Plötzlich alt

Zu alt für IT? Wie Altersvorurteile Karrieren bremsen

PC

Kann man zu alt für IT sein? Während 100.000 IT-Stellen in Deutschland unbesetzt bleiben, sorgen sich bereits 29-Jährige um ihre Karrierechancen in der Tech-Branche. Eine Analyse über Alterswahrnehmung, Fachkräftemangel und die Suche nach Lösungen.

Wenn 29 schon “alt” ist

Aktuelle internationale Studien offenbaren das erschreckende Ausmaß dieser Problematik. Laut dem State of the Industry Report von Keysource erkennen über 75 Prozent der Führungskräfte in IT- und Rechenzentrumsunternehmen Vorurteile gegenüber älteren Arbeitnehmern in ihrer Branche. Während 38 Prozent glauben, dass sowohl jüngere als auch ältere Mitarbeiter gleichermaßen betroffen sind, sieht die Hälfte der Befragten ältere Generationen als hauptsächlich benachteiligt.

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Bildquelle: CWJobs

Besonders beunruhigend sind auch die Erkenntnisse des CWJobs-Reports: Tech-Mitarbeiter beginnen in Großbritannien bereits im Alter von 29 Jahren, altersbezogene Benachteiligung zu erfahren – zwölf Jahre früher als der branchenübergreifende Durchschnitt von 41 Jahren. Mit 38 Jahren gelten sie bereits als “über dem Berg”.

Diese doch sehr überraschende Altersgrenze von 29 Jahren in der Tech-Branche könnte mehrere Ursachen haben: Jüngere Entwickler gelten als schneller anpassungsfähig an neue Tools und Frameworks, während der Startup-Mythos mit Erfolgsgeschichten wie Zuckerberg oder Gates die Vorstellung verstärkt, dass Innovation hauptsächlich von jungen Menschen kommt. Hinzu kommen Kostenüberlegungen, da jüngere Mitarbeiter oft für weniger Geld und mehr Stunden arbeiten, und die “Work-hard-play-hard”-Mentalität mit Überstunden passt besser zu Menschen ohne familiäre Verpflichtungen.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache:

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  • 35 Prozent der Tech-Arbeiter fühlen sich als “zu alt” für ihren Job
  • 32 Prozent befürchten, aufgrund ihres Alters entlassen zu werden
  • 61 Prozent glauben, dass ältere Arbeiter in ihrer Branche Vorurteilen ausgesetzt sind – der höchste Wert aller britischen Branchen
  • Tech-Arbeiter fühlen sich bereits mit 37 Jahren alt – zehn Jahre früher als der Durchschnitt
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Bildquelle: CWJobs

Studien wie die von CWJobs zeigen, dass ältere IT-Fachkräfte teilweise als weniger vertraut mit aktuellen technologischen Trends wahrgenommen werden. Diese Wahrnehmungen beeinflussen sowohl die Behandlung innerhalb von Unternehmen als auch die Erfolgsquote bei der Jobsuche.

Die Situation am deutschen Arbeitsmarkt

Nach aktuellen Erhebungen stehen etwa 100.000 unbesetzten IT-Stellen rund 40.000 arbeitslose IT-Fachkräfte gegenüber. Diese Diskrepanz weist auf strukturelle Herausforderungen hin, die über den klassischen Fachkräftemangel hinausgehen.

Bitkom prognostiziert, dass ohne Gegenmaßnahmen bis 2040 rund 663.000 IT-Fachkräfte in Deutschland fehlen könnten. Diese Projektion basiert auf demografischen Trends und der erwarteten steigenden Nachfrage nach IT-Dienstleistungen. Auf die Dienste der erfahreneren ITler zu verzichten oder deren Wünsche und Sorgen zu ignorieren, erscheint angesichts dessen unklug.

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Potenziale altersgemischter Teams

Forschungsergebnisse der London School of Economics legen nahe, dass altersgemischte Arbeitsplätze Vorteile haben könnten: Mitarbeiter in als altersinklusiv beschriebenen Unternehmen berichteten von doppelt so hoher Jobzufriedenheit, halb so häufiger Jobsuche und höheren wahrgenommenen Produktivitätsniveaus.

Ein Beispiel aus der Praxis liefert Tharindu Fernando, Technikexperte und Full-Stack-Entwickler bei NetSpeed Canada: “Unsere elegantesten Lösungen entstanden durch die Kombination des Systemwissens erfahrener Entwickler mit der modernen Toolkit-Expertise neuerer Entwickler. Unsere Senior-Entwickler erkennen kritische Sicherheitsprobleme, die jüngere Entwickler übersehen könnten, während jüngere Teammitglieder Grenzen mit frischen Ansätzen zur Benutzererfahrung erweitern.”

Die demografische Entwicklung macht deutlich, dass sich die Altersstruktur der Arbeitnehmerschaft in den kommenden Jahren ändern wird. Unternehmen, die Strategien für altersgemischte Teams entwickeln, verschaffen sich möglicherweise Vorteile.

Überdenken der Alterswahrnehmung

Die verfügbaren Daten zeigen, dass die IT-Branche ihre Einstellung zu erfahrenen Fachkräften überprüfen sollte. Die demografische Entwicklung macht deutlich, dass in den kommenden Jahren mehr Menschen das traditionell als “jung” geltende “Tech-Alter” überschreiten werden.

Unternehmen, die frühzeitig Strategien für altersgemischte Teams entwickeln und die unterschiedlichen Kompetenzen verschiedener Generationen zu nutzen lernen, könnten sich langfristige Vorteile sichern. Die Zeit ausschließlicher Jugendorientierung könnte sich dem Ende zuneigen – die Zukunft gehört der Kompetenz, unabhängig vom Alter.

Lars

Becker

Redakteur

IT Verlag GmbH

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