CMS vs. DXP – Kampf der Giganten

Ein Marketingleiter eines etablierten mittelständischen Unternehmens, nennen wir ihn Walter Wahl, ist auf der Suche nach einem neuen Content-Management-System (CMS). Die derzeitige Lösung ist aufgrund der gestiegenen Anforderungen nicht mehr zeitgemäß.

Nicht nur die Usability lässt zu wünschen übrig, sondern die Software lässt auch keine Optimierung für mobile Devices zu. Bei seiner Recherche stößt Wahl auf zeitgemäße Content-Management-Systeme und das für ihn neue Buzzword Digital-Experience-Plattform (DXP). Die Entscheidung ist aufgrund der großen Auswahl sehr schwer. Welche Art von System – CMS oder DXP – für den Einsatz in seinem Unternehmen besser geeignet ist, versucht Walter Wahl herauszufinden.

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Seit Langem bewährt, kommen Content-Management-Systeme in vielen Unternehmen zum Einsatz. Anwender schätzen die Offenheit und Stabilität. Daneben machen seit geraumer Zeit Begriffe wie Digital-Experience-Plattform, Customer-Experience-Plattform (CXP) und User-Experience-Plattform (UXP) von sich reden. Während bei einem CMS vor allem die Content-Verwaltung eine zentrale Rolle spielt, steht bei einer DXP der Nutzer im Mittelpunkt: Durch die Möglichkeit, Inhalte personalisiert auszuspielen.

Indem Unternehmen die Nutzer-Interaktion und Kriterien wie die Verweildauer auf spezifischen Inhaltsseiten auswerten, können sie den Besuchern relevante Informationen in Echtzeit anzeigen. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung und des wachsenden Konkurrenzkampfs ist das immer wichtiger. Die Geschäftswelt wandelt sich, und es sind nicht mehr allein Produkte oder Leistungsangebote, die die Kunden zu einem Kauf verleiten. Vielmehr sind es positive Informations- und Einkaufserlebnisse, die Konsumenten an eine Marke oder ein Unternehmen binden. Das gilt sowohl im B2C-Umfeld als auch für Beschaffungsprozesse im Geschäftskunden-Kontext (B2B).

Chancen und Möglichkeiten von Content-Management-Systemen

Entscheidet sich Walter Wahl für ein CMS, profitiert sein Unternehmen in vielerlei Hinsicht: Anwender benötigen keinerlei oder nur sehr geringe Kenntnisse bezüglich der technischen Umsetzung. Vor allem in der Content-Pflege zeigen CMS ihre Stärken: Redakteure können sich auf die reine Texterstellung fokussieren und etwaige Änderungen, etwa die Unternehmensbeschreibung oder FAQs, problemlos vornehmen und in Echtzeit ausspielen. Das ermöglicht einen einfachen redaktionellen Workflow und eine kollaborative Arbeit an Inhalten. Vorteilhaft ist zudem, dass das Design (Template) separat von den redaktionellen Inhalten gespeichert wird. So könnte sich Walter Wahl jederzeit für ein neues Design – bedingt etwa durch neue Corporate-Design-Anforderungen – entscheiden, ohne alle Inhalte ändern zu müssen.

Auch das Endgeräte-übergreifende Ausspielen von Inhalten ist problemlos möglich. Durch die Trennung von Inhalt und Gestaltung lassen sich aktuelle Responsive-Design-Konzepte realisieren und Informationen in jeweils geeigneter Struktur im passenden Nutzungskontext (Desktop, Mobile etc.) bereitstellen. Quelloffene CMS wie TYPO3 verfügen über offene Schnittstellen, sodass sich Module beliebig erweitern oder austauschen lassen. Unternehmen profitieren von vorgefertigten Bausteinen, die sie in das System integrieren können – wodurch sich die Abhängigkeit von externen Dienstleistern reduziert. Daneben können im CMS mehrere Benutzer gleichzeitig arbeiten und mehrsprachige Websites sowie verschiedene Domains einfach administrieren. Außerdem verfügen viele CMS über eine Digital-Asset-Management-Komponente (DAM), über die Nutzer PDFs, Bilder, Videos, Audio-Dateien und andere Multimediainhalte effizient verwalten können.

Open-Source-Ansatz

Auf quelloffene Systeme zu setzen, kann eine gute Idee sein: Klassische Vorteile sind neben der Anbieterunabhängigkeit und der Flexibilität in der Nutzungstiefe auch die Individualisierbarkeit. Open-Source-CMS lassen sich bedarfsgerecht optimieren und den Anforderungen des Unternehmens entsprechend anpassen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Lizenzkostenersparnis: Unternehmen können sie meist ohne Lizenz nutzen, sollten die Implementierung und individuelle Anpassung aber von einem professionellen Dienstleister vornehmen lassen. Ein weiterer großer Vorteil ist, dass quelloffene Lösungen von Communities getrieben sind. Somit ergibt sich eine Entwicklungsgeschwindigkeit, die andere Anbieter nicht erreichen. Zudem lassen sie sich problemlos an betriebliche Informationssysteme anbinden – ihrer Offenheit und standardisierten Schnittstellen sei Dank. Ein Beispiel hierfür ist die Verknüpfung mit dem ERP- und/oder CRM-System, was einen wechselseitigen Datenaustausch ermöglicht.

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Sicherheit ist wichtig

Das mittelständische Unternehmen von Walter Wahl ist bereits Opfer eines Cyber-Angriffs geworden, weshalb der Sicherheitsaspekt bei der Systemauswahl eine wesentliche Rolle spielt. Da CMS in der Regel vollständig webbasiert funktionieren, lauert die permanente Gefahr eines Angriffs aus dem Internet. Während quelloffene Systeme in anderen Aspekten viele Vorteile bieten, stellen sie in puncto Sicherheit besondere Anforderungen. Gerade wegen ihrer Offenheit sind die Systeme sehr robust und bleiben durch regelmäßige Releases stets aktuell. Sie bieten damit aber auch eine große Angriffsfläche, insbesondere wenn Anbieter die Sicherheitslücken nicht schnell schließen. CMS wie TYPO3 stellen mit dem sogenannten Security-Bulletin einen leistungsfähigen Mechanismus bereit, der sicherstellt, dass das Tool aktuellen Sicherheitsanforderungen gemäß betrieben werden kann. Um in Sachen Security auf der sicheren Seite zu sein, sollte Walter Wahl vor der Auswahl folgende Fragen beantworten:

  • Wo wird das CMS gehostet und wie erfahren ist der Infrastrukturanbieter mit dem Betrieb des Systems?
  • Wer kümmert sich um das laufende Management der Server-Hardware und der servernahen Software?
  • Welcher Wartungs- und Pflegevertrag für die CMS-Schicht ist mit dem Dienstleister abgeschlossen? Passen die Leistungen von Webhosting-Provider und CMS-Dienstleister zusammen? Oder gibt es unklare Zuständigkeiten?

Zudem sind zum Schutz der Daten regelmäßige Backups sinnvoll. Im Rahmen von Webhosting-Angeboten geschieht das für gewöhnlich automatisiert.

Personalisierung ist größtenteils (noch) Zukunftsmusik

Wenn Walter Wahl seine Website-Besucher zukünftig, zugunsten eines besseren Marketings, mit personalisierten Inhalten ansprechen möchte, wird dies mit einem CMS zumindest im Kernfunktionsumfang schwierig. Technologische Innovationen wie Künstliche Intelligenz (KI), Machine-Learning & Co. sind zwar auf der Roadmap für zukünftige Releases, im Moment muss sich Walter Wahl aber mit Workarounds oder – ebenso eine mögliche und durchaus sinnvolle Strategie – mit Drittsystemen begnügen, die er an das CMS anbindet. Derzeit stellen offene CMS nur eingeschränkte Personalisierungsfunktionalitäten zur Verfügung.

Digital-Experience-Plattform: Eine sinnvolle Alternative zum CMS?

Bei seiner Recherche stößt Wahl schnell auf einen der wesentlichen Vorteile von DX-Plattformen: Sie verbinden Content, Commerce und Community in einer Lösung. Wesentlicher Vorteil: Spezifische Personalisierungs- und Automatisierungswerkzeuge, die es erlauben, Inhalte zielgruppengerecht und performanceorientiert auszuspielen, sind integraler Teil des Produktangebots. Zusätzlich bedienen DXP-Lösungen mehrere Kanäle oder Touchpoints, wie etwa Web, Mobile, Social-Media, E-Mail oder verbundene Geräte. Indem DXPs sämtliche Daten aus Systemen wie PIM, DAM oder CRM intelligent miteinander verknüpfen, können Unternehmen eine noch durchgängigere Customer Journey und damit eine noch spezifischer ausgerichtete Customer Experience schaffen. Der Umgang mit der Plattform gestaltet sich für mehrere Nutzergruppen einfach und effizient: Neben Mitarbeitern, Partnern, Lieferanten und anderen Anwendern können sich insbesondere auch Kunden personalisiert bewegen, was eine integrierte Interaktion zwischen den Nutzern ermöglicht. Damit ist die Digital-Experience, also das digitale Erlebnis, über verschiedene Kanäle und unterschiedliche Backend-Systeme hinweg integriert und optimiert.

Cloud-Anbindung für die Zukunft

Gerade für Unternehmen mit internationaler Ausrichtung ist es oftmals mit hohen Kosten und einer steigenden Komplexität verbunden, Serverkapazität und Website-Infrastruktur weltweit verteilt vorzuhalten. Gleichzeitig erfordern internationale Geschäfte eine performante und gut skalierbare Auslieferung aller Inhalte in den relevanten Märkten. Wer nicht in eigene Serverkapazitäten investieren will, ist mit einer DXP gut beraten: Anbieter wie Acquia stellen ihr System als Cloud-Service zur Verfügung. Damit ergeben sich im internationalen Geschäft wesentliche Vorteile: Inhalte lassen sich über Landesgrenzen hinweg spiegeln, bei hohen Zugriffszahlen werden weitere Kapazitäten ergänzt. Eine integrierte Content-Delivery-Systematik ermöglicht, auch Multimedia-Dokumente wie Bilder, Videos und Audiodateien lastverteilt auszuspielen. DXPs sind deshalb für einen globalen Ansatz geeignet, also für Unternehmen, die über Niederlassungen und Geschäftsaktivitäten auf verschiedenen Kontinenten verfügen.

Starke Infrastrukturbindung

Entscheidet sich Walter Wahl für eine DXP, sollte er bedenken, dass er wahrscheinlich für viele Jahre an ein System gebunden ist. Derzeit ist nicht absehbar, wie sich diese Plattformen am Markt entwickeln. Während sie heute im Gartner-Quadrant gut positioniert sind, ist die Tendenz für die nächsten fünf bis zehn zwar aussichtsreich, aber nicht vollständig absehbar. Zusätzlich verfügen DXPs nur über ein bestimmtes Set an Funktionalitäten und sind in der Regel mit erheblichen Lizenzkosten verbunden. Insbesondere für Unternehmen mit quelloffener Infrastruktur, die neben einem CMS weitere Systeme wie ERP, CRM und PIM benutzen, kann der Nachteil groß sein: Für sie ist die bisherige Flexibilität mit einem integrierten CMS nicht mehr vollständig gegeben. DXPs wie Acquia verfügen zwar ebenfalls über Schnittstellenfunktionen, die schnelle Integration eines anderen Systems ist aber durchaus eingeschränkt.

Alles eine Frage der Strategie

Die Entscheidung wird Walter Wahl sicherlich nicht leicht fallen. Es ist eine Frage der Abwägung zwischen den jeweiligen Vor- und Nachteilen von CM- und DX-Plattformen. An quelloffenen CMS schätzt Wahl die lange Etablierung am Markt, den geringen Einarbeitungsaufwand, die Flexibilität und die vielfältigen Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Für eine DXP sprechen der globale Ansatz und die Personalisierungsoptionen – Themen, die zukünftig eine bedeutende Rolle spielen werden und schon heute tief in der DXP integriert sind. Zudem überzeugt eine DXP durch die Möglichkeit der (personalisierten) Kundenansprache, die die Nutzerbedürfnisse in den Fokus rückt. Gleich welche Branche und welches Unternehmen: Für alle empfiehlt sich eine möglichst objektive Auswahl über die reinen Nutzenversprechen der Systemanbieter hinaus. Dabei können gerade spezialisierte CMS- und DXP-Dienstleister unterstützen, die in beiden Feldern aktiv sind. Walter Wahl sollte gemeinsam und faktenorientiert mit weiteren Mitarbeitern und der Geschäftsführung entscheiden, welche Auswahlkriterien schließlich den Ausschlag geben.

Tim NeugebauerTim Neugebauer (Jg. 1980) ist Mitgründer und Geschäftsführer der DMK E-BUSINESS GmbH. Der Diplom-Kaufmann verantwortet in der Geschäftsführung die Bereiche Strategie, Beratung und Vertrieb. Er lehrt zudem an der Beuth Hochschule für Technik Berlin in den Bereichen Dienstleistungsmarketing sowie Innovationsmanagement und ist Sprecher des Forums Digital Business im Verband der Softwareindustrie Berlin-Brandenburg (SIBB e.V.).
 

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