Der Standardpreis sitzt

Sofa„White Upholstery“: Der Möbelhersteller IMS Group arbeitet mit einem maßgeschneiderten Controlling-Modell für individuell konfigurierbare Polstermöbel.

Wie kaufen Menschen Möbel? Und was brauchen Möbelhändler, um ihre Kunden zu überzeugen? Die Liechtensteiner IMS Group hat sich auf den Weg gemacht, ihre Produkte, Dienstleistungen und Strukturen neu aufzusetzen und noch zukunftsfähiger zu gestalten. Dazu gehört nicht nur die klare Orientierung an Kunden- und Händlerwünschen oder Multichannel-Mechanismen, sondern auch die Prozessoptimierung im Spannungsfeld zwischen Produktion und Vertrieb, Disposition und Logistik, Holding und Ländereinheiten. Immer wieder zentrale Themen dabei: Kostenrechnung, Standardpreise, IT-Systeme und das beste Controlling-Modell. Mit dem Projekt „White Upholstery“, das auf die flexible Variantenkonfiguration von Polstermöbeln aufbaut, hat IMS bereits vor mehr als zwei Jahren – SAP-basiert – die richtige Richtung eingeschlagen. Impulse lieferte hier auch das Sparring mit einem ver trauensvollen Beratungspartner.

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Tische, Stühle, Regale, Schränke, Betten, Sofas: Die Liste der Produkte ist lang, denn die IMS Group designt, entwickelt, produziert und vermarktet Polster- und Holzmöbel in beinahe allen Marktsegmenten der Möbelbranche – vom individuellen Einzelmöbel bis hin zu kompletten Wohnlösungen. Zu den Kunden der Unternehmensgruppe zählen die größten Möbelhandelsunternehmen, Einkaufsverbände und Versandhändler in über 30 internationalen Märkten, aber auch kleinere Fachhändler und spezialisierte Wohneinrichtungsunternehmen. Als Teil der Berggruen Holdings Ltd. beschäftigt IMS mehr als 2.400 Mitarbeiter an sieben Standorten in Mittel- und Osteuropa. Das Herz der Gruppe schlägt im liechtensteinischen Bendern, wo die älteste Vertriebsorganisation – die bereits 1974 gegründete Internationale Möbel-Selection AG – ihren Sitz hat. Hier befindet sich auch ein modernes Hochregallager. Produziert wird größtenteils in firmeneigenen Werken in Polen, dazu kommen einige fremdgesourcte Produkte, die zum Beispiel aus China zugekauft werden. Die Vertriebsstrategien liegen in den Händen der jeweiligen Ländergesellschaften, die ihren Markt kennen und eigenständig bedienen.


Handel im Wandel – IMS im Umbruch


Fakt ist: Der Online-Handel und die digitalen Möglichkeiten bieten große Chancen und setzen den etablierten Marktteilnehmern gleichzeitig im Hier und Jetzt zu – das ist auch im Bereich Einrichten und Wohnen so. Kunden wollen Möbelstücke nach ihren individuellen Wünschen, gute Preise, einfache Bestellabläufe und kurze Lieferfristen. Händlern geht es genauso um Geschwindigkeit, Pricing und effiziente Prozesse. Große Herausforderungen für die Möbelproduzenten – vor allem, wenn sie in komplexen Konzern- und Holding-Strukturen organisiert sind. IMS hat auf die veränderten Marktbedingungen mit einer grundlegenden Neuausrichtung reagiert und treibt diese jetzt konsequent voran. Das Credo lautet: Dezentrale Eigenverantwortung in den Länderniederlassungen, effiziente Plattform-Technik für die Produktion im Sofa-Bereich, zentrale und standardisierte Prozesse – insbesondere mit Blick auf ein organisationsweit einheitliches Controlling. Den ersten Schritt zu einem Umdenken läutete hier bereits vor mehr als zwei Jahren das Controlling-Projekt „White Upholstery“ ein.


Wie soll das Sofa aussehen? 


PolstermöbelDie Sofa-Landschaft ist nicht umsonst der Inbegriff eines ganz persönlichen Einrichtungsstils. Hat der Kunde seine Lieblingskomponenten aus zahlreichen Formen, Farben, Stoffarten und Zubehören individuell zusammengestellt, startet bei IMS die klassische Kundeneinzelauftragsfertigung, denn Lagerkapazitäten sind zumindest für die sperrigen Polstermöbel nicht abbildbar. Hunderte Stoffe müssen vorrätig sein, ohne dass der Bedarf konkret abgeschätzt werden kann. Verantwortlich für das Stoffsortiment sind bei IMS die jeweiligen Vertriebseinheiten. Da der Vertrieb die erste Anlaufstelle für die Auftragserfassung ist, kennt er den Bedarf lange vor der Produktion und kann das Rohmaterial disponieren. Für die Beschaffung ist wiederum die Produktion verantwortlich. Es gibt hier also eine klare Trennung zwischen Produktion und Vertrieb. Die Informationsweitergabe zwischen den beiden Bereichen erfolgt aus dem System heraus.


Teilausgestattet mit den klassischen Finanz-, Controlling- und Logistik-Modulen in SAP, brauchte es eine Lösung, die diese spezielle Konstellation in den betriebswirtschaftlichen Prozessen und für die internen Verrechnungspreise abbildete. Hieraus entwickelten interne Experten mit Unterstützung des langjährigen, auf Controlling-Prozesse spezialisierten Implementierungspartners Plaut das Modell „White Upholstery“, das nach Standardkosten funktioniert. Der Name steht als Chiffre für das „blanko“ Grundmodell eines Polstermöbels, eines so genannten Halbzeugs. 


Der kleinste gemeinsame Nenner


Aktuell sind bei IMS „all in all“ 300.000 bis 350.000 eindeutige Materialnummern vorhanden. Nehmen wir an, ein Sofa besteht aus einem 2-Sitzer mit Ecke, einem 1-Sitzer und einer Récamiere. Was für den Kunden wie „ein“ Sofa aussieht, hat für IMS drei Materialnummern. Dazu kommen noch Optionen wie Kopfstützen, Füße, Stoffarten etc. Das neu eingeführte Sofa-Grundmodell setzt hier buchhalterisch an, bündelt den Basisstock der Materialnummern und hinterlegt einen Standardpreis – als kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen Produktion und Vertrieb. 


Der festgesetzte Standardpreis für das „White Upholstery“ ist ein konstanter Transferpreis. Die Variantenkonfiguration kommt dann bei der weiteren Auftragserfassung hinzu. Muss jetzt der gewünschte Stoff gewählt werden, findet der Disponent ihn in einer vom Vertrieb erstellten Vertriebsstückliste, in der die Mengen festgelegt sind. Über die Funktion Konditionen im SAP-Modul SD (Vertrieb / Sales and Distribution) ist für den Stoff ein Einheitspreis hinterlegt – ebenfalls ein Standardpreis. Eine Herausforderung bei der Modell-Entwicklung blieb die vernünftige Darstellung in SAP CO-PA (Ergebnis- und Marktsegmentrechnung / Controlling and Profitability Analysis). Die Lösung hier: Der auf Basis der Vertriebsstückliste eingebaute Stoffzuschlag sorgt für Aussagekraft mit Blick auf den zu erwartenden Deckungsbeitrag. 


Im Zuge des Monatsabschlusses erfolgt dann mithilfe des Delta-Analysetools in der SAP-Anwendungsfunktion Material-Ledger ein SollIst-Vergleich, bei dem der angesetzte Standardpreis mit dem Ist-Preis verglichen wird – zum Beispiel mit Blick auf die Wechselkursdifferenz. Das mehrschichtige Tool vermag die Materialien bis herunter zum Kundenauftrag aufzusplitten und ist auf allen Ebenen aussagekräftig. Alle Informationen fließen an das SAP CO-PA und das SAP BW (Business Information Warehouse) und werden Bestandteil sämtlicher Reports. Somit lässt sich kontrollieren, ob Rohmaterialpreise aus dem Ruder laufen oder ob der gesetzte Standardpreis der Realität entspricht.


Neue Standards im Controlling – dank Grundmodell und Standardkosten


Was nach einer naheliegenden Lösung klingt, brauchte versiertes Experten-Know-how und konnte insbesondere durch das eingespielte Team aus Internen und Externen schnell und effizient gelingen. Eine Zusammenarbeit, die sich bereits seit der initialen Einführung von SAP FI (Rechnungswesen / Financial Accounting) für zahlreiche Folgeprojekte empfahl, darunter auch die Implementierung von SAP BI / BW. Das Ergebnis für „White Upholstery“: eine schlanke Projektlaufzeit von zehn Monaten und der Grundstein für eine Standardisierung der Controlling-Prozesse, die aktuell weiter deutlich intensiviert wird. So befindet sich etwa ein Produktinformationsmanagement-System (PIMS) – also eine zentrale Produktdatenbank mit Stücklistenkalkulation, Preislisten und Fotos – in der Planung. Integriert in SAP und angepasst an den künftigen Standard der B2B-Kommunikationslösung XcalibuR, wird PIMS vollumfänglich die Kommunikation mit den Kunden übernehmen. 


IMS ist derweil mittendrin im Umbau-Prozess: Geschäftsstrukturen vereinfachen und vereinheitlichen, Lieferzeiten anpassen, Supply Chain optimieren, Sortimentspolitik überarbeiten, Stoffportfolio reduzieren, Kapitalbindung im Lager reduzieren, Fokussierung auf den Online-Markt vorantreiben, Synergien im Bereich Logistik schaffen etc. Weniger Komplexität, mehr Struktur – das ist das Ziel und das muss das Ziel sein. 
 

Thomas Nussbaumer, Head of Management Information Systems der IMS Group und

Stefan DehnStefan Dehn, Geschäftsführer von Plaut Deutschland

www.plaut.com/de

 

 

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