Die Mitarbeiter kennen sich auf der „Prozesslandkarte“ am besten aus

LandkarteArbeitsabläufe verbessern – dies haben sich viele Unternehmen auf die Fahnen geschrieben. Mit guten Prozessen können sie Fehler, Doppelarbeiten und Abstimmungsprobleme vermeiden.

Doch häufig vergessen Unternehmen bei der Verbesserung ihre Mitarbeiter einzubeziehen. Ein Fehler! Mitarbeiter wissen, wo es genau bei der täglichen Zusammenarbeit hakt; zudem sind von Mitarbeitern entwickelte Prozesse besonders erfolgreich. Mit einem Acht-Schritte-Programm können Unternehmen ihre Mitarbeiter fest in die Prozessoptimierung einbinden.

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So bringen Unternehmen stockende Arbeitsabläufe wieder in Schwung

Bei dem mittelständischen Kunststoffverarbeiter knirschte es mächtig. Die ausufernden Personalkosten drückten die Margen. Die Probleme waren hausgemacht: Doppelarbeiten im Unternehmen, Abstimmungsprobleme und lästige Arbeitsfehler raubten Arbeitszeit. Das Unternehmen versuchte die Arbeitsabläufe zu verschlanken. Es beschaffte eine Spezialsoftware und beauftragte Mitarbeiter, die Abläufe zu dokumentieren. „Prozesshandbücher und Anleitungen sollten unseren Mitarbeitern zeigen, wie sie besser zusammenarbeiten“, erklärte der Geschäftsführer. Doch kaum jemand hielt sich an diese Regeln. Erst beim zweiten Anlauf gelang die Umstellung. Dieses Mal hatten die Mitarbeiter selbst die neuen Arbeitsabläufe entworfen und waren von ihren eigenen Prozessen hellauf begeistert. Der Königsweg führt über die Mitarbeiter – dieses Mantra nennen viele Fachleute, wenn Unternehmen ihre Arbeitsabläufe verändern wollen. „Die Mitarbeiter wissen selbst am besten, wo es genau bei der täglichen Zusammenarbeit klemmt und wie sie stockende Abläufe am besten in den Griff bekommen können“, erklärt Kerstin Wünnecke, Spezialistin für Prozessmanagement bei der Unternehmensberatung „next level consulting“. Vor allem: Selbstgestaltete Arbeitsabläufe werden in der Regel schnell akzeptiert; die gemeinsam entwickelten Prozesse reduzieren nämlich auch den Arbeitsstress für Mitarbeiter. Kerstin Wünnecke empfiehlt für die Praxis ein Acht-PunkteProgramm, um gemeinsam mit den Mitarbeitern die Arbeitsabläufe fitzumachen:

Erster Schritt: Steuerkreis zusammenstellen

ProzesssteuerkreisDie Veränderung von Arbeitsabläufen braucht Rückenwind direkt von der Unternehmensspitze. Geschäftsführung und Bereichsleiter sollten sich vernehmbar hinter die Pläne stellen. Deshalb empfehlen Veränderungsprofis, einen Steuerkreis einzurichten. Dieser Steuerkreis formuliert die Ziele für die Veränderungen und setzt ein Arbeitsteam ein, das das Veränderungsprojekt in Gang setzt.

Zweiter Schritt: „Landkarte“ der Prozesse erstellen

Wer Arbeitsabläufe verändern will, muss zunächst die bestehenden Abläufe erkunden und beschreiben. Das Arbeitsteam erstellt eine sogenannte „Prozess-Landkarte“. Auf dieser globalen Karte sind unternehmensweit alle wichtigen Wege und Stationen der Arbeitsabläufe verzeichnet. Wichtig dabei: Die Abläufe müssen durchgehend und über Abteilungsgrenzen hinweg beschrieben werden: Etwa den Weg, den ein Kundenauftrag vom Bestelleingang bis zur Lieferung und Rechnungsstellung nimmt. Diese Gesamtbetrachtung deckt die Schnittstellen zwischen Abteilungen auf, an denen die Abläufe wiederholt ins Stolpern kommen. Außerdem empfehlen Fachleute, die Prozess-Landkarte nicht zu detailliert zu gestalten und die Abläufe möglichst mit allgemeinverständlichen Begriffen oder Symbolen zu beschreiben. Also: „Fachchinesisch“ und kryptische Zeichen vermeiden!

Dritter Schritt: Die Spreu vom Weizen trennen

Dritter SchrittNicht jeder Arbeitsablauf lohnt sich für eine Umgestaltung. Entscheidend ist, dass das Unternehmen den Hebel an den Wertschöpfungsketten ansetzt. „Das Arbeitsteam sollte die einzelnen Abläufe sorgfältig voneinander abgrenzen und Wertschöpfungsketten mit Potential identifizieren“, erklärt Kerstin Wünnecke. Auch prüft das Arbeitsteam für jeden dieser Abläufe, wer im Unternehmen „Prozesseigner“ und wer „Prozessverantwortlicher“ ist. Zum Hintergrund dieser Begriffe: Der Prozesseigner trifft die endgültige Entscheidung, Prozesse weiterzuentwickeln; er stößt diese Entwicklungen an („Entscheidungsträger“ für den Prozess). Dank seiner Position kann er auch Entscheidungen über Abteilungsgrenzen hinweg treffen. Anders der Prozessverantwortliche. Er beschreibt und analysiert seinen Prozess. Dann schlägt er Verbesserungsmaßnahmen vor. Diese Vorschläge sollten mit einem Team erarbeitet werden, zu dem auch Mitarbeiter gehören, die direkt in diesen Prozessen arbeiten.

Vierter Schritt: Das Vorhaben im Unternehmen vermarkten

Je früher und intensiver Mitarbeiter über Veränderungen informiert werden, desto besser können sie sich darauf einstellen. Deshalb sollte der Steuerkreis eine kleine „Informationskampagne“ starten und erklären, welchen Nutzen die Veränderungen erbringen, was die Veränderungen erzwingt, wie man vorgehen wird und wie die Mitarbeiter sich beteiligen können. „Im Idealfall informiert die Geschäftsführung nicht nur über das Projekt, sondern sucht auch den Dialog mit den Mitarbeitern und wirbt um Unterstützung“, erklärt Kerstin Wünnecke.

Fünfter Schritt: Prozessverantwortliche ausbilden

Die Prozessverantwortlichen – die „Manager der Abläufe“ – werden geschult. Sie sollen später im Team mit ihren Mitarbeitern überlegen, wie sie flüssiger zusammenarbeiten, Fehler vermeiden und Doppelarbeiten reduzieren können. Dafür brauchen die Prozessverantwortlichen „Handwerkszeug“. Einfache Methoden reichen: Wie beispielsweise ist die Arbeitsgruppe zu leiten? Wie kann man Prozesse aufzeichnen, wie in der Gruppe Lösungen und Verbesserungsvorschläge erarbeiten? Entscheidend für alle Beteiligten sind die einheitliche Vorgehensweise, sowie die Dokumentation mit gleicher Sprache und Symbolen. Nur so können die Ergebnisse aus den vielen Teams später zusammengeführt werden.

Sechster Schritt: Abläufe neu gestalten

Die Stunde für die Mitarbeiter hat geschlagen. Gemeinsam mit ihrem Prozessverantwortlichen bilden sie „Vor-Ort-Teams“. Diese Teams beschreiben ihre täglichen Arbeitsabläufe – und zwar zunächst so, wie sie derzeit gehandhabt werden. „Diese Aufzeichnungen sollten im Gegensatz zur Prozesslandkarte detailliert sein“, erklärt Kerstin Wünnecke. Ebenfalls wichtig: Bei der Aufnahme der aktuellen Abläufe dürfen Mitarbeiter die Wirklichkeit nicht mit dem Wunsch verwechseln. In diesem ersten Schritt geht es ausschließlich um den „Ist-Zustand“ der Abläufe. Dabei brauchen sich die Mitarbeiter nicht auf einen allgemeingültigen Ablauf zu einigen; Varianten bei den Arbeitsabläufen sind in der Praxis üblich. Im zweiten Schritt dann stellen die Mitarbeiter die Prozesse auf den Prüfstand, reden über Verbesserungen und einigen sich auf einen neuen Standard.

Siebter Schritt: Schnittstellen bearbeiten

Wie arbeiten die verschiedenen Unternehmensbereiche optimal zusammen? Wie kann der „Grenzverkehr“ zwischen den Abteilungen verbessert werden? Kerstin Wünnecke hat gute Erfahrungen damit gemacht, auch die Kooperation an den Schnittstellen von den Mitarbeitern bestimmen zu lassen. Sie empfiehlt für diese Abstimmung den „runden Tisch“. „Holen Sie die Mitarbeiter zusammen, die später an den Schnittstellen zusammenarbeiten sollen“, empfiehlt sie, „es ist verblüffend, wie schnell  sich die Mitarbeiter auf reibungslose Arbeitsübergaben und schlanke Abstimmungsschleifen einigen können.“

Achter Schritt: Am Ball bleiben

Es ist wie beim Sport: Wer nicht regelmäßig Abläufe trainiert, fällt in der Leistung zurück. Deshalb empfehlen Fachleute, nach einer gründlichen Prozessverbesserung weiterhin Verbesserungschancen aufzuspüren. „Geben Sie nach einem Verbesserungsprojekt den Mitarbeitern Zeit, sich in die neuen Abläufe einzufinden“, empfiehlt Kerstin Wünnecke. Nach beispielsweise einem halben Jahr sei es dann wieder Zeit, die Prozesse zu justieren und zu steuern.

Kerstin WünneckeKerstin Wünnecke, Spezialistin für Prozessmanagement bei der Unternehmensberatung „next level consulting“

www.nextlevelconsulting.eu

 

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