Kommentar

Der digitale Produktpass kommt – Zeit, Ordnung ins Datenchaos zu bringen

Lieferkette digital

Die EU hat kürzlich für die Einführung des digitalen Produktpasses (DPP) abgestimmt und damit einen wichtigen Schritt in Richtung nachhaltigere Zukunft gegangen. Was das für europäische – und außer-europäische – Unternehmen bedeutet und welche Rolle das Produktinformationsmanagement dabei einnimmt, erklärt Niels Stenfeldt, CEO von inriver.

Produkte werden hergestellt, zum Verkauf angeboten und von Verbrauchern gekauft, konsumiert und entsorgt. So gestaltet sich auch heute noch der lineare Lebenszyklus vieler Produkte, was alles andere als ökonomisch ist. Deshalb strebt die EU zugunsten der Nachhaltigkeit eine Kreislaufwirtschaft an. Dabei geht es darum, Produkte, Einzelteile und Materialien durch kontinuierliches Recycling zurück in den Umlauf zu bringen, anstatt sie zu entsorgen und/oder dauerhaft zu vernichten. Der Vorteil: Es werden weniger Abfälle produziert, während weniger Ressourcen verbraucht werden; Verschwendung und Umweltbelastung werden eingedämmt.

Anzeige

Allerdings ist mit dem Aufbau einer Kreislaufwirtschaft ein großer Aufwand verbunden. Dieses Konzept kann nur funktionieren, wenn Produkte und Lieferketten in sehr hohem Maße transparent und nachvollziehbar sind. Mit dem digitalen Produktpass (DPP) will die EU diese Herausforderung adressieren: Alle nachhaltigkeitsrelevanten Informationen, die sich für ein Produkt entlang der Lieferkette ergeben, sollen festgehalten und öffentlich zugänglich gemacht werden.

Was sich hinter dem DPP verbirgt

Nicht nur für Verbraucher, sondern auch für Politik und Wirtschaft nimmt das Thema Nachhaltigkeit mittlerweile einen sehr hohen Stellenwert ein. Doch es bestehen immer noch drastische Wissenslücken, die den Weg in eine ökonomischere Zukunft blockieren. Wichtige Details wie Rohstoffgewinnung sowie Zusammensetzung, Herstellung und Transport eines Produktes werden der Öffentlichkeit weitestgehend vorenthalten.

Das soll der DPP ändern. Dieser sieht vor, dass Hersteller, Materialbeschaffer und Zulieferer nachhaltigkeitsrelevante Daten sammeln, standardisieren, offenlegen und laufend aktualisieren. Dadurch soll mehr Transparenz entlang der gesamten Lieferkette entstehen – vom Rohstoffabbau bis hin zum Verkauf an den Endverbraucher und darüber hinaus.

Derzeit legt die EU fest, welche Informationen genau Unternehmen für den DPP bereitstellen müssen. Allerdings lassen sich bereits einige Informationen herleiten, die von Bedeutung sein werden. Darunter: Fabrikat und Modell, Herstellungsort, Herkunft von Rohstoffen, materielle und chemische Zusammensetzung, Recyclingfähigkeit, Reparierbarkeit und Reparaturgeschichte, Eigentums- und Verkaufsdaten sowie Emissionsausstoß während der Herstellung und Distribution.

Dabei darf man sich den DPP nicht als Papierdokument vorstellen. Vielmehr werden all diese Informationen über eine scannbare Komponente wie einen NFC-Chip oder einen QR-Code verfügbar gemacht, die jedes Produkt erhält.

Von Transparenz profitiert jeder

Ein hoher Grad an Transparenz ist für das DPP-Vorhaben essenziell. Schließlich soll jeder Hersteller, Zulieferer oder auch Verbraucher – also Personen und Organisationen, die mit einem Produkt interagieren – Zugang zu nachhaltigkeitsrelevanten Informationen erhalten. Von dieser transparenten Informationsfülle profitieren verschiedene Bereiche, wodurch sie einen direkten Beitrag zur geplanten Kreislaufwirtschaft leisten können. 

Steigende Nachvollziehbarkeit ist dabei der größte Vorteil. So erhalten Hersteller und Zulieferer eine detaillierte Übersicht über den Weg, den Rohstoffe und Komponenten entlang der Lieferkette gehen, um die Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrecht sowie Umweltstandards zu gewährleisten – ganz im Sinne des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. Behörden wiederum erhalten Standardwerte, an denen sie sich im Rahmen von Compliance-Audits orientieren können. Daneben erhalten auch Reparatur- und Recyclingdienste detaillierte Anhaltspunkte zur Produktzusammensetzung, um optimale Entscheidungen hinsichtlich der Demontage, Reparatur sowie Materialwiederverwertung zu treffen. Für Endverbraucher entsteht ebenfalls ein Mehrwert: Die Nachhaltigkeitsdaten können einen Einfluss auf Kaufentscheidungen haben und somit einen ökonomischeren Konsum fördern.

Der Pass wird weder über Nacht noch für alle Produktkategorien gleichzeitig verfügbar sein. Vielmehr plant die EU einen Schritt-für-Schritt-Rollout und beginnt für eine erste Testphase mit den Industrie- und E-Auto-Batterien. Danach folgt die Kategorie „Bekleidung“. Im Anschluss soll der DPP schrittweise in mehr als 30 weiteren Produktkategorien eingeführt werden.

Newsletter
Newsletter Box

Mit Klick auf den Button "Jetzt Anmelden" stimme ich der Datenschutzerklärung zu.

Datentransparenz braucht eine geordnete Datengrundlage

All das bedeutet jedoch nicht, dass sich Unternehmen bis dahin zurücklehnen und abwarten können. Da das Ziel eine hohe Lieferketten- und Datentransparenz ist, sollten Unternehmen bereits heute damit beginnen, sich und ihre Datensammlung auf die bevorstehende Einführung vorzubereiten.

Der DPP wird nicht nur für Unternehmen als Ganzes Folgen habe, sondern sich auch direkt auf die Arbeit einzelner Geschäftsbereiche auswirken. Das schließt auch internationale Partner ein. Denn obwohl es sich beim DPP um ein Nachhaltigkeitsprojekt der EU handelt, muss jedes Land den DPP-Vorgaben entsprechen, wenn es innerhalb der EU-Grenzen Handel betreiben will. Andernfalls bleibt ihnen der Zugang zum Markt verwehrt.

Sobald sämtliche Stakeholder auf den gleichen aktuellen Wissensstand gebracht wurden, sind die Daten selbst an der Reihe. In einem ersten Schritt müssen Unternehmen herausfinden, welche Lieferkettendaten sie haben, wo diese sich befinden und – im Umkehrschluss – welche ihnen noch fehlen. Um DPP-konform zu sein, sind vollständige und konsistente Produktdatensätze unerlässlich. Sprich: Fehlen Informationen, liegt es am Unternehmen, sie zu beschaffen und Lücken zu füllen. Dabei kann eine Produktinformationsmanagement-Lösung (PIM) helfen. Mit ihr lassen sich (verteilte) Daten ausfindig machen, zentral sammeln, ordnen, standardisieren und gegebenenfalls ergänzen – und das entlang der gesamten Lieferkette. 

Fazit

Der digitale Produktpass kommt – und es führt kein Weg drum herum. Auch wenn noch nicht genau absehbar ist, wann der DPP flächendeckend ausgerollt wird, sollten Unternehmen bereits heute mit den nötigen Vorbereitungen beginnen. Mithilfe einer PIM-Lösung können Unternehmen für jene Datenordnung und Transparenz sorgen, die für den Erfolg des DPP und folglich auch die Nachhaltigkeitsziele der EU entscheidend sind.

Niels Stenfeldt

Niels

Stenfeldt

CEO

inriver

Anzeige

Artikel zu diesem Thema

Weitere Artikel

Newsletter
Newsletter Box

Mit Klick auf den Button "Jetzt Anmelden" stimme ich der Datenschutzerklärung zu.