bei Verstößen gegen seine «Gemeinschaftsstandards» Beiträge löschen und Konten sperren darf.

Die Gemeinschaftsstandards sind Regeln, die das Netzwerk weltweit aufgestellt hat, um etwa diskriminierende oder anstößige Inhalte zu verhindern. Das bedeutet nicht, dass die Äußerungen nach deutschem Recht strafbar sein müssen. Wer Facebook nutzen will, muss zwingend den Nutzungsbedingungen mit den Gemeinschaftsstandards zustimmen.

In den Fällen, die nun verhandelt werden, hatten sich eine Nutzerin und ein Nutzer abschätzig über Muslime und Zugewanderte geäußert. Facebook löschte die Inhalte als Hassrede und sperrte die Konten, einmal 30, einmal drei Tage lang. Die Kläger halten die Sanktionen für rechtswidrig und berufen sich auf die Meinungsfreiheit. Ob es schon ein Urteil geben wird, ist offen. (Az. III ZR 179/20 u.a.)

dpa

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