Kommentar

Warum eine europäische digitale Souveränität gelingen kann

Seitdem der EuGH das transatlantische Datenschutzabkommen Privacy Shield für ungültig erklärt hat, werden verstärkt Rufe nach europäischer digitaler Souveränität laut. Kann das gelingen? Elmar Geese, COO bei Greenbone Networks, nennt fünf gute Gründe, warum wir selbstbewusster sein sollten.

1. Rechtlich sicherer Rahmen

Viele Unternehmen sind verunsichert, ob sie weiterhin die Cloud Services der großen Hyperscaler einsetzen sollten. Denn Datenschützer:innen drohen mit hohen Bußgeldern. Klar ist: Seitdem der Privacy Shield nicht mehr gilt, fehlt die Rechtsgrundlage für die Übertragung von personenbezogenen Daten von EU-Bürger:innen in die USA. Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder haben sich dazu eindeutig geäußert: „Die Übermittlung personenbezogener Daten in die USA auf der Grundlage des Privacy Shield ist unzulässig und muss unverzüglich eingestellt werden.“

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Dass es gelingt, ein neues, zufriedenstellendes Datenschutzabkommen auszuhandeln, ist fraglich. Denn im Zweifelsfall übertrumpft in den USA stets der CLOUD Act den Datenschutz. Dieser Erlass verpflichtet amerikanische Unternehmen, Daten an die US-Behörden herauszugeben, unabhängig davon, in welchem Land sie sich befinden. Auch Daten von US-Anbietern in europäischen Cloud-Rechenzentren sind davon betroffen. Um ihre Investitionen zu schützen, brauchen europäische Unternehmen einen sicheren rechtlichen Rahmen, in dem sie agieren können – und den gibt es innerhalb der EU auch. Doch nur Cloud- und IT-Angebote aus der EU bieten die Voraussetzungen, um die Bestimmungen auch einzuhalten.  

2. Strategische und politische Unabhängigkeit

Der Konflikt um die umstrittene Pipeline Nord Stream 2 hat wieder einmal deutlich gemacht, wie gefährlich wirtschaftliche Abhängigkeit ist. Ganz gleich, ob man das Projekt nun gutheißt oder nicht: Es darf nicht sein, dass deutsche Unternehmen mit Restriktionen konfrontiert sind, nur weil sie als Dienstleistungsfirma für den Bau einer russischen Pipeline tätig werden. Gerade Abhängigkeiten im IT-Bereich können weitreichende Folgen haben. Denn Informationstechnologie bildet heute die Basis für nahezu sämtliche Geschäftsprozesse und beeinflusst die gesamte wirtschaftliche Entwicklung. Man denke nur an die Automobilindustrie, in der Tesla mit seinen „rollenden Computern“ für Disruption sorgt. Für europäische Unternehmen ist es daher unverzichtbar, digitale Unabhängigkeit zu erlangen. Nur so können sie auch unabhängige wirtschaftliche und strategische Entscheidungen treffen.

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3. Nähe zur Kundschaft

Europäische Anbietende kennen die Bedürfnisse und Anforderungen von europäischen Unternehmen. Sie können sich besser in deren Situation und Herausforderungen hineinversetzen und diese passgenau adressieren. Auch das ist eine Stärke, auf die wir uns besinnen sollten. Besonders wichtig ist es, engen Kontakt mit Kundschaft und Interessierten zu pflegen. Hier spielt eine Community-Kultur ihre Stärke aus, wie sie Open-Source-Firmen häufig fest in ihrer DNA verankert haben. Ein Community-Forum ermöglicht es zum Beispiel, sich kontinuierlich mit Personen, die die Produkte nutzen, auszutauschen. So erfahren Anbietende aus erster Hand, welche Wünsche, Herausforderungen oder Anregungen ihre Kundschaft hat.

4. Technische Expertise

Zweifelnde Personen sagen oft: Den Vorsprung der großen Hyperscaler holen wir ohnehin nicht mehr auf. Sollte man es deshalb gar nicht erst versuchen? Ganz im Gegenteil. Gerade in Deutschland gibt es viele Hidden Champions, die in ihrem Bereich in der Oberliga spielen und technisch durchaus mit börsennotierten amerikanischen Wettbewerbern mithalten können. Es wäre jedoch falsch, sich in Nischen abdrängen zu lassen. Stattdessen sollten wir uns darauf konzentrieren, überzeugende Lösungen zu entwickeln, die funktionieren und die Bedürfnisse der Nutzenden adressieren. Denn das ist es, was sich am Markt durchsetzt. 

5. Gemeinsam sind wir stark

Einzelnen Unternehmen alleine kann es kaum gelingen, den Vorsprung der amerikanischen Monopolisten aufzuholen. Damit Wettbewerb wieder möglich wird, brauchen wir einen gemeinsamen, europäischen Ansatz. Deshalb sind Initiativen wie GAIA-X so wichtig. Auf Basis von Open-Source-Technologie soll eine unabhängige, europäische Dateninfrastruktur geschaffen werden. Denn ein offenes, digitales Ökosystem ist der Schlüssel zum Erfolg, damit Unternehmen und Geschäftsmodelle aus Europa heraus weltweit wettbewerbsfähig sein können.

Fazit

Wenn sich europäische Unternehmen auf ihre Stärken besinnen und an einem Strang ziehen, schaffen sie es auch, digitale Souveränität zu erlangen. Dabei spielen Offenheit und Transparenz eine entscheidende Rolle. Elmar Geese, COO bei Greenbone Networks, fasst zusammen: „Wir haben die Chance, uns wieder zu emanzipieren. Neben einem politisch/strategischen Ansatz ist es auch entscheidend, dass wir Technologie und Willen nutzen und unsere Stärken hier ins Feld führen. Nischen haben wir bereits erobert, Greenbone Networks ist ein perfektes Beispiel dafür. Open Source zu nutzen und auch zu produzieren, ist die einzige Chance, um im Bereich der führenden digitalen Technologien auch im großen Stil wieder Anschluss zu gewinnen.“

Geese Elmar

Greenbone -

COO

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