Die Weichen für den Mehrwert stellen

KI-Potenziale im Mittelstand: Vom Hype zur Wertschöpfung

Wunsch und Wirklichkeit liegen beim Einsatz von KI in vielen Unternehmen nach wie vor noch weit auseinander. Laut einer bitkom-Studie können nur 24 Prozent der befragten Unternehmen die Potenziale von KI tatsächlich ausschöpfen.

Noch größer ist die Lücke bei den regulatorischen Anforderungen: Eine andere Untersuchung des bitkom zeigt, dass nur rund 5 Prozent der deutschen Unternehmen die Vorgaben des EU AI Data Act umsetzen können – und das nicht einmal 100 Tage vor dessen Inkrafttreten. Gerade der Mittelstand als Rückgrat des deutschen Wohlstands sollte jetzt dringend handeln, will er international wettbewerbsfähig bleiben. Doch welche Stellschrauben braucht es, damit aus teuren KI-Initiativen auch wirklich wertschöpfende Weiterentwicklungen entstehen?

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Die richtige KI-Strategie: Kein Weg ohne Ziel

Künstliche Intelligenz kann vieles – aber ohne klare strategische Ausrichtung bleibt ihr Potenzial ungenutzt. Es geht nicht darum, KI „um der Technologie willen“ einzusetzen, sondern eine KI-Strategie zu entwickeln, die eng auf die Unternehmensstrategie ausgerichtet ist: Wo soll das Unternehmen in den nächsten Jahren stehen, und wie kann die KI-Strategie diesen Weg wirksam unterstützen? Ein zentrales Element dabei ist die systematische Identifikation relevanter Use Cases. Der Schlüssel liegt im Alltag: Welche Prozesse bremsen Teams aus? Wo entstehen Engpässe oder unnötige Aufwände? Ob durch gezielte Prozessanalysen oder durch Rückmeldungen aus den Fachbereichen – Pain Points bieten wertvolle Anhaltspunkte.

Diese gilt es zu evaluieren und zu priorisieren: Handelt es sich wirklich um einen sinnvollen Anwendungsfall? Wer ist betroffen? Wie groß ist der messbare Nutzen – Zeitgewinn, Kostensenkung, Qualitätsverbesserung oder sogar ein neuer USP?

Wichtig ist, mit realistischen Erwartungen an die Umsetzung heranzugehen. KI kann Prozesse schneller, präziser und kosteneffizienter machen – aber nicht sprunghaft von heute auf morgen. Um schnell erste Erfolge zu erzielen und die eigenen Teams vom Mehrwert zu überzeugen, empfiehlt sich ein pragmatischer Ansatz. Gut geeignete Startpunkte sind Anwendungsfälle, die sich rasch umsetzen lassen, etwa in der Qualitätskontrolle oder im Reporting. Solche Pilotprojekte liefern nicht nur greifbare Erfolge, sondern auch Learnings für weitere Einsatzbereiche.

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Bei der Umsetzung der Use Cases steht eine Vielzahl an technologischen Optionen zur Verfügung: Von digitalen Assistenten wie Copilot oder ChatGPT, die flächendeckend im Unternehmen genutzt werden, über Embedded-AI-Funktionen zur Effizienzsteigerung bestehender Systeme wie SAP bis zu maßgeschneiderten Lösungen mit echtem Differenzierungspotenzial. Wichtig ist die Balance: Standardlösungen bieten schnelle Erfolge bei Basisthemen – hier geht es vor allem um Produktivität und Effizienz. Sie sind eher Pflicht als Kür, da diese Tools allen offenstehen. Wettbewerbsvorteile hingegen entstehen durch individuelle Use-Cases, die passgenau auf Geschäftsprozesse und Branchenanforderungen zugeschnitten sind.

Ohne Daten, keine KI

Ein wichtiges Fundament für die Umsetzung der KI-Strategie besteht darin, Daten in ausreichender Qualität, Konsistenz und Menge bereitzustellen. Oft liegen Daten aus Produktion, Controlling oder Marketing dezentral in unterschiedlichen Systemen vor, sind uneinheitlich oder schlecht gepflegt.  Laut einer Studie geben 42 % der Unternehmen an, dass über die Hälfte ihrer KI-Projekte durch Probleme bei der Datenbereitstellung verzögert oder sogar verhindert wurden.

Plattformen wie Microsoft Fabric oder SAP Business Data Cloud spielen daher eine zentrale Rolle. Sie fungieren als übergreifende Datenmanagementlösungen, die Daten aus unterschiedlichen Quellen konsolidieren und nutzbar machen. Ziel ist es über einen semantischen Layer Daten, die auch in verschiedenen Datenmanagementlösung physisch abgelegt sein können (sogenannte hybride Ansätze) zentral und verlässlich bereitzustellen, sodass Datensilos verhindert sowie der Echtzeit-Austausch über alle Unternehmensebenen hinweg und somit fundierte Analysen ermöglicht werden.

Besonderes Augenmerk gilt der Datenqualität. Fehlerhafte oder verzerrte Datensätze führen zu unzuverlässigen Ergebnissen. Daher bleibt der Mensch mit seinem kritischen Blick unverzichtbar, um die Ergebnisse der Systeme zu prüfen und sinnvoll zu interpretieren.

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Governance schafft Vertrauen und Rechtssicherheit

Ergänzend schafft ein stabiles KI-Governance-Framework mit klaren Verantwortlichkeiten, ethischen Leitlinien und verbindlichen Prozessen Vertrauen in die Technologie und minimiert rechtliche Risiken. Hier, so die Studie von Thomson Reuters, besteht noch viel Nachholbedarf, um den Anforderungen des EU AI Acts gerecht zu werden: Zwar verfügen rund 75 Prozent der befragten Unternehmen über eine KI-Gesamtstrategie oder funktionale Strategien. Doch nur rund 23 Prozent haben klare Richtlinien für den Umgang mit GenAI.

Technologieskepsis mit Transparenz und Upskilling abbauen

Neben dem technologischen ist auch der kulturelle Wandel entscheidend. Denn mentale Barrieren, fehlende Skills und Ablehnung durch die MitarbeiterInnen stehen dem Siegeszug der KI nach wie vor im Weg. Change Management sollte daher von Anfang an integraler Bestandteil der KI-Strategie sein – nicht erst am Ende, wenn es um das Enablement geht. Nur wer Sinn und Mehrwert der Technologie versteht, entwickelt Motivation, den Wandel aktiv mitzugestalten. Denn die beste Technologie ist am Ende Zeit- und Geldverschwendung, wenn die Teams nicht damit arbeiten (können).

Dabei geht es nicht nur um Schulungen, sondern vor allem um einen gezielten Rollenwandel: KI verändert Aufgaben und Verantwortlichkeiten der MitarbeiterInnen. Unternehmen sollten frühzeitig prüfen, wie diese neuen Rollen aussehen, welche Kompetenzen dafür benötigt werden und diese gezielt vermitteln. Re- und Upskilling sind essenziell, um Ängste vor Jobverlust abzubauen und den MitarbeiterInnen neue Perspektiven zu eröffnen. Nur mit einer zielgruppenspezifischen und transparenten Kommunikation, die auf Sorgen und Bedürfnisse eingeht, können Unternehmen die Innovationsbereitschaft nachhaltig stärken.

Unterschiedliche Generationen haben dabei verschiedene Erwartungen. Laut einer Studie von Thomson Reuters sind ältere Nutzer häufig skeptischer, etwa wegen Datenschutz oder Arbeitsplatzsicherheit, akzeptieren KI jedoch, wenn der konkrete Nutzen erkennbar ist. Die Jüngeren hingegen fordern klare Verantwortlichkeiten, Transparenz und Fairness. Nötig ist hier eine mehrstufige Herangehensweise, die jüngeren Fachkräften Skills vermittelt, die in Zukunft gebraucht werden, und die Erfahrenen sensibilisiert. Dabei hilft es, das Mentoring zwischen den Generationen zu fördern: Jüngere unterstützen ältere KollegInnen bei der KI-Nutzung, während diese strategische Perspektiven einbringen.

Mensch und Technologie Hand in Hand

Klar ist: KI wird menschliche Intelligenz auf absehbare Zeit nicht ersetzen, aber sie kann die Produktivität und Effizienz erheblich steigern. Indem KI unter anderem repetitive Arbeitsschritte übernimmt, schafft sie Freiräume für strategische Aufgaben, die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle oder innovativer Lösungen.

Dr. Torben

Hügens

Vice President

All for One Analytics & Insights Germany

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