Interview

e-Residency: Modernes e-Government made in Estland

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Es wird viel über die Digitalisierung gesprochen. Mal liegt Deutschland in diversen Studien auf Platz 11, mal 12, mal auf Platz 13 von 28 EU-Mitgliedsländern, in jedem Fall ist es Mittelmaß, auch was den Digitalisierungsgrad (DESI) angeht. Besser machen es die skandinavischen und die baltischen Länder. Besonders schwach ist in Deutschland der gesamte Bürokratenapparat, kurz e-Government.

Firmengründung etwa gibt es in UK oder Estland schon lange online. Wie man es richtig macht zeigt Estland mit seinem e-Residency-Programm. Dazu sprach Liina Vahtras, Managing Director e-Residency in Estland mit Ulrich Parthier, Publisher it management.

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Seit wann gibt es das e-Residency-Programm in Estland, wer kann daran teilnehmen und wie viel kostet es?

Liina Vahtras: Das estnische e-Residency-Programm wurde am 8. Dezember 2014 eingeführt. Das estnische e-Residency-Programm bietet Zugang zu Estlands fortschrittlicher digitaler Infrastruktur. Es kann für eine Reihe von Aktivitäten genutzt werden, einschließlich der Gründung und der vollständig digitalen Führung eines Unternehmens.

Unser Land lädt alle interessierten Personen ein, sich für eine e-Residency zu bewerben, wenn sie die folgenden Voraussetzungen erfüllen:

  • Die Antragsteller sollten eine klare Vorstellung davon haben, warum sie eine e-Residency beantragen und wie sie diese nutzen wollen.
  • Sie respektieren das Gesetz und haben gute Absichten.
  • Sie sind keine estnischen Staatsbürger oder Ausländer, die sich mit einer Aufenthaltsgenehmigung oder einem Aufenthaltsrecht in Estland aufhalten (diese Personen haben bereits eine von der Regierung ausgestellte digitale ID-Karte).
  • Anträge von Bürgern aus Russland und Weißrussland werden nicht angenommen.

Für wen eignet sich das Programm?

Liina Vahtras: Die E-Residency eignet sich besonders gut für Freiberufler, Berater, digitale Nomaden und andere digitale Unternehmer, die ein digitales Dienstleistungsunternehmen gründen wollen, das sie von jedem Ort der Erde aus betreiben können.

Wie sieht es mit den Kosten aus?

Liina Vahtras: Während des Online-Bewerbungsverfahrens muss eine staatliche Gebühr entrichtet werden, die von dem in der Bewerbung gewählten Abholort abhängt. Die Gebühr liegt zwischen 100 und 130 Euro.

Für den digitalen e-Residency-Ausweis fallen keine Jahres- oder Verwaltungsgebühren an. Der digitale Ausweis von e-Residency ist fünf Jahre lang gültig. Die staatliche Gebühr für die Erneuerung oder den Ersatz ist die gleiche.

Die staatliche Gebühr für die Online-Registrierung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (OÜ) beträgt 265 €.

Was sind die Vorteile des Programms, zum Beispiel im Vergleich zu Deutschland?

Liina Vahtras: Das Programm bietet zahlreiche Vorteile. Nachfolgend die wichtigsten:

  • Bürokratie-Freiheit und 100 % digitale Unternehmensgründung und -führung, ohne Kompromisse bei der Sicherheit
  • Gründung eines Unternehmens in Weltrekordgeschwindigkeit (15 Minuten und 33 Sekunden)
  • Es wird von der estnischen Regierung unterstützt, die eine sichere digitale ID verwendet, wie die, die alle estnischen Bürger haben, um 99 % ihrer Behördendienste rund um die Uhr online zu nutzen.
  • Niedrige Kosten für die Gründung und den Betrieb eines Unternehmens
  • Aktive Gemeinschaft von Unternehmern und E-Residenten.
  • Estlands Steuersystem ist das wettbewerbsfähigste der Welt. Die Körperschaftssteuer wird aufgeschoben, bis der Gewinn entnommen wird, was Anreize für Re-Investitionen und Wachstum schafft.
  • Estland ist Nordeuropas Drehscheibe für Unternehmen mit globalen Ambitionen. Es hat die höchste VC-Finanzierung pro Kopf in Europa. E-Residenten können über die e-Residency und estnische Unternehmensnetzwerke Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten erhalten.

Wie viele e-Residents gibt es und welche Vorteile ergeben sich für Estland?

Liina Vahtras: Ich habe für sie die wichtigsten zahlen zusammengtragen:

  • +105 000 Menschen haben insgesamt eine e-Residency erhalten
  • 6.287 deutsche Staatsbürger haben eine estnische E-Residency erhalten / 2112 estnische Unternehmen wurden von E-Residents mit deutscher Staatsbürgerschaft gegründet
  • 1000 neue Anträge für eine e-Residency pro Monat
  • +350 neue Firmengründungen durch E-Residents pro Monat

Die Vorteile für Estland: sind folgende:

  • Im Laufe der Jahre haben E-Residents mehr als 27.000 Unternehmen in Estland gegründet.
  • Das Programm hat Estland 183 Millionen Euro an Steuereinnahmen und staatlichen Gebühren eingebracht.
  • das Programm steigert die Wettbewerbsfähigkeit des estnischen Unternehmensumfelds und zieht Talente sowie Investitionen an
  • Indirekte wirtschaftliche Auswirkungen: Wachstum und Rentabilität von Unternehmen, die E-Residenten beliefern, Zunahme ausländischer Investitionen, Erhöhung der Zahl der Arbeitsplätze. Mehr als 5000 Menschen wurden in Estland von den Unternehmen eines e-Residenten und Unternehmen, die Dienstleistungen für e-Residenten erbringen, beschäftigt.

Benötigen e-Residenten ein zusätzliches Visum für Estland? Oder ist die europäische Freizügigkeit für EU-Bürger ausreichend?

Liina Vahtras: Wenn ein e-Resident Estland besuchen oder dort leben möchte, gilt für EU-Bürger die Freizügigkeit. Für Nicht-EU-Bürger gilt die reguläre Visumspflicht. Beliebte Optionen sind das Visum für digitale Nomaden und das Startup-Visum.

Was und wo zahlt ein e-Resident Steuern?

Liina Vahtras: Die steuerliche Ansiedlung von Unternehmen hängt von den besonderen Umständen des jeweiligen Unternehmens ab. Wenn sich die Betriebsstätte des Unternehmens in Estland befindet, wird die Körperschaftssteuer in Estland gezahlt. Wird die Geschäftstätigkeit des estnischen Unternehmens an einem anderen Ort ausgeübt oder wird das Unternehmen von außerhalb Estlands geleitet, werden die in einem ausländischen Staat erzielten Einkünfte in diesem ausländischen Staat besteuert, und Estland sorgt für die Vermeidung der Doppelbesteuerung.

Persönliche Steuern werden getrennt von der Körperschaftssteuer behandelt und in dem Land gezahlt, in dem die natürliche Person ihren Wohnsitz hat.

Estlands e-Residency-Programm bringt fast 40 Millionen Euro an Staatseinnahmen ein. In der ersten Hälfte des Jahres 2023 erzielten die estnischen e-Residency-Unternehmen Steuereinnahmen in Höhe von 37,7 Millionen Euro. Dies entspricht einem Anstieg von 57 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bis heute hat das e-Residency-Programm Estland Einnahmen in Höhe von 183 Millionen Euro beschert.

Der größte Teil der Steuereinnahmen – 55 Prozent oder 20,6 Millionen Euro – stammt aus den Lohnabgaben der in Estland registrierten Unternehmen von e-Residenten. Die restlichen 45 Prozent – 17,1 Millionen Euro – stammen aus der Einkommenssteuer auf Sonderfälle, hauptsächlich Dividenden. Zusätzlich zu den Steuern zahlten die e-Residenten auch 1,4 Millionen Euro an staatlichen Gebühren, so dass sich die wirtschaftlichen Auswirkungen des Programms in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 auf 39,1 Millionen Euro beliefen.

Welche Pläne gibt es für die weitere Entwicklung des Programms im Jahr 2023-24?

Liina Vahtras: e-Residency bietet aufgrund seines vollständig digitalen Charakters, seiner Kosteneffizienz und seines benutzerfreundlichen Ansatzes einen deutlichen Vorteil gegenüber herkömmlichen Geschäftsumgebungen. Ein Bereich, in dem das Programm ständig verbessert wird, ist die Straffung des Prozesses, um die Zeit zu verkürzen, die die Antragsteller benötigen, um ihre digitale ID zu erhalten. Derzeit vergehen von der Einreichung des Antrags bis zum Erhalt der digitalen ID durchschnittlich etwa 65 Tage. Dieser Zeitrahmen ergibt sich in erster Linie aus den strengen Sicherheitsmaßnahmen und der Notwendigkeit einer biometrischen Überprüfung bei der Kartenausstellung.

Ein weiterer Schwerpunkt des Programms ist die Steigerung des wirtschaftlichen und unternehmerischen Nutzens für Estland. Bemerkenswerterweise haben mehr als 30 % der estnischen Start-ups einen e-Residenten als Gründer. Um diesen Trend noch weiter zu verstärken, beteiligt sich das Programm aktiv an Initiativen, die darauf abzielen, mehr Startup-Gründer für das estnische Unternehmensökosystem zu gewinnen.

Liina Vahtras, Managing Director e-Residency
Liina Vahtras, Managing Director e-Residency

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Managing Director

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