Die technologische Weiterentwicklung bei der Künstlichen Intelligenz ist atemberaubend. Den nächsten bedeutenden Schritt bilden Multi-Agenten-Systeme — eigenständige Ökosysteme aus spezialisierten Agenten.
Die Vorteile sprechen für sich: automatisierte Zusammenarbeit, weniger menschliche Eingriffe und eine gesteigerte Leistungsfähigkeit, die auch komplexe Aufgaben bewältigt.
Die Liste wichtiger Entwicklungen in der Automatisierungs- und KI-Welt ist nach Robotic Process Automation (RPA) und generativer KI mit den Multi-Agenten-Systeme um einen Punkt reicher. Die rasante Geschwindigkeit, mit der diese Technologien einen hohen Reifegrad erreicht und ihren Weg in die Geschäftswelt gefunden haben, verdeutlicht einmal mehr die Dynamik des KI-Fortschritts.
Ein kurzer Rückblick: RPA automatisiert manuelle oder standardisierte Prozesse. Hier übernehmen Bots wiederkehrende, regelbasierte Aufgaben. Generative KI hingegen automatisiert auf der Grundlage von Prompts: Sie erzeugt Inhalte als Antwort auf menschliche Eingaben. Multi-Agenten-Systeme gehen noch einen Schritt weiter und ebnen durch das koordinierte Zusammenspiel mehrerer spezialisierter Agenten den Weg zur Automatisierung auch komplexer Prozesse.
Doch auch Multi-Agenten-Systeme sind nicht das Ende der Fahnenstange im Bereich der KI-Entwicklung. Sie bieten zwar die praktikabelsten Einsatzmöglichkeiten, aber die Zukunft wird zu einem großen Teil auch der Agentic AI gehören. Während Multi-Agenten-Systeme weitgehend autonom agieren und nur minimale menschliche Unterstützung benötigen, arbeitet Agentic AI vollständig autonom – ohne jegliche menschliche Interaktion.
Multi-Agenten-Systeme im Überblick
Die Entwicklung von Multi-Agenten-Systemen wurde maßgeblich durch die Weiterentwicklung von Large Language Models (LLMs) vorangetrieben. Ursprünglich beschränkten sie sich auf statistikbasierte Funktionen, ohne die Möglichkeit, andere Systeme anzusteuern. Inzwischen ermöglichen spezielle Frameworks allerdings die Integration von LLMs in Anwendungen, wodurch auch die Orchestrierung verteilter Agentenprozesse realisierbar ist. Das Ergebnis: LLMs können nun als Bestandteil eines Systems andere Tools und Agenten koordinieren, um Aufgaben effizient und automatisiert zu lösen.
Für die Umsetzung eines Multi-Agenten-Systems sind zwei Voraussetzungen erforderlich – ein tiefgehendes Prozessverständnis und ein spezialisiertes Unternehmenswissen. Im Prinzip funktioniert ein solches System wie ein gut eingespieltes Team im Unternehmen. Ein Orchestrator-Agent – vergleichbar mit einem Manager – koordiniert andere Agenten, die jeweils Expertise für spezifische Aufgabenbereiche einbringen. Auf eine KI-Architektur umgemünzt bedeutet dies in der Praxis, dass ein zentraler Agent über allgemeines Prozesswissen verfügt und mit spezialisierten Agenten zusammenarbeitet. Der Orchestrator-Agent versteht den Gesamtprozess und delegiert Aufgaben an die zuständigen Fachagenten.
Ein praktisches Beispiel: Ein Orchestrator-Agent besitzt das Wissen zur Rechnungsstellung und kommuniziert eigenständig mit Subsystem-Agenten, etwa CRM- oder ERP-Systemen, um Informationen zu Kunden und Produkten abzurufen. Basierend auf diesen Daten wird die Rechnung erstellt. Hierbei kommen besonders die Konversationsfähigkeiten und die Kontextverarbeitung eines LLMs zum Tragen. Technisch betrachtet erfordert die Implementierung einer Multi-Agenten-Umgebung ein zentrales Framework, das skalierbar ist und gleichzeitig hohe Sicherheitsstandards für den Betrieb mehrerer Agenten gewährleistet.
Vielfältige Anwendungsszenarien
Multi-Agenten-Systeme eröffnen eine Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten, wobei besonders der Bereich der Kundeninteraktion viel Potenzial bietet. Hersteller haben beispielsweise Multi-Agenten-Lösungen für Callcenter entwickelt, die typische Aufgaben automatisieren. Dazu zählen die Aktualisierung von Kundendaten, die Bearbeitung technischer Supportanfragen, Upselling sowie die Annahme von Bestellungen. Spezialisierte Agenten übernehmen diese Tätigkeiten autonom, was Mitarbeiter entlastet und den Kundenservice verbessert.
Auch in Marketing und Vertrieb finden Multi-Agenten-Systeme Anwendung. Automatisierte Agententeams könnten Leads identifizieren, potenzielle Kunden durch Voicebots ansprechen und eigenständig Marketingkampagnen initiieren. Ein konkretes Beispiel veranschaulicht die Arbeitsweise und die Vorteile eines solchen Systems: Angenommen, das Ziel ist es, zu analysieren, warum die Bruttogewinnmarge eines Produkts im ersten Quartal gesunken ist, und die Zahlen nach Geschäftsbereichen sowie den letzten vier Quartalen aufzuschlüsseln. Der Prozess beginnt mit einer Anweisung eines menschlichen Nutzers in natürlicher Sprache. Ein Orchestrator-Agent übernimmt die Anfrage, delegiert sie an spezialisierte Agenten und koordiniert deren Zusammenarbeit. Diese Agenten kümmern sich um den Datenzugriff, die Finanzanalyse, die Validierung der Ergebnisse sowie die Erstellung von Visualisierungen und textbasierten Berichten.
Dieses Zusammenspiel sorgt nicht nur für eine effiziente Bearbeitung komplexer Aufgaben, sondern liefert auch schnell fundierte Ergebnisse.
Chancen und Stolpersteine
Multi-Agenten-Systeme bieten zahlreiche Vorteile, die sie zu einem vielversprechenden Werkzeug für die digitale Transformation machen. Ihre hohe Effizienz und Resilienz sorgen dafür, dass arbeitsbedingte Ausfälle, etwa durch Krankheit oder Streik, keine kritischen Auswirkungen mehr haben. Zudem entlasten sie Fachkräfte, was angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels ein bedeutender Vorteil ist. Darüber hinaus erweitern Multi-Agenten-Systeme die Möglichkeiten der KI erheblich, indem sie komplexe Prozesse koordiniert und zielgerichtet automatisieren.
Dennoch stehen sowohl die Technologie als auch die Unternehmen vor einigen Herausforderungen bei der Einführung. Eine zentrale Voraussetzung für ihren Einsatz sind qualitativ hochwertige Daten sowie eine gut dokumentierte Wissensbasis. Häufig fehlt jedoch eine vollständige Dokumentation von Prozessen, was die Implementierung erschwert. Weitere Herausforderungen betreffen die Vertrauenswürdigkeit und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen solcher Systeme. Ebenso spielen Datenschutz, Compliance und Sicherheit eine entscheidende Rolle. Hier können spezialisierte Governance- und Security-KIs unterstützend wirken, um die Einhaltung regulatorischer und ethischer Standards sicherzustellen.
Ein weiteres Hemmnis ist die vergleichsweise langsame Adaption neuer Technologien in Deutschland. Viele Unternehmen stehen noch am Anfang bei der Implementierung generativer KI, weshalb auch der Einsatz von Multi-Agenten-Systemen zunächst zögerlich verlaufen dürfte. Trotzdem sollten Unternehmen frühzeitig mit der Thematik auseinandersetzen – schließlich ist sie auf dem Weg, zu einem zentralen Faktor für die digitale Transformation zu werden.