Wenn der Datenschutz das Gruppenfoto verhindert

Für die Europäische Kommission ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eine Erfolgsgeschichte: «Die DSGVO hat bei allen ihren Zielen Erfolge verzeichnet und ist inzwischen weltweit eine Referenz», lautete die Zwischenbilanz von Justizkommissar Didier Reynders.

Doch in den Bundesländern, die für die Umsetzung des Datenschutzes in Deutschland zuständig sind, gibt es auch kritische Stimmen, so auch in Niedersachsen.

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Die Datenschutz-Grundverordnung regelt den Umgang mit personenbezogenen Daten. Viele Unternehmen hantieren tagtäglich damit. Unternehmen und Organisationen, also auch Behörden, Vereine oder eben eine Kita dürfen danach keine personenbezogenen Daten erheben und verarbeiten, ohne dass die Betroffenen dem auch zustimmen. Darunter fallen prinzipiell auch Fotos vom gemeinsamen Grillabend auf Facebook.

In der Coronakrise geht es beim Datenschutz derzeit aber weniger um Gruppenfotos, weil es ohnehin weniger Gelegenheiten für Massenselfies gibt. Doch dafür treten andere Anwendungen in den Vordergrund. Der Digitalverband Bitkom beklagt, dass dem Datenschutz selbst in dieser Krisensituation Vorrang vor vielen anderen Rechten gegeben werde. Dabei werde etwa das Recht auf Bildung eingeschränkt, weil bestimmte Videoplattformen aus Datenschutzgründen für den Online-Unterricht nicht zugelassen werden. Das stelle sowohl Schüler als auch Studierende und den gesamten Bereich der Fortbildungsanbieter vor massive Probleme.

«Offenkundig ist das bislang gut ausbalancierte System an Freiheits- und Schutzrechten mit der DSGVO aus den Fugen geraten», sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. Außerdem werde bei der Umsetzung klar, dass «Vereine, Startups und Großkonzerne über denselben Kamm geschoren und nicht differenziert behandelt werden». Kleinere Unternehmen hätten erneut das Nachsehen in der ohnehin schon schwierigen Corona-Pandemie, so der Verband.

Größere Unternehmen haben weniger Probleme, denn für sie war Datenschutz auch schon vor der Verabschiedung der Datenschutz-Grundverordnung ein großes Thema. So auch beim Oldenburgische Fotodienstleister Cewe: Dort haben sie etwa 6000 Stunden nur für eine datenschutz-konforme Umstellung aller Arbeitsabläufe und der Kundenkommunikation gebraucht. Mit den privaten Fotos ihrer Kunden gehöre der Schutz der Persönlichkeitsrechte ohnehin zum Geschäftsmodell, sagt Oliver Thomsen, Justiziar bei Cewe. «Am Datenschutzniveau hat sich nichts geändert, wir haben Dinge nur anders dokumentieren müssen.»

Thomsen ist aber auch der Überzeugung, dass viele Menschen die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung übertrieben interpretieren. Spürbar sei dies besonders, wenn beispielsweise Kindergärten plötzlich Angst haben Einzel-und Gruppen Fotos machen zu lassen, die eigentlich jedes Jahr zum Programm gehören. Der Cewe-Manager sieht für die Verunsicherung aber auch einen triftigen Grund, nämlich die angedrohten Bußgelder bei Verstößen gegen die Verordnung.

In Niedersachsen wurden in diesem Jahr bislang Strafen in Höhe von 137 000 Euro verhängt, gegen Unternehmen aber auch einzelne Personen. Das teilte Sprecher der Datenschutzstelle, Philip Ossenkopp, mit. Einige der Bescheide sind aber noch nicht rechtsgültig, weil die Betroffenen Widerspruch eingelegt haben oder dagegen klagen.

Das Zusammenspiel zwischen der Datenschutzbehörde, die die Bußgelder verhängt, sowie den Unternehmen und Verbrauchern könne verbessert werden, wünscht sich Cewe-Justiziar Thomsen. Die Beratungsfunktion komme hier noch zu kurz, dafür würde das Strafverfahren zu sehr betont. Dieses Problem sehen auch die Datenschützer: «Angesichts der hohen Zahl von Datenschutzbeschwerden und Datenpannenmeldungen haben wir unsere Beratungstätigkeit bereits seit 2018 auf ein Minimum zurückgefahren», sagt der Sprecher der Datenschutzbehörde in Niedersachsen.

Um das Gleichgewicht zwischen Beratung und Kontrolle wieder halbwegs herzustellen, konzentriere man sich darauf, wichtige Multiplikatoren wie beispielsweise Verbände oder Handelskammer zu beraten, die dann wiederum ihre Mitglieder unterstützen können, erläutert Behördensprecher Ossenkopp. Auch ihre Website werde ständig aktualisiert und solle informieren, hieß es. Ziel der DSGVO sei es allerdings auch, die Datenschutzgesetze durch höhere Bußgelder konsequenter durchzusetzen.

dpa

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