Mit der Vorstellung des DeepL Agent positioniert sich das Kölner Unternehmen im heiß umkämpften Markt für agentenbasierte KI. Der neue Assistent ist darauf ausgelegt, wiederkehrende und komplexe Aufgaben im Bereich der Wissensarbeit zu übernehmen.
Er nutzt Standardschnittstellen wie Tastatur, Browser und Maus, reagiert auf natürliche Sprachbefehle und optimiert sich kontinuierlich durch maschinelles Lernen. DeepL bringt damit nicht nur technologische Innovationskraft, sondern auch seine Reputation für Präzision, Sicherheit und Sprachkompetenz in dieses Feld ein – ein starkes Differenzierungsmerkmal.
Gefahr für das SAP-Geschäftsmodell
Für klassische ERP-Anbieter wie SAP könnte der Aufstieg solcher Agenten existenzielle Risiken bergen. Das Lizenzmodell von SAP beruht seit jeher auf der Anzahl und Art menschlicher Nutzer. Professional-User-Lizenzen bilden dabei das Rückgrat der Umsätze.
Wenn nun KI-Agenten in der Lage sind, nicht nur SAP S/4HANA eigenständig zu konfigurieren, sondern auch die Arbeit von Hunderten Mitarbeitern zu übernehmen, droht der Kollaps dieser Logik. Zahlreiche Lizenzen würden schlicht überflüssig.
FUE – eine Metrik mit blinden Flecken
Mit dem Konzept des Full Use Equivalent (FUE) hat SAP ein Regelwerk geschaffen, um On-premise-Lizenzen in Cloud-Abonnements zu transformieren. Ein FUE entspricht in etwa einem Professional User, komplexere Zugriffe benötigen mehrere FUE. Ziel war es, die Lizenzlandschaft zu vereinfachen und konsistenter zu gestalten.
Doch die Realität sieht anders aus: Inzwischen gleicht das SAP-Lizenzmanagement einem undurchdringlichen Dschungel. Und eines ist besonders auffällig – KI-Agenten tauchen darin nicht auf. Weder im FUE-System noch in der Cloud-Strategie existiert ein Ansatz, wie autonome Systeme lizenziert werden könnten.
Die entscheidenden Fragen lauten daher:
- Gilt ein KI-Agent als ein einzelner Nutzer oder als Replik vieler?
- Welche FUE sind ihm zuzurechnen?
- Und wie lässt sich ein Lizenzmodell durchsetzen, wenn der „User“ keine Person, sondern Software ist?
Historische Parallelen: Vom IBM-AIX-Dilemma lernen
Die Situation erinnert an die 1990er-Jahre: Damals betrieb SAP R/3 auf IBM-AIX-Systemen. Während SAP für jeden Endnutzer Lizenzen verkaufte, kannte AIX nur drei Accounts – Root, DB-Admin und das R/3-System. Für IBM bedeutete das: minimale Einnahmen aus Lizenzen, während SAP das lukrative Geschäft machte.
Heute könnte sich das Blatt wenden – diesmal droht SAP, in die Rolle von IBM zu geraten.
Open-Source-ERP als Endspiel?
Noch gravierender: Agenten könnten nicht nur bestehende ERP-Systeme optimieren, sondern auf Basis ihrer Erfahrungen eigenständig neue Systeme entwickeln. Ein von KI orchestriertes Open-Source-ERP wäre eine direkte Konkurrenz zum etablierten S/4HANA– schneller, flexibler und ohne Lizenzkosten.
Tools wie Lovable oder KI-gestützte Entwicklungsplattformen könnten die Entstehung solcher Systeme drastisch beschleunigen. Der Gedanke, dass innerhalb weniger Monate Composable-ERP-Lösungen aus der KI-Pipeline entstehen, ist keineswegs utopisch.
DeepL als Katalysator der Disruption
DeepL geht mit seinem Agenten noch einen Schritt weiter: Er bewegt sich vollständig innerhalb der Arbeitsumgebung des Nutzers, versteht Befehle in natürlicher Sprache und lernt aus Interaktionen. Damit wird er zum universellen Assistenten, der nahezu jede digitale Aufgabe übernehmen kann.
Die Konsequenz: Unternehmen könnten ganze ERP-Instanzen von wenigen Agenten steuern lassen. Mitarbeiter würden kaum noch mit dem System arbeiten – und SAPs Lizenzmetriken verlören ihre Grundlage.
Fazit: Ein Kartenhaus wankt
Die Einführung des DeepL Agent ist mehr als eine Produktmeldung. Sie ist ein Weckruf für SAP. Agentenbasierte KI stellt nicht nur die Effizienz von Geschäftsprozessen auf den Kopf, sondern auch die Grundlagen des Lizenzmodells, das SAP jahrzehntelang getragen hat.
Sollte es SAP nicht gelingen, schnell Antworten auf die Rolle von KI-Agenten im Lizenzgefüge zu finden, droht eine strategische Sackgasse. Ausgerechnet dort, wo SAP mit seiner Cloud-Transformation Boden gewinnen wollte, könnte das Unternehmen von autonomen KI-Systemen überholt werden.