Offener Brief der Open Source Business Alliance

“Marketing-Narrativ”: Scharfe Kritik an BSI-Präsidentin Plattner

Claudia Plattner
Bildquelle: BMI/ Henning Schacht

Die Open Source Business Alliance hat zusammen mit 59 Mitunterzeichnern einen offenen Brief an BSI-Präsidentin Claudia Plattner verfasst und widerspricht damit ihren jüngsten Aussagen zur digitalen Souveränität in Deutschland. Plattner hatte am 12. August 2025 gegenüber der dpa erklärt, dass digitale Souveränität in Deutschland vorerst unerreichbar sei.

Peter Ganten, Vorstandsvorsitzender der Open Source Business Alliance, übt auf der Website der Organisation deutliche Kritik an Plattners Haltung: “Claudia Plattner müsste als Präsidentin des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik eine der stärksten Befürworterinnen von Open Source Software sein und sich für den Ausbau von digital souveränen Alternativen aussprechen, statt mit ihren pauschalen Aussagen Verunsicherung in Politik und Wirtschaft zu säen.”

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Der offene Brief an Claudia Plattner wird noch konkreter. Die Initiatoren werfen der BSI-Präsidentin vor, ein “Marketing-Narrativ” amerikanischer Unternehmen zu wiederholen, wenn sie behaupte, US-Anbieter seien bei Investitionen “zehn Jahre voraus”. Dieses Argument werde häufig verwendet, um Wirtschaft und Verwaltung vom Einkauf europäischer Lösungen abzuhalten.

Vorhandene Alternativen werden ignoriert

Laut dem offenen Brief existieren bereits heute “offene, funktionierende Alternativen und starke europäische Anbieter” in Bereichen wie Cloud-Computing, Low-Code-Plattformen, Kommunikation und Kollaboration, Business Process Management und Künstliche Intelligenz. Viele dieser Open-Source-Technologien würden bereits von hunderten von Behörden sowie Unternehmen weltweit erfolgreich eingesetzt.

“Viele Abhängigkeiten könnten kurzfristig abgebaut werden, wenn die Politik vorhandene Lösungen auch aus Europa gezielt in Ausschreibungen berücksichtigen und fördern würde”, heißt es in dem Brief weiter.

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Strategische Investitionen gefordert

Die Unterzeichner fordern gezielte Investitionen in Open Source Software und eine Beschaffungspolitik der öffentlichen Hand, die Nachfrage nach offenen, europäischen Lösungen schafft. Nur so könne ein belastbares Ökosystem entstehen, das Abhängigkeiten tatsächlich reduziert, statt sie nur zu verwalten.

Ganten betont die Hebelwirkung der öffentlichen Beschaffung: “Die öffentliche Hand hat durch ihre Beschaffungspolitik eine wichtige Hebelwirkung für den Aufbau digitaler Souveränität. Mit Open Source Software bauen wir digitale Infrastruktur auf, die wir selbst gestalten und kontrollieren können, ohne die Abhängigkeiten von US-amerikanischen Unternehmen zu verfestigen.”

Sehr geehrte Frau Plattner,

wir nehmen Bezug auf Ihre Aussagen gegenüber der dpa, die in vielen Medien veröffentlicht wurden. Ihre Beschreibung des Ist-Zustands ist in Teilen korrekt: Deutschland ist in zentralen Feldern von US-Anbietern abhängig und kurzfristig ist selbstverständlich mehr Kontrolle und Risikobegrenzung notwendig. Aber: Digitale Souveränität ist erreichbar und die Voraussetzung für unsere Sicherheit, wirtschaftliche Stärke und die eigenständige Gestaltung unserer Zukunft. Wenn wir uns ständig allein mit Schadensbegrenzung abmühen, kommen wir aus der misslichen Lage der erdrückenden Abhängigkeiten nicht heraus.

Ihre Aussage, US-amerikanische Unternehmen seien in Bezug auf Investitionen „zehn Jahre voraus“, wiederholt in dieser Pauschalität ein Marketing-Narrativ, das häufig mit dem Ziel angewandt wird, Wirtschaft und Verwaltung vom Einkauf europäischer Lösungen abzuhalten. Dieses Argument wird politisch häufig als Begründung herangezogen, um dringend notwendige Beschaffungs- und Investitionsentscheidungen zu vertagen. In Wirklichkeit könnten viele Abhängigkeiten kurzfristig abgebaut werden, wenn die Politik vorhandene Lösungen auch aus Europa gezielt in Ausschreibungen berücksichtigen und fördern würde.

Offene, funktionierende Alternativen und starke europäische Anbieter gibt es etwa in den Bereichen Cloud, Low-Code, Kommunikation und Kollaboration, BPM, KI und vielen mehr. Etliche dieser offenen Technologien sind bereits heute weit verbreitet und werden von hunderten Behörden sowie Unternehmen und anderen Organisationen weltweit erfolgreich eingesetzt. Sie reduzieren so Abhängigkeiten und behalten volle Kontrolle über Daten.

Was wir strategisch brauchen, sind gezielte Investitionen in Open Source Software und eine Ausgabenpolitik der öffentlichen Hand, die Nachfrage nach offenen, europäischen Lösungen schafft. Nur so kann ein belastbares Ökosystem entstehen, das Abhängigkeiten tatsächlich reduziert, statt sie nur zu verwalten. Praxistaugliche Kriterien für eine solche Beschaffung liegen vor; als Unternehmen und Verbände der Digitalwirtschaft und Zivilgesellschaft bringen wir dazu seit Jahren konkrete Vorschläge ein.

Bundesminister Dr. Wildberger kündigte im Mai 2025 auf der re:publica öffentlich an, Open Source und offene Standards zum Leitprinzip in der IT-Architektur des Bundes machen zu wollen. Und auch die Koalitionsvereinbarung spricht eine ähnliche Sprache. Das gelingt aber nur, wenn die öffentliche Hand konsequent auf Open Source setzt. Damit wird die nachhaltige Digitalisierung der Verwaltung vorangetrieben und die eigenständige Innovationskraft von Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland und Europa gestärkt. Es wäre falsch, an dieser Stelle zu resignieren. Denn wir sind davon überzeugt: Digitale Souveränität für Deutschland ist möglich. Wir müssen sie nur wollen und beherzt vorantreiben.

Mit freundlichen Grüßen

die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner

Der vollständige Brief auf der Open Source Alliace-Hompeage

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Unterstützung aus der Politik

Zu den 60 Unterzeichnern des offenen Briefes gehören zehn Verbände aus Digitalwirtschaft und Zivilgesellschaft sowie 50 Open-Source-Unternehmen, Hochschulen, Professoren und Einzelpersonen. Mit Dirk Schrödter, dem Minister für Digitalisierung und Medienpolitik aus Schleswig-Holstein, unterstützt auch ein prominenter Politiker die Initiative.

Die Unterzeichner verweisen auf Bundesminister Dr. Wildbergers Ankündigung vom Mai 2025 auf der re:publica, Open Source und offene Standards zum Leitprinzip in der IT-Architektur des Bundes machen zu wollen. Auch die Koalitionsvereinbarung spreche eine ähnliche Sprache.

Fazit: Resignation ist der falsche Weg

“Es wäre falsch, an dieser Stelle zu resignieren”, schreiben die Verfasser des Briefes abschließend. “Denn wir sind davon überzeugt: Digitale Souveränität für Deutschland ist möglich. Wir müssen sie nur wollen und beherzt vorantreiben.”

Lars

Becker

Redakteur

IT Verlag GmbH

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