Mehrwert der künstlichen Intelligenz

Wo, bitte, geht’s hier zur KI?

Immer mehr Unternehmen wollen von künstlicher Intelligenz profitieren. Viele wissen nur leider nicht, wo sie ansetzen sollen. Ein Start-up will hier Abhilfe schaffen: mit der Cloud.

Selten klaffen Erwartung und Realität so weit auseinander wie derzeit beim Thema künstliche Intelligenz. Einerseits sehen neun von zehn Unternehmensmanagern grundlegende Veränderungen bei Geschäftsprozessen und Kundeninteraktionen durch KI. Das meldeten kürzlich die Marktforscher von Lünendonk & Hossenfelder. Nur zwei Prozent sehen demnach keine Relevanz für ihr Unternehmen. „Dennoch scheinen aus Sicht der befragten Unternehmen die KI-Tools noch nicht geeignet, die Qualität der Produkte und Dienstleistungen sowie die Kundenzufriedenheit nachhaltig zu verbessern“, analysiert Studienautor Mario Zillmann in seiner Zusammenfassung. „Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der KI aktuell eher eine unterstützende Funktion zugewiesen wird und weniger eine strategische Rolle.“

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KI bringt kleine, pragmatische Anwendungen hervor

Der Erfolg von KI steht und fällt derzeit offenbar mit ihren möglichen Einsatzszenarien (Use Cases). Und diese sind derzeit vor allem dann erfolgreich und gewinnbringend, wenn sie sich pragmatisch auf kleine, überschaubare Anwendungsfelder fokussieren. So ist zum Beispiel eine der größten US-amerikanischen Krebskliniken im US-Bundesstaat Texas zwar mit ihrem ambitionierten Projekt gescheitert, unter Einsatz von IBMs KI „Watson“ bestimmte Krebsarten automatisch zu diagnostizieren und entsprechende Therapien zu empfehlen. Doch gelang es der gleichen Klinik, Besuchern von Patienten immerhin automatisiert geeignete Hotels zu empfehlen – ebenfalls auf KI-Basis.

In manchen Segmenten des IT-Service-Marktes wiederum entscheiden die KI-Fähigkeiten der Anbieter bereits über deren Wettbewerbsfähigkeit. So zum Beispiel bei den Providern von Application-Development-and-Maintenance-Lösungen (kurz: ADM). „Mit Blick auf KI trennt sich bei den ADM-Anbietern derzeit die Spreu vom Weizen“, sagt zum Beispiel Oliver Nickels, Senior Advisor im Auftrag des Marktforschungs- und Beratungshauses Information Services Group (ISG). „Die großen Anbieter haben KI-Technologie und kognitive Analytikfähigkeiten bereits am weitesten in ihr Portfolio integriert.“ Führende Anbieter würden KI und Machine Learning vor allem einsetzen, um die Software-Entwicklung und -wartung zu automatisieren und zu industrialisieren. „Die kleineren Anbieter hingegen müssen aufpassen, dass sie angesichts dieser Entwicklung nicht ins Hintertreffen geraten“, so der ISG-Analyst.

Wo kann KI Mehrwert schaffen?

Auf Seiten der Anwender stehen hingegen vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen vor viel grundlegenderen Fragen. Schließlich müssen Unternehmen erst einmal den richtigen Zugang finden, indem sie klären: Welche konkreten Business Cases könnten sich für sie mithilfe von KI ergeben? Und wie lassen sich solche Anwendungsfälle identifizieren? Verfügt das Unternehmen überhaupt über die notwendige Datenbasis? In diese Lücke stoßen derzeit vor allem Start-ups, die sich auf die Fahnen geschrieben haben, den zündenden Funken in Sachen künstlicher Intelligenz zu liefern.

Ein Beispiel ist boot.AI aus Düsseldorf, die sich sogar an Unternehmen richten, deren Geschäft weder software- noch datengetrieben ist. Florian Schild, Gründer von boot.AI ist überzeugt: „Jeder kann von KI profitieren, egal, was ein Unternehmen tut oder welcher Branche es angehört.“ Die entsprechende Analyse führen Schild und sein Team – wie könnte es anders sein – auf Basis von KI-Plattformen durch, welche eine Public Cloud für sämtliche Rechenoperationen nutzten. Damit analysiert boot.AI bestehende Vorgänge und die anfallenden Daten in einem Unternehmen und zeigt Verbesserungspotenziale auf. Damit automatisieren die Gründer nicht nur Prozesse in Unternehmen, sondern bringen in vielen Fällen ganz neue Geschäftsprozesse hervor.

Ein Beispiel war etwa die automatische Angebotsoptimierung bei einem Bauunternehmen. Boot.AI erstellte mithilfe einer eigens programmierten KI Einkaufslisten für alle vom Architekten geforderten Auflagen und konnte auf dieser Datenbasis das Planen von Bauvorhaben wesentlich effizienter und kostengünstiger gestalten. Mehr noch: Das Bauunternehmen kann diese KI-Plattform nun auch anderen Unternehmen zum Kauf oder zur Lizensierung anbieten, die damit ihre Angebotserstellung optimieren. Und so Gewinne in einem Bereich erwirtschaften, der mit ihrem bisherigen Geschäftsmodell gar nichts zu tun hat – ein Szenario, das in allen Branchen denkbar ist.

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KI rechnet in der Public Cloud

Das Start-up liefert in Fällen wie diesen das notwendige Know-how und entwickelt entsprechende Algorithmen. Dafür greift boot.AI auf die Ressourcen einer Public Cloud zurück. Zunächst waren dies die Dienste und Rechenzentren von Amazon Web Services (AWS), doch schwenkte das Start-up bald auf das Public-Cloud-Angebot der Deutschen Telekom um, die Open Telekom Cloud. „Auslöser war die Forderung eines Kunden aus dem medizinischen Sektor nach höherer IT-Sicherheit und besserem Datenschutz“, sagt Gründer Florian Schild. „Da lagen die mehrfach zertifizierten Rechenzentren des Bonners Anbieters nahe, die alle Daten in Deutschland hosten und dadurch die hiesigen Regularien und Gesetze uneingeschränkt erfüllen.“

So nutzt boot.AI heute unter anderem die so genannten Bare Metal Server (BMS) aus der Open Telekom Cloud. BMS-Ressourcen stehen einzig und allein einem Kunden zur Verfügung. Im Fall von boot.AI sind dies zweimal 14 Prozessorkerne, 512 GB Arbeitsspeicher und acht P100 Nvidia-Grafikkarten, auf die das Start-up in der Cloud zugreift. Laut Schild eignet sich diese Lösung optimal zum Erstellen neuronaler Netze in vertrauensvoller Umgebung: „Dank der vielen Graphic Processor Units (GPUs) können wir Millionen Datensätze gleichzeitig bearbeiten. Die Berechnungen laufen pro GPU zehn bis hundertmal schneller. Das macht bei einem Server der Telekom Berechnungen in drei Stunden möglich, wofür wir sonst 30 Tage benötigen würden. Auf diese Weise sind die Ergebnisse, die wir mit unserer KI erzielen, schnell abrufbar, agil nutzbar und damit schnell sehr hochwertig. Ein Qualitätsmerkmal, mit dem wir uns von Wettbewerbern unterscheiden.“

Eine KI nutzt die andere

Die Herangehensweise von boot.AI zeigt, dass sich KI-Lösungen auch bei einem sehr überschaubaren und punktuellen Einsatz durchaus lohnen – und dies unabhängig von Unternehmensbranche und -größe. Zumal eine neu geschaffene künstliche Intelligenz oft auf einer bereits bestehenden KI aufbaut – zur Qualitätskontrolle. Werden sie mit branchenspezifischen Kameras versehen, können sie beispielsweise die visuelle Prüfung in der Industrie übernehmen. Dies ist ein KI-Szenario, das boot.AI bereits mehrfach erfolgreich implementiert hat. Einige Unternehmen haben ihr Investment bereits innerhalb weniger Monate wieder herausgeholt. Sie sparen Zeit, verfügen über quantitative Auswertung ihrer Produkte und können die gesparten Ressourcen zum Beispiel in innovative Produkte investieren.

Matthias Longo Matthias Longo ist IT-Journalist in Berlin

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