IT und Business: Nur gemeinsam sind sie stark (Teil 1/2)

GemeinsamIT ist kein Selbstzweck sondern dient dazu, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu sichern oder gar auszubauen. Daher ist es unabdingbar, dass Business und IT ihre strategischen Ziele gut aufeinander abstimmen. Das ist leichter gesagt als getan.

Dieser Fachbeitrag beschreibt in einer pragmatischen Herangehensweise, wie dieser Prozess gelingen kann. Es wird gezeigt, wie die IT-Strategie sowohl aus der Produkt-im-Markt – Sicht als auch aus den Geschäftsprozessen abgeleitet werden kann. Obwohl der Fokus stets auf dem Kundennutzen liegt, wird auch der Kosteneffizienz ein hoher Stellenwert eingeräumt. Abgerundet wird der Beitrag durch die anschauliche Beschreibung geeigneter Tools und Methoden wie der Portfoliotechnik, Value Chain, Quality Function Deployment und anderen.

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Entscheidend für den Erfolg wird aber primär sein, dass das Business eine Mitverantwortung für die IT-Kosten übernimmt und dass die strategische Planung in guter Partnerschaft erfolgt. Das Mittel dafür ist ein gemeinsames Strategieboard, dem die Rolle des Machtpromotors zufällt. Das ist eminent wichtig, da die Umsetzung der strategischen Maßnahmen Change Management pur bedeutet und entsprechende Widerstände zu überwinden sind.

Problem: die IT verursacht zu hohe Kosten

Größere IT-Landschaften mit weit mehr als hundert Applikationen haben die unvermeidliche Eigenschaft im Laufe der Zeit zu wachsen, im schlimmsten Fall unkontrolliert. Häufig ist dies abhängig von der Dynamik des Marktes, der Größe des Unternehmens und der Häufigkeit von Umstrukturierungen. Nicht unterschätzt werden darf auch das Bestreben der verschiedenen Organisationseinheiten, sich selbst immer weiter zu optimieren. Je fragmentierter die Arbeitsteilung, umso mehr spreizen sich die innerbetrieblichen Prozesse auf und desto größer ist die Gefahr, dass es zu ausufernden IT-Anwendungen kommt. Dies ist eine der klassischen Ausprägungen des Parkinson’schen Gesetzes.

Hinzu kommt die Problematik der Zielsteuerung der diversen operativen Einheiten. Die verschiedenen Organisationseinheiten haben in der Regel Performanceziele, z. B. Umsatz, Anzahl Neukunden etc., sowie einen Budgetrahmen. Es besteht zumindest die Gefahr, dass, solange Budget vorhanden ist, alles geordert wird was hilft, die Ziele zu erreichen. Das resultiert häufig im sogenannten Customizing von Standardsoftware. Hierbei geht es nicht um Konfiguration und Parametrisierung sondern um die funktionale Erweiterung und Änderung von Standardsoftware, um der ‚einzigartigen Besonderheit‘ des eigenen Geschäftes Rechnung zu tragen.

Gerade im Customizing gilt es immer wieder abzuwägen, ob diese zusätzliche Funktionalität wirklich einen Beitrag zur Steigerung des Unternehmenswertes leistet und inwieweit die Kosten-Nutzen- Relation gewahrt ist. Die Gefahr, die (Kosten-)Büchse der der Pandora zu öffnen ist recht groß. Denn hat man das Customizing erst einmal zugelassen, gibt es kein Zurück mehr.

Das Kostenproblem wird noch mal um eine Dimension erhöht, wenn neue Applikationen angeschafft werden. Sie lösen eine wahre Kostenlawine aus. Die einmaligen Anschaffungskosten sind dabei das kleinere Problem. Es sind vielmehr die laufenden Kosten für Lizenzen, SW Anpassungen bzw. Weiterentwicklung, Schnittstellenanpassungen an die übrige IT-Umgebung, laufende Kosten für SW Maintenance, Servicemanagement, HW-Betrieb usw.

Und wer kümmert sich um das Retirement von Applikationen, die den technologischen Ansprüchen nicht mehr genügen oder deren Marktbezug (Kunden, Transaktionen) auf Nischenformat geschrumpft ist? Warum sollte das Business ihrer Abschaltung zustimmen, solange sie noch einen Deckungsbeitrag erwirtschaften? Warum Budgetmittel für Abschaltung hergeben, wenn es doch schon für Neuentwicklungen nicht reicht?

Hier offenbart sich auch das Paradoxon der IT in Bezug auf ihren Nutzennachweis: den Umsatz verbucht der Vertriebsleiter, die Kosten dafür landen in der IT (siehe Buchta, Eul, Schulte-Croonenberg (2009), S. 11). Es ist einfach zu sagen, die IT kostet zu viel. Es lohnt sich, auch einmal hinter die Kulissen schauen und sich zu fragen, wodurch diese Kosten ausgelöst werden.

Die IT gerät durch solche Entwicklungen in ein Dilemma: einerseits ist sie Dienstleister und muss (immer schneller) liefern was das Business verlangt, andererseits wird sie aber auch für den Kostenaufwuchs verantwortlich gemacht. Die operativen IT-Bereiche sind schlicht damit überfordert, im Tagesgeschäft ständig abzuwägen, ob eine Anforderung wirklich zu höherem Kundennutzen bzw. Prozessoptimierung führt oder ob es ‚nice to have‘ -Anforderungen sind.

In einem solchen Szenario hilft nur eines: einen brauchbaren Ordnungsrahmen schaffen und eine wirksame IT-Governance einführen, die den Anforderungen des Tagesgeschäftes Stand hält, d.h. die Prinzipien einer kosteneffizienten IT einzuhalten ohne den Kundennutzen zu opfern.

Strategisches IT Management

Aus dem oben Gesagten wurde bereits deutlich, dass derartige Herausforderungen nicht im Rahmen des Tagesgeschäftes zu bewältigen sind. Das tägliche Business ist bottom-up getrieben und befasst sich mit operativen Fragestellungen. Ein Ordnungsrahmen muss die Dinge aber top-down betrachten und Leitlinien aus Sicht des Unternehmens vorgeben, u.a.:

  • welche Regeln/Leitlinien sind für die Umsetzung der IT-Strategie im Tagesgeschäft zu beachten?
  • wo soll investiert, wo desinvestiert werden?

Das Regelwerk muss organisationsübergreifend definiert werden und braucht das Commitment aller Stakeholder über die IT hinaus. Und es bedarf wegen seiner Tragweite besonderer Management Attention.

Deshalb ist es ratsam, die genannten Themen in ein strategisches Konzept einzubinden. Sowohl in der IT als auch im Controlling sollte es spezifische Organisationseinheiten geben, die sich speziell mit strategischen Fragestellungen befassen.

Dem strategischen IT-Controlling kommt dabei die Aufgabe zu, den Prozess des ‚strategic alignments‘ zu treiben, den Anstoß zu besonderen Fragestellungen zu geben und deren Umsetzung zu messen. Denn nur was gemessen wird, wird auch gemanaged!

Als strategische Einheit in der IT selbst bietet sich an, diese Aufgabe in der IT Architecture anzusiedeln, weil hier die Schaltzentrale bzgl. IT Portfoliomanagement und Standardisierung ist.

Da die Verantwortung für die IT Strategie letztlich immer beim CIO liegt, ist ein eigenes Strategic Office häufig ebenfalls angemessen. Strategisches IT-Management kann nur gelingen, wenn das Business mit am gleichen Strang (und in die gleiche Richtung) zieht. IT-Strategie folgt immer der Business Strategie! Daher beginnt der Prozess der strategischen IT-Planung stets beim Produktportfolio und den Geschäftsprozessen des Business unter Berücksichtigung der jeweiligen strategischen Positionierung im Markt.

Prozess des strategischen IT-Managements

Bild 1: Prozess des strategischen IT-Managements.

Der notwendige Gleichschritt von Business und IT legt es nahe, ein funktionsübergreifendes IT- Strategieboard zu implementieren. Diesem Board kommt auch die Rolle des Machtpromotors zu! Denn eines ist klar: Kosteneffizienz in der IT ergibt sich nicht von allein. Es gilt viele Widerstände und Interessenkonflikte zu überwinden. Das verlangt immer wieder klare Entscheidungen von höherer Stelle und nicht zuletzt auch die Einhaltung einer Anforderungsdisziplin auf der Businessseite.

Kosteneffizienz in der IT kann nur gelingen, wenn auch das Business bereit ist, historisch gewachsene Altlasten zu beseitigen, z.B. durch Bereinigung des Produktportfolios und Harmonisierung der Geschäftsprozesse.

Das IT-Strategie-Board als Machtpromoter

Bild 2: Das IT-Strategie-Board als Machtpromoter.

W. Keller (Vgl. Keller (2009-2012), S. 17) verweist auf imminente Risiken im strategischen IT Alignment. Die gemeinsame Formulierung einer IT Strategie, die auf der Business Strategie aufsetzt, wird nur schwer gelingen, wenn

  1. das Business die IT als ‚Underlings‘ und nicht als Erfolgsfaktor für Wettbewerbsstärke ansieht
  2. im Unternehmen eine Kultur des ‚hiding conflicts‘ vorherrscht.

Wenn die entsprechenden Voraussetzungen in der Unternehmenskultur nicht gegeben sind, bleibt der IT nur die Entwicklung der IT Strategie auf Basis der eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse.

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Aufgaben des strategischen IT-Managements

Gaddatsch (Vgl. Gaddatsch (2010), S. 93) nennt folgende Aufgaben des strategischen IT-Managements, dem sicher nichts hinzuzufügen ist:

  • Formulierung eines zukünftigen Sollzustandes
  • Auflistung des Handlungsbedarfs
  • Aufzeigen von Handlungsoptionen
  • Setzen von Zielen und Definieren von Maßnahmen
  • Benennung der Verantwortungsträger
  • Bestimmung von Messgrößen für das Ziel-Monitoring

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, welche strategischen Ziele sich die DAX-Unternehmen gesetzt haben. Hier eine kleine Auswahl (Vgl. Gaddatsch (2010), S. 100-103):

Strategische Ziele von DAX-Unternehmen

Bild 3: Strategische Ziele von DAX-Unternehmen.

Überleitung von der Business- zur IT-Strategie

Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Positionierung der Produkte im Markt und die Ableitung der grundlegenden Investitionsstrategie daraus. Darauf aufbauend wird dann untersucht, welche Implikationen diese Strategie auf die IT-Landschaft hat.

  • Haben wir es mit einem Wachstumsmarkt zu tun, der schnelle und relativ hohe Investitionen erfordert oder befindet sich das Produkt eher am Ende seines Lebenszyklus und gehört in die Kategorie ‚Konsolidierung‘ oder ‚Desinvestition‘?
  • Welche kritischen Erfolgsfaktoren müssen IT-technisch realisiert werden?
  • Wie ist die Ertragslage des Produktes und wieviel IT kann sich das Produkt leisten?

Kundennutzen wird aber nicht nur über Produkte generiert sondern auch über relevante Geschäftsprozesse, sowohl innerbetriebliche als auch überbetriebliche Prozesse. Gerade letztere haben im Zeitalter des eCommerce eine immense Bedeutung erlangt, da sie hinsichtlich Zielgruppen- spezifischer Profile, Reichweite, Flexibilität und Automation großen Einfluss auf den Geschäftserfolg haben.

Aus beiden Quellen des Kundennutzens sind die Anforderungen an die IT abzuleiten und in einen IT-Bebauungsplan (Soll) (Vgl. Tiemeyer (2007), S. 56f.) überzuleiten. Gleichzeitig sind die Standards für IT-Infrastruktur, Customizing u.a. wesentliche Kostentreiber zu definieren. Eine Gegenüberstellung der bestehenden IT-Landschaft und dem Soll-Bebauungsplan des IT-Portfolios zeigt dann den Handlungsbedarf für Effizienzmaßnahmen auf. In entsprechenden Portfoliodarstellungen wird ersichtlich, wo Investitionen empfehlenswert sind und wo besser Zurückhaltung geübt werden sollte. Retirement-Kandidaten werden recht schnell zu identifizieren sein. Und für neu zu entwickelnde Applikationen ergibt sich ein strategiekonformes Profil, das u.a. als Richtschnur für die Beschaffung von Standardprodukten dienen kann. Auch der Abdeckungsgrad von Geschäftsprozessen lässt sich so ermitteln.

IT-Aktivitätsfelder

Bild 4: IT-Aktivitätsfelder zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen für das Business.

Portfolioanalyse und Normstrategien im Business (Produkt-im-Markt)

Es wird unterstellt, dass es im Business-Marketing dedizierte Strategiemodelle gibt, auf denen aufgesetzt werden kann. Zur Illustration wird hier die Share/Growth-Matrix von BCG (Vgl. Bolko von Oetinger (2003), S 347) verwendet. Das nachfolgende Beispiel ist konstruiert und soll die unterschiedlichen strategischen Positionen in einem Produktzyklus verdeutlichen.

Navigationsgeräte sind inzwischen ein Commodity, jedoch verändert sich auch dieser Markt dynamisch. Die bisher vorrangig eingesetzten Navigationsgeräte (Navi-Device) werden zunehmend durch Apps (Navi-App)auf Smartphones und Tablets substituiert. Dadurch entfällt jegliche proprietäre Hardware, aber es partizipieren weitere Marktteilnehmer an der Wertschöpfungskette. Der nächste Technologiesprung werden Navigationsgeräte für das autonome Fahren sein (Navi- Autonom). Diese werden Anforderungen an die IT stellen, die um ein Vielfaches höher sind als bisher. Die nachstehende Portfoliodarstellung soll dies aus strategischer Sicht widerspiegeln.

Navigenerationen im BCG-Portfolio

Bild 5: Navigenerationen im BCG-Portfolio.

Dieser Teil der Arbeit ist ausschließlich Sache des Business und wird, in der einen oder anderen Form, vorausgesetzt. In jedem Fall ist diese Art von Vorarbeit aber unerlässlich, um eine Überleitung auf die IT-Strategie zu ermöglichen. Letztendlich müssen alle strategischen Planungen eine Aussage zum Investitionsverhalten machen: soll investiert, konsolidiert oder desinvestiert werden?

Der zweite Teil des Artikels umfasst folgende Themen:

  • IT als Bestandteil des Endproduktes
  • IT als Enabler für Geschäftsprozesse
  • Entwicklung einer IT-Strategie
  • Ansätze für Optimierungsmaßnahmen erkennen
  • Durchführung von Effizienzmaßnahmen
  • Überlegenen Kundennutzen bieten

Zu Teil 2/2

Rüdiger Hoffmann

Rüdiger Hoffmann, Jahrgang 1952, arbeitet im IT-Controlling eines international tätigen Unternehmens mit Aufgabenschwerpunkt liegt im EU-Business. Seine marktorientierte Einstellung und die ganzheitliche Ausrichtung auf Fragen der Unternehmensteuerung hat er u.a. im Rahmen seiner Tätigkeit als Produktmanager in der produzierenden Industrie erworben. Als SixSigma-Green Belt ist er ein Verfechter von Einfachheit und Qualität.

Literaturverzeichnis (siehe Teil 2/2)

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