Web 3.0: Information als Geschäftsmodell

Web 3.0

Datenzentrische Produkte und Geschäftsmodelle, die auf der Sammlung, Auf­be­reitung und Vermarktung von Daten und Informationen beruhen, werden künf­tig in vielen Branchen und Marktsegmenten erheblich an Bedeutung ge­win­nen. Der Mehr­wert entsteht dabei durch vielfältige Interaktionen in kom­plexen Wert­schöpfungs­netzen.

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Zur Gestaltung solcher wissensbasierten Ökosysteme wird die Fähigkeit entscheidend sein, den Daten- und Wissenspool anderer Mitglieder dynamisch mit der eigenen Informationsbasis zu integrieren. Mit dem Web 3.0, insbesondere dem SemanticWeb, entstehen neue Möglichkeiten, datenzentrische Wertschöpfungsnetze zu verknüpfen, zu trennen und bedarfsgerecht immer wieder neu zu kombinieren.

Web 2.0

Einige Unternehmen sind ihrer Zeit manchmal weit voraus. So verzeichneten eBay und Google als Pioniere im Web 2.0 bereits viele Erfolge, als das Schlagwort noch überhaupt nicht existierte. Bis heute ist vielen etablierten Unternehmen der Wert von Wikis, Blogs, Social Networks noch nicht bewusst. Ein Hauptmerkmal dieser Ära ist die Dominanz neuer, datenzentrischer Geschäftsmodelle, die nicht mehr auf der Produktion physischer oder digitaler Güter beruht, sondern sich im Sinne einer immateriellen Wertschöpfung auf die effiziente Sammlung, Aufbereitung und Vermarktung von Daten und Informationen konzentriert. Wie profitabel der vernetzte Austausch von Informationen, Wissen und Inhalten sein kann, zeigen einige spektakuläre Erfolgsgeschichten, die das Web 2.0 bisher hervorgebracht hat: Hierzu zählen Unternehmen wie MySpace (verkauft an News Corp. für 580 Mill. US-$), YouTube (gekauft von Google für 1,65 Mrd. US-$) oder Facebook (Marktwert von 15 Mrd. US-$, nach Microsoft-Kauf von 1,6 Prozent der Aktien für 240 Mill. US-$) hervor. Analysen von Detecon International ergaben, dass Unternehmen, die datenzentrische Geschäftsmodelle nutzen, eine deutlich höhere Ergebnismarge als ihre Pendants mit traditionellen ICT-Services aufweisen (siehe Bild 1).

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Das Erfolgsgeheimnis

Worin besteht aber das Erfolgsgeheimnis? Grundsätzlich agieren erfolgreiche Web-2.0-Unternehmen als Vermittler von Informationen (engl.: Infomediaries). Sie sammeln diese nicht nur aus vielfältigsten Quellen im Web, sondern binden das Wissen und die Informationen ihrer Kunden eng in die laufende Erweiterung der eigenen Datenbanken mit ein. Weiterhin legen sie alle entstehenden Informationen in einer strukturierten Weise ab, so dass Auswertungen automatisiert möglich sind. Schließlich stellen sie ihre Informationen über eine Reihe von Distributionskanälen zur Verfügung (siehe Bild 2). Mittels einfacher Nutzerschnittstellen sowie mit Datenbanken, die mit individuellem Kundenwissen gewachsen und inzwischen kaum nachahmbar sind, erzeugen erfolgreiche Player im Web 2.0 gleichzeitig ein Höchstmaß an Kundenbindung.

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Datenintegration in hoher Geschwindigkeit

Wohl gehört es auch in traditionellen Geschäftsmodellen zur Aufgabe jedes Unternehmens, externe Daten mit internen Daten zu verknüpfen. In der Welt der datenzentrischen Geschäftsmodelle entwickelt sich die Vermittlung von Informationen jedoch zum eigentlichen Produkt. Da Informationen häufig schnelllebig sind, gerät zudem die Geschwindigkeit der Datenintegration zum absolut kritischen Erfolgsfaktor. Zur Umsetzung datenzentrischer Geschäftsmodelle ist es daher wesentlich, die eigene Position im Informationsnetzwerk, den Umfang der eigenen Wertschöpfung sowie den Wert möglicher Kooperationen sehr stark unter den Gesichtspunkten von Datenintegration und -austausch zu analysieren. Hierbei ist jeweils immer eine geschäftliche und eine technische Frage zu beantworten:

  • Welchen Wert bieten die Daten an sich? (Geschäftssicht)
  • Wie schnell und effektiv lassen sich die Daten eines Kooperationspartners mit den eigenen Daten verbinden und gemeinsam nutzen? (Techniksicht)

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Beschleunigung durch Web 3.0

Bisherige Informationsprozesse auf die im Web 2.0 vorausgesetzten Geschwindigkeiten zu beschleunigen, bedeutet für traditionelle, legacy-geprägte Unternehmen eine große Herausforderung. Um Informationsschätze an vielen Stellen heben und nutzen zu können, muss das Problem der fehlenden Datenkonsistenz gelöst werden. Denn wie lassen sich Daten, die an unterschiedlichen Stellen und in heterogener Struktur existieren, wirtschaftlich zusammenfügen, so dass neue und sinnvolle Informationen entstehen? Seit einigen Jahren treiben Forscher und Unternehmen auch deshalb Verfahren voran, die die Semantik des Internet, also die Bedeutung von Inhalten, formal definieren. Informationen auf Webseiten sollen damit nicht nur für Menschen, sondern auch für Rechner interpretier- und weiterverarbeitbar werden. Laufende Aktivitäten, die eine Standardsprache für die hierzu notwendigen Metadaten von Webinhalten definieren sollen, werden unter dem Begriff „SemanticWeb“ zusammengefasst. Dieses soll künftig die auf Webseiten enthaltenen Inhalte sinngemäß und zielgerichtet miteinander verbinden. Die Kombination von Collective Intelligence, wie sie in Web-2.0-Applikationen wie Social Networks, Blogs, Wikis und Mashups zu finden ist, sowie künftigen Instrumenten des Semantic Web lässt sich somit als Web 3.0 bezeichnen (siehe Bild 3).

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Interaktion in Echtzeit

Im Web 3.0 wird sich die Integration von externen Daten mit internen Applikationen demnach immens vereinfachen. Die Organisation von Daten fällt genau wie der Aufbau zugehöriger Informationsdatenbanken und die Entwicklung von datenzentrischen Produkten künftig wesentlich leichter. Durch das SemanticWeb verschieben sich die meisten Aktivitäten für die Etablierung von datenzentrischen Geschäftsmodellen von technologischen Fragen weg hin zur geschäftlichen Ebene. Die wichtigsten Trends dabei sind:

  • Technische Hürden verlieren, die Entwicklung relevanter Geschäftsprozesse gewinnt an Bedeutung.
  • Evaluierung und Auswahl relevanter Informationen sind der Schlüssel zum Erfolg.
  • Den Nutzer ins Zentrum aller Aktivitäten zu setzen, wird entscheidend sein – Nutzerschnittstellen und Communities rücken daher in den Fokus.

Ein weitere Folge des Web 3.0: Während lineare Transaktionsprozesse mittlerweile weitgehend automatisiert sind, sind komplexe, auf Wissen basierende Austauschprozesse überwiegend noch an Personen und manuelle Abläufe gebunden. Da semantische Technologien die maschinelle Interpretation von Daten erlauben, wird die wissensbasierte Wertschöpfung in Partnernetzwerken erleichtert. Mit dem Web 3.0 können Datenbestände in (fast) beliebiger Größe und in Echtzeit zusammengeführt werden. Die sich abzeichnenden Veränderungen werden im Folgenden an einigen heutigen Beispielen analysiert.

Beispiele für Web-3.0-Szenarien

Einer der Wettbewerbsvorteile von Google liegt in der Fähigkeit, externe Datenquellen wie Nachrichten oder topographische Karten in die eigenen Angebote zu integrieren. Die Integration reicht von expliziter Kooperation bis hin zu passiver Erschließung durch Suchroboter. Jeweils müssen unterschiedliche Adressdatenbestände integriert werden. In der Welt des Web 3.0 werden Adressinformationen bereits an ihrer Quelle gekennzeichnet und für beliebige Partner im Wertschöpfungsnetz, auch solche ohne Suchtechnologie wie die von Google, deutlich einfacher nutzbar sein. Damit können sich Anbieter von Informationen mit Adressbezug diese gegenseitig einfach zur Verfügung stellen und so den Wert dieses Ökosystems steigern.

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Kombination mit physischen Produkten

Die Webseite www.nikeplus.com bietet Sportartikel mit innovativen Informationsmöglichkeiten an. Hier können Jogger mit dem gemeinsam mit Apple entwickelten iPod Sport Kit beim Laufen Daten wie Tempo, Zeit und Distanz über Kopfhörer hören oder sich auf dem Display des iPod anzeigen lassen. Nach dem Training synchronisiert nikeplus.com die Laufdaten, wertet sie über ein Interface aus, speichert sie für künftige Vergleiche und visualisiert den Lauf in einer Landkarte. Die Nutzer können sich in frei gestaltbaren Wettbewerben gegenseitig herausfordern und ihre Ergebnisse miteinander vergleichen. Das datenzentrische (Zubehör-) Produkt Nikeplus besteht im Kern aus einer komplexen Integration mehrerer Datenquellen. Die Technologien des Web 3.0 erlauben diese Verzahnung physischer und datenzentrischer Produkte künftig mit deutlich weniger Aufwand (siehe Bild 4).

Telekommunikation – Datenintegration in Echtzeit

Je umfangreicher allgemein die Konfigurationsmöglichkeiten von Produkten werden, desto komplexer gestalten sich die Abhängigkeiten und Kompatibilitäten der einzelnen Module. Das hierzu erforderliche Kombinationswissen stellt eine weitere Form datenzentrischer Erweiterung von physischen Produkten dar. Indem das Web 3.0 künftig alle Schnittstellen von Produktmodulen eindeutig beschreibt, entsteht etwa der Vorteil, dass sich Produktkataloge erweitern lassen, ohne dass alle bisherigen Teile auf Kompatibilität überprüft werden müssen. Langfristig kann diese Kombination von Produktmodulen sogar in Echtzeit geschehen. Hierzu ein Beispiel aus der Telekommunikationsbranche: Die Bereitstellung breitbandiger Internetdienste stellt hohe Ansprüche an Netzinfrastruktur und Endgeräte, wie z.B. die Bandbreite im Mobilfunk, die Größe des Endgerätedisplays und auch die parallele Nutzung anderer Dienste. Die Entscheidung, ob wann und wo über einen bestimmten Netzzugang ein Service bereitsteht, fällt in einem komplexen Vorgang, bei dem viele Parameter zwischen Netzbetreiber und mehreren Diensteanbietern abzustimmen sind. Mit Web-3.0-Technologien ist es vorstellbar, dass die Rekonfiguration von Diensten und Netzleistung eine nahtlose Nutzung über alle Kanäle und Endgeräte hinweg ermöglicht. So kann etwa ein Videoanbieter die übertragene Videoqualität an die zur Verfügung stehenden Bandbreite und andere Informationen aus dem Nutzerkontext anpassen.

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Handlungsoptionen im Web 3.0

Die hochdynamischen Ökosysteme des Web 3.0 ziehen ihren Wert aus der symbiotischen Interaktion ihrer Mitglieder. Die Wertsteigerung ist umso größer, je offener der Informationsaustausch der Partner ist. Dabei werden folgende Hauptwerttreiber zu beobachten sein:

  • Die Kombination der Daten untereinander erhöht deren Wert oder den des zugrunde liegenden physischen Produkts und schafft so Umsatzpotenziale.
  • Die Einbindung des Kunden in das Ökosystem erhöht die Kundenbindung und ermöglicht Cross- oder Up-Selling sowie geringere (Re-)Akquisitionskosten.
  • Durch Mass-Customization und Long-Tail-Geschäftsmodelle, bei denen eine große Anzahl von Nischenprodukten erheblichen Umsatz erzielen können, lassen sich neue Werte schaffen.
  • Die Kundenansprache direkt oder indirekt über Werbung wird deutlich effektiver.
  • Austausch- und Nutzungsprozesse von Daten sind durch die Industrialisierung deutlich effizienter gestaltbar.

Fazit

Auf diese Weise vorbereitet, haben Unternehmen gute Chancen, grundlegende Marktvorteile der durch Web 3.0 entstehenden informationsbasierten  Wertschöpfung zu ziehen. Denn datenzentrische Geschäftsmodelle und vor allem die Fähigkeiten zur Integration von Daten aus heterogenen externen Quellen, wie auch zum Aufbau eines virtuellen globalen Informationsnetzwerkes, werden die herkömmlichen Wetschöpfungsketten der meisten Unternehmen in hohem Maß verändern. Langfristig kann die Bedeutung von Web-3.0-Technologien über Dienste und Geschäftsmodelle hinausgehen und auch Strategien wie Mergers & Akquisitions und Outsourcing unterstützen.

DR. VOLKER RIEGER, DR. CHRISTOPH TEMPICH

Diesen Artikel finden Sie auch in der Ausgabe November 2008 des it management.

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