Quereinstieg in die IT: Mit Laien und Leidenschaft gegen den Fachkräftemangel

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Der IT-Fachkräftemangel in Deutschland wird in naher Zukunft dramatische Ausmaße annehmen. Trotzdem tun sich Politik und Wirtschaft schwer, dieser Entwicklung wirksam zu begegnen. Gastautor Felix Frauendorf plädiert deshalb für mehr Quereinsteiger in der IT: Ihr Mehrwert geht weit über den Fachkräftemangel hinaus.

Fast 150.000 IT-Fachkräfte fehlen laut einer aktuellen Studie des Digitalverbands Bitkom derzeit in Deutschland – bereits 12.000 mehr als vor gerade einmal einem Jahr. Hochrechnungen des Verbands zufolge bedeutet das: Im Jahr 2030 – also in gerade einmal sechs Jahren – werden wohl bereits 1,4 Millionen IT-Fachkräfte fehlen. Es mag eine Plattitüde sein, aber man kann es nicht oft genug wiederholen: So kann und darf es nicht weitergehen. Denn auch wenn Fachkräfte branchenübergreifend Mangelware sind, wiegt der Fachkräftemangel in der IT besonders schwer.

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Nicht nur werden IT-Systeme und Softwarelösung die Basis für den Großteil von Innovation und Wachstum sein. Vielmehr müssen wir uns bewusst machen: Wenn wir nicht Willens oder in der Lage sind, den Fachkräftemangel in anderen wichtigen Branchen wie Medizin, Handwerk oder Bildung durch eine entsprechende Personalpolitik zu verringern, bleiben als Alternative nur Digitalisierung und Automatisierung. Aber wie soll das gehen, ohne IT-Fachkräfte?

Weiterbildung und Umschulung – von allen Lösungen die kurzfristig zielführendste

Bisherige Versuche, die Lage wenigstens zu lindern, waren wenig erfolgreich: Statt mehr IT-Studierenden sinkt die Zahl der Absolventen derzeit sogar, und die wichtige Zuwanderung ausländischer Fachkräfte bleibt bislang nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es wird sich zeigen, ob das jüngst aktualisierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz die erhoffte Besserung bringt, sicher ist nur: Alleine wird es den Fachkräftemangel auch nicht stemmen können.

Es bleibt aber noch eine Lösung, die sich zudem vergleichsweise kurzfristig gut umsetzen lässt: Die Weiterbildung und Umschulung bestehender Arbeitskräfte. Gerade der Quereinstieg aus anderen Branchen ist dabei weit mehr als nur eine Notlösung für Transformationsprozesse wie den Ausstieg aus der Stein- und Braunkohle, wo zehntausende Bergleute eine erfüllende Anschlussbeschäftigung finden mussten und müssen. Gut vorbereitete Quereinstiege können vielmehr eine echte Chance sein, gerade in der IT – für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen.

Quereinsteiger werden schnell zu einem echten Asset

Die Vorteile für Arbeitnehmer liegen auf der Hand: Besseres Gehalt, geregelte Arbeitszeiten, die Möglichkeit zum Home Office und die Chance, die Zukunft mitzugestalten – diese Gründe für den Quereinstieg hören wir von den Teilnehmern unserer Umschulungskurse immer wieder. Einer unserer Absolventen – früher Friseur, heute erfolgreicher App-Developer in einer IT-Agentur – betont immer wieder, wie unwirklich ihm schon allein die Tatsache vorkommt, nun den ganzen Tag im Sitzen arbeiten zu können, anstatt sich den Rücken kaputt zu arbeiten.

Entsprechend hoch ist die Motivation vieler IT-Quereinsteiger für ihre neue Arbeitsstelle. Zudem haben sie im Zuge ihrer erfolgreichen Umschulung bereits unter Beweis gestellt, dass sie – neben den fachlichen Qualifikationen und erster Praxiserfahrung – Ausdauer und Lernbereitschaft besitzen. Aber auch die frühere Berufserfahrung von Quereinsteigern kann für IT-Unternehmen ausgesprochen wertvoll sein: Softwareentwicklung benötigt mehr denn je Teamgeist, ausgeprägte Kommunikationsskills und auch Menschenkenntnis. Wer vorher als Friseur oder Krankenpfleger gearbeitet hat, hat hier bereits einen großen Erfahrungsschatz und bringt außerdem einiges an Resilienz mit.

Entwicklungsteams mit einer Vielzahl unterschiedlicher persönlicher und beruflicher Hintergründe können zudem nicht nur die Bedürfnisse unterschiedlicher Nutzergruppen besser nachvollziehen als weniger vielfältige Teams. Etliche Studien zeigen darüber hinaus, dass solche Teams grundsätzlich besser darin sind, richtige Entscheidungen zu treffen und innovative Lösungen zu entwickeln. Je vielfältiger die verschiedenen Perspektiven im Team, desto mehr stimulieren sie die Zusammenarbeit. So wird aus der vermeintlichen Notlösung Quereinstieg schnell ein Asset für jedes Unternehmen.

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Der erfolgreiche Quereinstieg setzt ein paar Dinge voraus – für beide Seiten

Aber was sind die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Quereinstieg in die IT? Unserer Erfahrung nach trauen sich viele potenzielle Quereinsteiger den Wechsel anfangs oft selbst gar nicht zu – gerade Menschen ohne Hochschulabschluss sind schnell von der vermeintlichen Komplexität des Themas eingeschüchtert. Diesen Menschen rate ich immer: Probiert euch einfach ein wenig aus auf Seiten wie w3schools.com, oder sprecht direkt mit den Anbietern von Umschulungskursen. Wer merkt, dass ihm oder ihr die Suche nach Lösungen liegt, hat bereits gute Voraussetzungen.

Während der Umschulung gilt der alte Satz: “Übung macht den Meister.” In dieser Hinsicht ist Coding ein Handwerk, denn alle Theorie hilft wenig ohne die entsprechende Praxiserfahrung. Probiert euch also aus, so oft ihr könnt! Und auch eine gewisse Ausdauer gehört dazu – jeder Entwickler kennt vermutlich dieses Gefühl des “Tal des Todes”, wo es vermeintlich einfach nicht mehr voran geht. Wer es dann aber durch dieses Tal geschafft hat, für den tut sich plötzlich eine ganz neue Welt auf. Das gemeinsame Lernen und Ausprobieren in Lerngruppen kann dafür eine zusätzliche Motivation und Hilfe sein. Es ist einfach wichtig, dass man den Wechsel wirklich will und sich nicht entmutigen lässt: Die Erfahrung zeigt uns immer wieder, dass selbst völlige IT-Neulinge das Zeug zu talentierten Entwicklern haben!

Unternehmen sollten dagegen darauf achten, dem Onboarding von Quereinsteigern einen entsprechend hohen Stellenwert einzuräumen: Wer klare Ziele für diesen Prozess definiert und ausreichend Ressourcen dafür zur Verfügung stellt, spart allen Beteiligten viel Zeit und Frust. Regelmäßige Feedback-Loops und Raum für Selbstkritik auf beiden Seiten helfen dabei, diesen Prozess an den richtigen Stellen nachzujustieren. Außerdem sollten sich Unternehmen nicht zu sehr auf etwaige Formalitäten versteifen. Grundsätzlich halte ich die Leidenschaft eines Bewerbers für das entsprechende Thema für viel wertvoller, jedenfalls meiner eigenen Erfahrung als Arbeitgeber nach: Der beste Abschluss nützt nicht viel, wenn der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin wenig Sinn und Freude bei der eigenen Tätigkeit empfindet.

Letztlich gilt also: Wer als Arbeitgeber eine entsprechend offene Recruiting-Politik fährt und den überschaubaren Aufwand eines sauberen Onboarding nicht scheut, findet in Quereinsteigern nicht nur eine Antwort auf den Fachkräftemangel, sondern wird mit leidenschaftlichen Mitarbeitern belohnt, die eine echte Bereicherung für die eigenen Teams sind.

Felix Frauendorf Syntax Institut
Felix Frauendorf Syntax Institut

Felix

Frauendorf

Syntax Institut -

Gründer

Felix Frauendorf ist Gründer des Syntax Instituts. Seit 2021 hat die Codingschule über 250 Laien in je zwölf Monaten Vollzeitunterricht zu zertifizierten Mobile Developern ausgebildet, seit 2023 mit anschließendem IHK-Abschluss. Das erklärte Ziel: Motivierten Menschen eine Möglichkeit zum Neuanfang bieten und gleichzeitig den Fachkräftemangel bekämpfen.
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