Digitalisierung: Der Realitäts-Check | Studie von Horváth & Partners

DigitalisierungDigitalisierung ist in den meisten Unternehmen Deutschlands weit vorangeschritten. In mehr als jedem zweiten Unternehmen haben sich Aufgaben dadurch verändert. Am stärksten mussten die IT-Prozesse angepasst werden. Das zahlte sich auch aus. 

So konnten IT-Kosten gesenkt und die Produktivität gesteigert werden. Auf der anderen Seite lösten die Umstrukturierungen Hektik, Missverständnisse und Konflikte aus, die es weiterhin zu bewältigen gilt.

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Die zunehmende Digitalisierung führt dazu, dass sich immer mehr Unternehmen mit den daraus resultierenden Möglichkeiten und Herausforderungen auseinandersetzen müssen. Sie ist ein Megatrend, der die Art und Weise wie wir leben, arbeiten und Wertschöpfung erzeugen signifikant verändert. Immer mehr Daten werden miteinander verknüpft und führen zu neuen Dienstleistungen, Produkten und Geschäftsmodellen. In mehr als 80 Prozent der Unternehmen in Deutschland ist die digitale Transformation nach den Angaben einer Studie der Unternehmensberatung Horváth & Partners bereits angekommen. Das zeigt sich insbesondere bei Konsumgüterherstellern sowie in Telekommunikations- und Transportunternehmen. Die erwähnte Befragung von rund 200 Digitalisierungsentscheidern aus mehreren Branchen liefert einen Querschnitt durch die Unternehmenslandschaft in Deutschland.

Die Digitalisierung ist in den meisten Unternehmen angekommen

Bild 1: Die Digitalisierung ist in den meisten Unternehmen angekommen.

Neben dem technischen Wandel stand in den letzten Jahren viel Organisatorisches auf dem Plan, was die Unternehmen auch weiterhin beschäftigt. Viele Aufgaben und Zuständigkeiten haben sich im Zuge der Digitalisierung verändert. Das ist vor allem im Handel und in der Telekommunikationsbranche zu spüren. Rollen mussten neu vergeben, Aufgaben verteilt und Kompetenzen aufgebaut werden. Strategie und Umsetzung wurden dabei auf viele Schultern verteilt, wobei CEO und CIO am häufigsten die treibende Kraft sind. 81 Prozent der Entscheider sehen sich in diesen Megatrend stark oder sogar sehr stark eingebunden. Digitalisierung ist somit Chefsache.

Virtuelle Wege erschließen

Dass hierzulande durch die Digitalisierung viele sprudelnde Ideen für neue Zielmärkte oder neue Produkte entstehen, ist allerdings kaum zu erkennen. Der digitale Trend wirkt sich eher auf die Unternehmenskultur, die Organisation, den Vertrieb und die Produktionsabläufe aus. Neun von zehn Unternehmen wollen vor allem bereits bestehende Geschäftsmodelle digital weiterentwickeln. Bei den Finanzdienstleistern macht sich das besonders im Vertrieb bemerkbar. Drei Viertel der Befragten geben an, dass beispielsweise inzwischen mobile Digitallösungen in ihre Leistungen und Vertriebswege integriert wurden und dass sie davon profitieren, überall ortsunabhängig erreichbar zu sein. Auch virtuelle Dienste sind sehr gefragt. Zwei Drittel der Unternehmen setzen auf diese weitere Möglichkeit, Kunden online bedienen zu können.

Im Kommen sind zudem Smart-Services, Smart-Data und Big-Data, mit deren Hilfe Unternehmen die zunehmende Datenflut bewältigen und für eigene Zwecke auswerten können. Generell versprechen sich Unternehmen durch solche Technologieprogramme, die Bedürfnisse ihrer Kunden noch besser erfassen und ihnen dann noch effizienter zielgruppenspezifischer Angebote unterbreiten zu können. Dafür wurden natürlich zunächst vor allem die hausinternen IT-Prozesse angepasst. An zweiter, dritter und vierter Stelle folgte die Umstrukturierung der Kundenservice-, Marketing- und Vertriebsprozesse. Letztere wurde vor allem in Handelsunternehmen durchgeführt.

Unternehmen von morgen arbeiten mobil und virtuell

Bild 2: Unternehmen von morgen arbeiten mobil und virtuell.

Überall ist alles abrufbar

Cloud-Anwendungen und das Internet der Dinge befinden sich bei vielen Unternehmen ebenfalls auf dem Vormarsch. Bezüglich der virtuellen Speicherung von Geschäftsdaten und dem virtuelle Zusammenspiel zwischen künstlicher Intelligenz und Maschinen ist allerdings noch eine gewisse Zurückhaltung erkennbar. Auch wenn unter dem beliebten Begriff Industrie 4.0 das Internet der Dinge von vielen Technologie-Anbietern mit Nachdruck beworben wird, machen sich erst vier von zehn Unternehmen daran, Geräte, Maschinen und Produktionsanlagen zu vernetzen, so dass sie die eigenen Zustandsinformationen für die Weiterverarbeitung im Netzwerk zur Verfügung stellen. Rein digitale Produkte wie zum Beispiel Software oder Videos spielen nur bei 38 Prozent der Unternehmen in Deutschland eine Rolle.

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Unternehmenskulturen ändern sich

Viele Maßnahmen, um Unternehmen, Produkte und Services zu digitalisieren, erscheinen im ersten Moment technisch relativ einfach umsetzbar. Doch Digitalisierung bedeutet wesentlich mehr als das reine technischen Umschalten von analogen zu digitalen Abläufen. Digitalisierung zieht einen alles durchdringenden Kulturwandel in den Unternehmen nach sich. Das betrifft vor allem die Denkweise, die Zusammenarbeit, die Kommunikation, die hierarchischen Strukturen und den Vertrieb. Mitarbeiter und Führungskräfte müssen beispielsweise lernen und akzeptieren, dass Projektarbeit agiler wird, und dass sich die klassischen Trennlinien zwischen Analyse, Konzeption und Umsetzung immer mehr auflösen.

Digitalisierung bringt einige Stolpersteine mit sich.

Bild 3: Digitalisierung bringt einige Stolpersteine mit sich.

Diese Entwicklung geht nicht reibungslos vorstatten. So beobachten die Befragten in mehr als jedem zweiten Unternehmen Schwierigkeiten mit der neuen Flexibilität, vor allem wenn sie auf sehr starre Strukturen trifft. Ein weiteres wesentlich größeres Problem ist der Zeitdruck. Neue Prozesse zeitnah zu implementieren und umzusetzen, fällt der Mehrheit schwer. Vielen Entscheidern ist dabei nicht immer ganz klar, wie sie vorgehen sollen. Oder es muss noch die Frage der Verantwortung geklärt werden, was in fast jedem zweiten Unternehmen zu einer handfesten Herausforderung ausartet. Immer wieder zeigt sich, dass sich eine etablierte Unternehmenskultur eben nicht mal eben von heute auf morgen im gleichen Maße ändern lässt wie eine technische Ausstattung. Wie die Befragung zeigt, klagt insbesondere der Handel vergleichsweise häufig über entsprechende Schwierigkeiten.

Digitalisierung im Sinne des Kunden

Ein Megatrend wie die Digitalisierung, der derart viele Investitionen und Veränderungswillen abverlangt, muss sich auf der anderen Seite auch im Ergebnis positiv niederschlagen, sonst würde er sich nicht dauerhaft und flächendeckend durchsetzen. Die meisten Unternehmen versprechen sich vom digitalen Wandel, dass ihre Produkte und Dienstleistungen besser auf die Kundenbedürfnisse abgestimmt werden. Dieser Wunsch geht einher mit einer besseren Erreichbarkeit der Servicemitarbeiter und schnelleren Lieferzeiten. Insgesamt berichten acht von zehn Entscheidern, dass sie durch die verschiedene Digitalisierungsmaßnahmen bessere Leistungen für ihre Kunden erbringen wollen. Der Kunde steht bei der Digitalisierung also im Fokus.

Aber auch intern werden einzelne Abteilungen durch Digitalisierung schneller und agiler. In fast allen Unternehmensbereichen konnten die Produktivität gesteigert und Kosten gesenkt werden. Das zeigte sich verständlicherweise zunächst vor allem in den IT-Abteilungen. Aber auch das Supply Chain Management und der Vertrieb profitieren stark von dem Wandel; sehr eindrucksvoll zeigt sich das beispielsweise in der Industrie. Und diese Entwicklungsmöglichkeiten sind noch längst nicht ausgeschöpft. Von Serviceoptimierung, Informationsgewinnung bis zur Automatisierung wird noch viel vom digitalen Wandel erwartet. Lediglich die Konsumgüterbranche blickt eher skeptisch in die Zukunft.

Strategie und systematisches Management sind erforderlich

Die Digitalisierung ist eine Entwicklung, die mit technologischen und kulturellen Herausforderungen einher geht und bestehende Prozesse und Geschäftsmodelle massiv in Frage stellt. Klar ist nach der Befragung, dass diese Entwicklung nicht wahllos von statten gehen, sondern im Rahmen strategischer Vorgaben gezielt voran getrieben werden sollte. Unkoordinierte Einzelmaßnahmen führen nur zu Hektik, Frust und Missverständnissen. Und es besteht die Gefahr, dass die Goldgräberstimmung und blinder Aktionismus den ein oder anderen Prozess vorschnell beispielsweise auf Mobile-Tauglichkeit trimmen. Ohne klare Strategie und systematisches Management bleiben Digitalisierungsmaßnahmen nur technische Spielereien, die keine gewinnbringende Ergebnisse erzielen.

Es kommt somit darauf an, wie Unternehmen mit den vielen neuen Unwägbarkeiten umgehen. Zu den zentralen Handlungsfeldern der digitalen Transformation gehört deshalb eine Kommunikations- und Veränderungsstrategie. Alle im Unternehmen, vom Chef bis zum einfachen Mitarbeiter, müssen dazulernen. Beispielsweise gehören Grundkenntnisse des agilen Vorgehens in Zeiten, wo sich Projekte in vielen Fällen nicht mehr mit dem starren Wasserfallmodell steuern lassen, zum Handwerkszeug in den unterschiedlichsten Unternehmensbereichen. Zudem ist es wichtig, Vorkehrungen gegen digitale Überforderung zu treffen. Es braucht ausreichend Raum und Zeit, sich anzupassen. Das gilt besonders, wenn stark hierarchisch geprägte Branchen künftig agil unterwegs sein wollen. Die Digitalisierung nebenher anzugehen funktioniert deshalb nicht. Sie ist eine Aufgabe, die mit klarer Führung und ausreichenden Ressourcen angegangen werden sollte.

Reiner ZierhoferRainer Zierhofer, Partner bei Horváth & Partners Management Consultants in Frankfurt

 
 

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